: Droht Russland eine Dieselknappheit?

von Christian Mölling, András Rácz
21.03.2024 | 16:09 Uhr
Die Ukraine hat weitere russische Raffinerien angegriffen. Russlands Abwehr ist unzureichend, Reparaturen sind durch Abhängigkeit vom Westen erschwert. Drohen Treibstoffengpässe?
Brand in einem Öllager im russischen Klintsy (Archivbild)Quelle: dpa
Die Ukraine hat ihre Angriffe auf die russische Ölindustrie fortgesetzt: Von den 22 russischen Raffinerien, die sich westlich des Urals befinden, hat die Ukraine bereits mindestens 13 angegriffen. Die Langstrecken-Drohnenangriffe sind überwiegend erfolgreich und mit geringen bis gar keinen Risiken verbunden.
Russland ist nach wie vor nicht in der Lage, die Raffinerien mit ausreichender elektronischer Kampfführung und Flugabwehr auszustatten, um der ukrainischen Bedrohung zu begegnen. In der Regel gelingt es nur, einige der ankommenden Drohnen abzuschießen.
So wurden die Raffinerien in Kirishi, Rjasan, Norsi und Syzran erheblich beschädigt, während drei bis vier weitere geringfügig beschädigt wurden. Gehen die Angriffe so weiter, hat Russland bald ernsthafte Probleme, bestimmte Arten von Schäden zu beheben - und der Diesel könnte knapp werden.

Warum die Raffinerie-Angriffe Russland schaden

Die meisten russischen Raffinerien arbeiten mit Sensoren und Steuerungssystemen aus westlicher Produktion, da Russland in den kapitalstarken 2000er- und 2010er-Jahren lieber die moderne westliche Technologie von der Stange gekauft hat, anstatt eigene Varianten zu entwickeln.

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Wenn solche Systeme nun von der Ukraine beschädigt werden, kann die Reparatur aufgrund der westlichen Sanktionen sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen und würde nicht unbedingt zu der gleichen Qualität führen, die das jeweilige System vor den Angriffen hatte.

Russlands Ölraffinerien vom Westen abhängig

Wenn es um Rohre und mechanische Komponenten geht - auch größere, wie zum Beispiel atmosphärische Destillationstürme - kann Russland diese noch problemlos selbst herstellen oder in China bestellen.

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Wenn jedoch nicht nur mechanische Teile, sondern auch elektronische Komponenten durch die Ukraine beschädigt werden, wird die Situation aufgrund der technologischen Abhängigkeit der russischen Ölraffinerien vom Westen komplizierter.

Die Autoren der Militäranalyse

Dr. Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Dr. András Rácz ...

Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.

Zerstörte Ölindustrie: Russland könnten Engpässe drohen

Wenn die Ukraine ihre Drohnenangriffe nun weiter fortsetzt, könnte Russland schon bald mit ernsthaften Engpässen beim Dieselkraftstoff konfrontiert sein. Derzeit ist Russland in der Lage, täglich 6,5 Millionen Barrel raffinierte Erdölprodukte zu produzieren, wenn alle Raffinerien mit maximaler Kapazität arbeiten. Davon befinden sich die Raffineriekapazitäten für etwa 4,2 Millionen Barrel pro Tag in den europäischen Gebieten Russlands - was bedeutet, dass diese Anlagen durch ukrainische Drohnenangriffe gefährdet sind.
Russland verbraucht täglich etwa 3,6 Millionen Barrel Raffinerieerzeugnisse und exportiert darüber hinaus etwa eine Million Barrel Diesel und eine weitere Million Barrel Heizöl. Während also unter normalen Umständen genügend Spielraum für die Ausfuhr von Dieselkraftstoff vorhanden ist, könnte dieser unter dem Druck fortgesetzter Drohnenangriffe radikal abnehmen. Bislang wurde die Raffineriekapazität aufgrund der Drohnenangriffe um etwa eine Million Barrel pro Tag reduziert.

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Russland: Benzinknappheit im Sommer?

Infolgedessen wird die russische Bevölkerung wahrscheinlich schon im Sommer mit einer erheblichen Benzinknappheit konfrontiert werden; die Preise steigen bereits. Beim Diesel wird die landwirtschaftliche Sommersaison bereits zu lokalen Engpässen und Versorgungsunterbrechungen führen. Außerdem wird Russland mit Sicherheit seine Dieselausfuhr um mindestens 25 Prozent verringern müssen, obwohl die Ausfuhr höhere Gewinne abwirft als der Inlandsverbrauch.
Wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen, könnte im Herbst der Zeitpunkt kommen, an dem Russland den militärischen Verbrauchern gegenüber der Zivilbevölkerung Vorrang einräumen muss. Es gibt jedoch keinen Grund zu der Annahme, dass der Kreml zögern würde, wenn er eine solche Entscheidung treffen müsste: Der Krieg wird höchstwahrscheinlich weiterhin absolute Priorität haben.
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