: Nutzte die Ukraine eine alte Sowjet-Drohne?

von Oliver Klein
06.12.2022 | 19:40 Uhr
Militärexperten glauben, Kiew habe für die Attacke auf russische Flugplätze eine umgebaute Sowjet-Drohne genutzt. Der Kreml ist alarmiert: Damit könnte auch Moskau erreicht werden.
Auch am Tag nach den Explosionen auf zwei russischen Luftwaffenstützpunkten sind wichtige Fragen noch ungeklärt: War es tatsächlich ein ukrainischer Angriff - und wenn ja, wie konnte die Ukraine die Militärstützpunkte hunderte Kilometer tief im russischen Landesinneren treffen?
Klar ist: Auf den Militärflugplätzen Engels und Djagilewo hatte es am Montagmorgen Explosionen gegeben, wie Videos von Überwachungskameras in Sozialen Netzwerken zeigen. In Engels sollen zwei russische Langstreckenbomber beschädigt worden sein, in Djagilewo ein Überschallbomber.
Ein von ZDFheute verifiziertes Video der Explosion auf dem Stützpunkt Engels
Für weiteres Rätselraten sorgt heute ein Brand auf einem Flughafen: Nach einem Drohnenangriff in Kursk etwa 100 Kilometer östlich der ukrainischen Grenze habe ein Öltank Feuer gefangen, teilte Gouverneur Roman Starowoi am Dienstag auf Telegram mit. Videos zeigten eine große Stichflamme. Der Flughafen wird seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ausschließlich für militärische Zwecke genutzt.

Militärexperte: Russland kann Flugzeuge nicht ersetzen

Für die Drohnenangriffe macht Russland die Ukraine verantwortlich - offiziell hat die Regierung in Kiew das aber bisher nicht bestätigt. Doch für die Ukraine sei die Zerstörung der Bomber immens wichtig, darauf weist der ukrainische Militärexperte Oleksandr Kovalenko im Gespräch mit ZDFheute hin. Denn diese Flugzeuge würden genutzt, um "Terroranschläge auf friedliche Städte der Ukraine" zu verüben. Vor allem aber verfüge Russland nicht über die technologischen Fähigkeiten, diese Flugzeuge herzustellen oder zu reparieren - daher sei dies ein irreversibler Verlust.
Sollte es sich bewahrheiten, dass die Ukraine für die Angriffe Drohnen verwendete, wäre das ein schwerer Schlag für Russland: Es würde einerseits zeigen, wie weit die Ukraine bei der Produktion dieser Waffensysteme sei - und zum anderen, dass Russland seinen Luftraum nicht verteidigen könne, so Kovalenko.

Ukraine könnte alte Sowjet-Drohne aufgerüstet haben

Doch was für eine Drohne könnte die ukrainische Armee für die Angriffe verwendet haben? "Man vermutet im Moment, dass die Ukraine einen alten, sowjetischen Flugkörper wieder aktiviert hat", erklärt Militärökonom Marcus Keupp.
Diese Drohne vom Typ Tupolew M-141 wurde ursprünglich als Aufklärungsdrohne konzipiert. Die Ukraine habe diese Drohne offenbar mit GPS und einem Sprengkopf ausgestattet und sie so zu einer Waffe umfunktioniert. Sie habe eine Reichweite von etwa 1.000 Kilometern, so Keupp.
Der gesamte südostrussische Raum könne so theoretisch bedroht werden - inklusive Moskau. Doch wenn es eine Tupolew-Drohne war - warum wurde sie von der russischen Luftraumüberwachung nicht bemerkt? Sie fliege zwar deutlich schneller als eine normale Drohne, es sei aber "nichts, was ein Radar nicht erfassen könnte", analysiert Keupp. Das würde bedeuten, dass die Drohne der Radarerfassung schlicht entgangen sei - "das zeigt schon ein gewisses systemisches Versagen".
Satellitenbild vom Militärstützpunkt Engels vom 28. November 2022.Quelle: Planet Labs PBC

Kreml ruft Sicherheitsrat zusammen

Ähnlich sehen das auch britische Geheimdienste: Die jüngsten Angriffe seien ein signifikanter Rückschlag für den Kreml und ein schweres Versagen beim Schutz der eigenen Truppen, schrieb das britische Verteidigungsministerium am Dienstag in London.
Auf ersten Satellitenbildern des Flugplatzes bei Engels sind keine größere Schäden zu erkennen. Menschen stehen auf der Rollbahn, an einem der Flugzeuge ist offenbar Löschschaum zu sehen. Doch in Moskau schrillen die Alarmglocken: Kreml-Chef Wladimir Putin rief am Dienstag bereits den Sicherheitsrat seines Landes zusammen.
Hochrangige Vertreter der Sicherheitsbehörden berieten darüber, wie die "innere Sicherheit" des Landes gewährleistet werden könne, erklärte der Kreml. Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte vor Reportern zudem, die Behörden würden "notwendige" Maßnahmen ergreifen, um das Land vor ukrainischen Angriffen zu schützen.
Quelle: mit Material von dpa, AFP

Thema

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine