: Russen bereiten sich auf Kämpfe um AKW vor

von Oliver Klein
27.04.2023 | 15:57 Uhr
Russland hat am AKW Saporischschja wohl Verteidigungsanlagen errichtet - direkt auf dem Dach der Reaktoren. Offenbar rechnen die Besatzer mit einem baldigen Kampf um das Kraftwerk.
Das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja könnte bald erneut umkämpft sein. (Archivbild)Quelle: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa
Seit über einem Jahr ist das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja fest in der Hand von Russen. Doch die Sorge der Besatzer vor einer großangelegten Offensive der Ukraine wächst: Überall in den besetzten Regionen Cherson und Saporischschja bereiten sich russische Streitkräfte auf einen Kampf vor - offenbar sogar direkt auf dem Kraftwerksgelände.
Das britische Verteidigungsministerium berichtet in seinem täglichen Geheimdienst-Update, am Kraftwerk seien Verteidigungsstellungen errichtet worden. Satellitenbilder aus dem März zeigen dem Bericht zufolge auf den Dächern von mehreren der sechs Reaktorblöcke Kampfstellungen mit Sandsäcken. Das sei "der erste Hinweis darauf, dass die Reaktorgebäude in die taktische Verteidigungsplanung integriert werden", schreibt das Ministerium bei Twitter.
Verteidigungspositionen der russischen Armee im Kernkraftwerk von SaporischschjaQuelle: DigitalGlobe Inc. (Maxar Technologies) / Ministry of Defence UK

IAEA besorgt wegen Kämpfen in AKW-Nähe

Auch der Direktor der internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Mariano Grossi, teilte in der vergangenen Woche in einem Statement zur Situation in Saporischschja mit, er habe nach einem Besuch "deutliche Hinweise auf militärische Vorbereitungen in der Region" gesehen. Die IAEA-Experten vor Ort würden häufig von Explosionen in der Nähe des Standorts berichten, sagte er.
Ich bin sehr besorgt über die Situation im Werk.
IAEA-Direktor Rafael Mariano Grossi
Das schürt weiter Ängste vor einer nuklearen Katastrophe in Saporischschja: Seit Monaten drängt die IAEA auf die Einrichtung einer Sicherheitsszone rund um das Kraftwerk. Moskau und Kiew beschuldigen sich immer wieder gegenseitig, für Angriffe um und auf das AKW verantwortlich zu sein.

Saporischschja ist heruntergefahren

Durch Beschuss in der Region wurde das Kraftwerk bereits mehrmals vom ukrainischen Stromnetz abgetrennt, Notgeneratoren mussten einspringen, weil das AKW für einen sicheren Betrieb eine konstante Energiezufuhr braucht.
Die Reaktoren wurden inzwischen heruntergefahren, die Anlage wird von außen mit Strom versorgt. Zuletzt hatte Russlands Atombehörde Rosatom immerhin erklärt, man sei bereit zu einer Zusammenarbeit.
Karte: Ukraine - Kiew, Cherson, Saporischschja, KrimQuelle: ZDF

Geheimdienst: Katastrophe durch Kampfhandlungen unwahrscheinlich

Das Errichten von Kampfstellungen direkt am AKW durch die russischen Streitkräfte erhöhe höchstwahrscheinlich das Risiko, dass Sicherheitssysteme beschädigt werden, wenn Kämpfe um das Kraftwerk herum stattfinden, warnen nun die britischen Geheimdienstexperten.
Immerhin: Dass es wirklich zu einer Katastrophe, also schlimmen Schäden an den Reaktoren durch Infanteriewaffen kommen könne, sei unwahrscheinlich, da die Gebäudestrukturen sehr widerstandsfähig seien.
Seit Kriegsbeginn veröffentlicht das Verteidigungsministerium in London täglich Informationen zum Kriegsverlauf und beruft sich dabei auf Geheimdienstinformationen. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.
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