Analyse

: Ein russischer Angriff droht jetzt im Süden

von Christian Mölling, András Rácz
22.02.2024 | 04:15 Uhr
Westlich von Awdijiwka muss die Ukraine keinen bevorstehenden Angriff Russlands fürchten. Doch woanders steht eine Eskalation bevor. Vieles hängt nun von Munitionslieferungen ab.
Russland hat schwere Angriffe auf Robotyne an der Saporischschja-Front gestartet und versucht, die Ukrainer aus den Stellungen zu vertreiben.Quelle: Reuters
Die russischen Truppen eroberten Awdijiwka am 17. und 18. Februar vollständig. Während es den meisten ukrainischen Verteidigern gelang, sich geordnet zurückzuziehen, wurden einige gefangen genommen und einige andere hingerichtet, was durch Bildmaterial belegt ist.
Gegenwärtig führen die russischen Streitkräfte in der zerstörten Stadt Säuberungs- und Stabilisierungsmaßnahmen durch und suchen nach Minen, Sprengfallen und möglicherweise verbliebenen Leichen.

Dr. Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Dr. András Rácz ...

Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.

Russisches Tempo wird langsamer

Nach der Einnahme der Stadt verlangsamte sich das Tempo des russischen Vormarsches nach Westen erheblich. Sie führen zwar Sondierungsangriffe auf das nahe gelegene kleine Dorf Lastotschkine durch, planen aber offenbar nicht, die ukrainischen Verteidigungslinien entlang der Linie Semenivka-Orlivka-Tonenke sofort weiter anzugreifen.

Eine dichte Verteidigung an der langen Frontlinie falle der Ukraine schwer. Doch es sei ein "Mythos", dass Russland unendlich viele Soldaten habe, sagt Militärexperte Nico Lange.

21.02.2024 | 25:03 min
Die 1. Panzerarmee, eine russische Eliteeinheit, die bei der Eroberung von Awdijiwka eine Schlüsselrolle spielte, wurde nach und nach an die Frontlinie von Kupjansk verlegt.
Ohne sie ist es unwahrscheinlich, dass die verbliebenen, aufgeriebenen Panzereinheiten einen weiteren Angriff auf die ukrainischen Stellungen westlich von Awdijiwka unternehmen würden. Stattdessen gruppieren sie sich neu, ruhen sich aus und arbeiten an der Stabilisierung ihrer Stellungen.

Russland nutzt Munitionsmangel

Russland beabsichtigt offenbar, den herrschenden kritischen Mangel an Artilleriemunition in der Ukraine auszunutzen und den Druck auf die ukrainischen Linien an mehreren Stellen zu erhöhen.
Da der Ukraine auch die Luftabwehrraketen ausgehen, versucht Russland außerdem, die noch einsatzfähigen ukrainischen Luftabwehreinheiten entlang der gesamten Frontlinie aufzuteilen und so eine Situation zu schaffen, in der die Ukraine keinen Abschnitt der Frontlinie wirksam gegen Luftangriffe und ankommende Gleitbomben verteidigen kann.

Nach dem Rückzug aus der Stadt Awdijiwka gerät die Ukraine in die Defensive. ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf über die militärische Lage an der Front.

21.02.2024 | 01:29 min
In den letzten Wochen der Belagerung von Awdijiwka gelang es den Russen, die Luftüberlegenheit über der Stadt zu erlangen, so dass sie in großem Umfang Gleitbomben einsetzen konnten.
Die ukrainische Luftabwehr ist jedoch noch nicht völlig am Boden: In den vergangenen Tagen gelang es der Ukraine, eine Reihe russischer Sukhoi Su-34 und Su-35 abzuschießen.

Mehr russische Angriffe an der Südflanke

Russland hat in den letzten Tagen schwere Angriffe auf Robotyne an der Saporischschja-Front gestartet und versucht, die Ukrainer aus den Stellungen zu vertreiben, die sie während der Gegenoffensive im Sommer 2023 dort eingenommen hatten.
Bislang ist das Dorf noch in ukrainischer Hand, und die angreifenden russischen Truppen haben erhebliche Verluste erlitten, aber die Offensive geht weiter.

Die Ukraine scheint im russischen Angriffskrieg an der Front im Osten zunehmend in die Defensive zu geraten. Nach dem Rückzug aus Awdijiwka steigt auch der Druck an anderen Orten.

21.02.2024 | 01:31 min
Zwischen Robotyne und Verbove gelang es den Russen, eine Reihe von ukrainischen Stellungen zurückzuerobern, die bereits im September 2023 errichtet worden waren. Darüber hinaus hat Russland seine Angriffe auch an der Kupjansker Front deutlich verstärkt.
Die Verlegung der 1. Garde- Panzergarmee wird etwa eine Woche dauern, aber sobald sie abgeschlossen ist, ist auch hier mit schweren russischen Angriffen zu rechnen.

Munitionsmangel derzeit entscheidend für Entwicklungen

Solange die westlichen Munitionslieferungen nicht in nennenswertem Umfang steigen, werden die ukrainischen Truppen in der Defensive bleiben und wohl schrittweise weiter Stellungen verlieren.

Der Bundestag debattiert über neue Hilfen für die Ukraine. Ein Antrag der Ampel zur "Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen" nennt Taurus nicht.

22.02.2024 | 01:38 min
Der Mangel an Artilleriemunition macht ein effizientes Gegenfeuer unmöglich, und die russische Artillerie ist den ukrainischen Truppen um das Fünf-, Sieben-, an manchen Stellen sogar um das Zehnfache überlegen.
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