: Wie Kriminelle die Wahlen beeinflussen wollen

von Jonas Seufert
12.10.2023 | 09:17 Uhr
Vor der Präsidentschaftsstichwahl am Sonntag in Ecuador werden die Menschen zunehmend von der organisierten Kriminalität eingeschüchtert. Drei Gewerkschafterinnen wurden bedroht.
Ecuador: Ein Soldat bewacht ein Wahllokal.Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com
Die Morddrohungen kamen fast zeitgleich auf den Handys der Gewerkschafterinnen an. Man solle aufhören, die Bananenproduzenten zu "belästigen" und die Arbeiter zu verteidigen, steht in der Nachricht.
Es folgen detaillierte Angaben über Wohnorte und die Familien der Betroffenen. Unterzeichnet ist sie von einer Gruppe der organisierten Kriminalität. Maricela Guzmán ist eine der drei betroffenen Frauen:
Wir nehmen diese Drohungen sehr ernst.
Maricela Guzmán, Gewerkschafterin

Drohungen gegen Gewerkschafterinnen kurz vor der Stichwahl

Die Aktivistin und ihre Kolleginnen arbeiten seit mehreren Jahren für die Bananen-Gewerkschaft ASTAC. Sie organisieren Arbeiter gegen die Ausbeutung auf den Plantagen, geben Seminare, kritisieren Unternehmen öffentlich. Seit über einer Woche verstecken sich Guzmán und ihre Kolleginnen, sie waren an keinem öffentlichen Ort mehr.

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Guzmán hat miterlebt, wie sich kriminelle Banden in den vergangenen Jahren in ihrer Heimatstadt festgesetzt haben.
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Maricela Guzmán, Gewerkschafterin
Die Drohungen kommen nur wenige Tage vor der Stichwahl zur Präsidentschaft in Ecuador an diesem Sonntag. Bei der Wahl tritt die linke Luisa González gegen den liberal-konservativen Daniel Noboa an. González wird dem Lager um den ehemaligen Staatspräsidenten Rafael Correa zugerechnet, Noboa ist der Sohn einer der reichsten Bananenunternehmer des Landes.

Präsidentschaftswahl von Mord an Kandidaten überschattet

Der Wahlkampf wurde überschattet vom Mord am Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio. Er hatte zuvor wiederholt die Verquickung von Staat und organisierter Kriminalität kritisiert. Villavicencio wurde nach einer Wahlkampfveranstaltung auf offener Straße erschossen, wohl von Mitgliedern einer kriminellen Bande.

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Die mutmaßlichen Täter wurden verhaftet und vergangenes Wochenende tot im Gefängnis aufgefunden. Auch mehrere Lokalpolitiker sind im vergangenen Jahr getötet worden.
Lange Zeit galt Ecuador als relativ friedliches Land in Lateinamerika, erst recht im Vergleich zu seinem Nachbarn Kolumbien. Seit einigen Jahren aber wächst auch dort die organisierte Kriminalität.

ASTAC vermutet Bananenproduzenten hinter den Morddrohungen

Drogenkartelle nutzen die Häfen des Landes, um Kokain nach Europa zu schmuggeln. Um sie herum entwickelt sich ein Netz aus kriminellen Banden, für die Drogen, Entführungen und Morde zum Geschäft geworden sind. Und auch Morddrohungen.
Die Gewerkschaft ASTAC etwa vermutet hinter den Nachrichten an ihre Mitarbeiterinnen einen Auftraggeber: Bananenproduzenten, die die Gewerkschaft einschüchtern wollen. Constantin Groll, Büroleiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Ecuador, hält das für plausibel.
Man kann eine Verbindung annehmen zwischen organisierter Kriminalität und Bananenproduktion.
Constantin Groll, Friedrich-Ebert-Stiftung in Ecuador

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Mordrate in Ecuador seit 2021 verdoppelt

Die Arbeit von Gewerkschaften in den Agrarexportsektoren des Landes sei schon immer schwierig gewesen. Die Arbeitsbedingungen seien prekär, die Macht der Unternehmen stark ausgeprägt. Nun kommt die organisierte Kriminalität hinzu.
Die Bananenplantagen Ecuadors liegen in Gebieten, in denen kriminelle Banden besonders stark vertreten sind. Groll fürchtet, dass Menschenrechtsverteidiger dort zunehmend ins Visier geraten werden.
Die Normalisierung der Gewalt im Land ist sehr beängstigend.
Constantin Groll, Friedrich-Ebert-Stiftung in Ecuador
Die Mordrate des Landes hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt. "Vergangenes Jahr hat Ecuador Kolumbien überholt, dieses Jahr wahrscheinlich Mexiko."

Verbrechensbekämpfung scheitert an Korruption

Der Staat sei schwach bei der Bekämpfung der Kriminalität, die Sicherheitsorgane häufig korrupt. Dem aktuellen Staatspräsidenten Guillermo Lasso wird vorgeworfen, angesichts der explodierenden Gewalt untätig zu sein. Er tritt bei dieser Wahl nicht mehr an.
Die Vorschläge der beiden Präsidentschaftskandidaten González und Noboa zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ähneln sich. Man müsse die Sicherheitskräfte verstärken, Häfen und Grenzen militarisieren und gleichzeitig wirtschaftliche Perspektiven schaffen.
Egal, wer sich durchsetzt: Eine schnelle Lösung wird es vermutlich nicht geben. Die Bananen-Gewerkschaft ASTAC organisiert aktuell den Schutz ihrer Mitarbeiterinnen. Die gewerkschaftliche Arbeit werde man trotz der Drohungen fortsetzen.

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