: EU-Hilfe für Gaza: Die Hoffnung reist mit

von Bastian Mühling und Florian Neuhann
07.11.2023 | 20:03 Uhr
Vom belgischen Ostende ist heute der achte Flug der EU mit Hilfe für Gaza gestartet. Die Frage ist, ob und wann die Hilfsgüter wirklich die Menschen dort erreichen.

Die Menschen im Gazastreifen sind auf Hilfsgüter angewiesen. Ob die Lieferungen der EU ankommen, lässt sich nicht sicher sagen.

07.11.2023 | 02:12 min
Alle Gates sind zu, der Flughafen leer von Touristen. Zwei Ferienflieger starten an diesem Dienstag vom Flughafen Ostende-Brügge. Einer nach Teneriffa, einer nach Alicante. Und: ein Cargo-Flieger nach Ägypten, mit 45 Tonnen Hilfsgütern. Diese werden später am Flughafen Al-Arisch landen, 50 Kilometer südlich von Rafah, dem einzigen Zugang nach Gaza.

Humanitäre Hilfe vervierfacht

Der Flug nach Ägypten ist der vorerst letzte von acht der EU-Luftbrücke. Heute an Bord: vor allem Medikamente, aber auch Lebensmittel wie so genannte "Plumpy nuts" - eine energiereiche Paste aus Erdnussbutter zur Behandlung von Unterernährung.

Europas humanitäre Hilfe für Palästinenser

Seit dem Jahr 2000 bereits schickt die EU humanitäre Hilfe in die palästinensischen Gebiete. Davon zu unterscheiden ist langfristige Entwicklungshilfe. Hier hat die EU seit 1993 insgesamt 8,5 Milliarden Euro überwiesen. Seit dem Anschlag der Hamas am 7. Oktober werden diese Zahlungen nun überprüft, bis zum Abschluss der Prüfung sollen keine Gelder ausgezahlt werden.

Seit Kriegsbeginn hat die EU ihre humanitäre Hilfe deutlich erhöht: Am Montag kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, weitere 25 Millionen Euro für die Zivilisten im Gazastreifen bereitzustellen. Damit vervierfacht sich die Summe auf nun 100 Millionen Euro.

Eigens für den Start des Fliegers angereist ist der zuständige EU-Kommissar für Krisenmanagement, der Slowene Janez Lenarčič. Seine Botschaft an die Menschen in Gaza: "Ihr könnt auf die Europäische Union zählen." Er verurteilt den Angriff der Hamas, spricht aber auch von "grausamen Bombardierungen" von Israel. Und kündigt weitere Lieferungen an.

"Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein"

Diese sind dringend notwendig. 45 Tonnen - "das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", sagt Jamie LeSueur, Koordinator der Kriseneinsätze für das Internationale Rote Kreuz, an diesem Vormittag ebenfalls am Flughafen Ostende.
Nach UN-Angaben sind täglich 100 Lkw-Ladungen mindestens notwendig, um die mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen mit dem Nötigsten zu versorgen. Aktuell kommen im Durchschnitt täglich 33 Lastwagen mit Hilfsgütern an, wie der Palästinensische Rote Halbmond heute mitteilt.

Die Zivilbevölkerung hat keinen sicheren Zufluchtsort mehr, sagt das Internationale Rote Kreuz. Angemessene humanitäre Hilfe sei derzeit nicht möglich.

29.10.2023 | 01:35 min

Kritik: Wo landet die Hilfe?

Verteilt werden die Medikamente und Nahrungsmittel von UN-Organisationen. Die EU bezahlt die Flüge, ist aber nicht selbst vor Ort. Deshalb reist mit den Lieferungen auch immer die Frage mit, ob sie womöglich in den Händen der Hamas landen. Auf Nachfrage sagt EU-Kommissar Lenarčič:
Es hat bisher nie glaubwürdige Anzeichen oder sogar Beweise gegeben, dass humanitäre Hilfe der EU in falsche Hände geraten ist.
Janez Lenarčič, EU-Kommissar für Krisenmanagement
Jamie LeSueur vom Roten Kreuz gibt zu: Man könne nicht garantieren, dass die Hamas die Hilfsgüter nicht abgreift. "In den Krankenhäusern fragen wir nicht nach Personalausweisen." Dort aber befänden sich zurzeit hauptsächlich Frauen und Kinder.

"Geiseln in den Mittelpunkt stellen"

Soll, muss man das Risiko in Kauf nehmen, dass die Hilfe an die Falschen gerät? Europaparlamentarier Niclas Herbst (CDU) ist selbst gerade zu Besuch in Israel - und blickt skeptisch auf die europäische Hilfe.

In einem von der Hamas veröffentlichten Video beschimpfen israelische Geiseln Ministerpräsident Netanjahu. Wer reagiert der Beschuldigte? Michael Bewerunge berichtet aus Tel Aviv.

30.10.2023 | 01:19 min
Die Wahrscheinlichkeit, dass Mittel auch in die Hände der Hamas fallen, sei hoch, da die Terrororganisation ein enges Netzwerk im Gazastreifen habe. Deshalb, sagt Herbst, solle man Hilfe an Bedingungen knüpfen - etwa an die Freilassung der israelischen Geiseln.
Humanitäre Hilfe ja, aber Menschlichkeit für Menschlichkeit. Selbstverständlich müssen die Geiseln vom Baby bis zu Holocaust-Überlebenden freigelassen werden.
Niclas Herbst, CDU-Europaparlamentarier

Weitere Transporte per Schiff?

Ein weiteres Problem: der fehlende Zugang zum Gazastreifen. Denn der Grenzübergang Rafah wird von Ägypten seit Kriegsbeginn nur vereinzelt geöffnet.
Diskutiert wird daher derzeit auch über Transporte per Schiff. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte einen Seekorridor von Zypern aus ins Spiel gebracht. Doch ihr zuständiger Kommissar gibt sich heute zurückhaltend: Aktuell gebe es keinen funktionsfähigen Hafen im Gaza-Streifen. Es ist nur ein Problem von vielen.

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