: Trump als Bandenführer angeklagt

von Elmar Theveßen, Washington
15.08.2023 | 05:40 Uhr
Die Staatsanwaltschaft in Georgia hat Anklage gegen Donald Trump und 18 weitere mutmaßliche Verschwörer erhoben. Der Ex-Präsident muss bis 25. August vor den Haftrichter treten.

Ex-US-Präsident Trump sieht sich im Bundesstaat Georgia mit einer Anklage wegen versuchter Einflussnahme nach der Wahl 2020 konfrontiert. Es ist die vierte Anklage gegen ihn.

15.08.2023 | 02:49 min
Unspektakulärer geht es kaum, und gleichzeitig doch auch kaum dramatischer. Ché Alexander macht Überstunden. Um kurz nach 21 Uhr bestätigt die Gerichtsschreiberin per Unterschrift den Erhalt von Dokumenten. Eine Mitarbeiterin des Sheriffs von Fulton County trägt den kleinen Stapel durch die Flure in den Saal von Richter Robert McBurney.
Er blättert durch die Papiere und fragt: "Ist alles so gelaufen, wie es laufen sollte bei der Grand Jury? Prima." Dann darf Ché Alexander alles mitnehmen. Sie trägt ein orangefarbenes Kleid.

41 Anklagepunkte gegen Trump in Georgia

Orange ist in den USA oft auch die Farbe der Overalls für Strafgefangene. Das könnte am Ende dieses Verfahrens gegen Donald Trump im US-Bundesstaat Georgia stehen - wenn er denn verurteilt wird. Nun also Anklage Nummer Vier, und die hat es in sich: Wahlbetrug, Nötigung, Anstiftung zur Verletzung des Amtseids, insgesamt 41 Anklagepunkte auf der Grundlage von 161 systematischen, organisierten Straftaten.

„Wenn Donald Trump verurteilt würde, könnte er sich, wenn er wieder zum Präsidenten gewählt würde, nicht selbst begnadigen“, so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen in Washington.

15.08.2023 | 02:06 min
Gerade letzteres ist bemerkenswert. Die Geschworenen haben der Staatsanwältin Fani Willis grünes Licht für eine Strafverfolgung nach dem sogenannten "RICO-Act" gegeben, ein Gesetz, das einmal zur Bekämpfung des Organisierten Verbrechens geschaffen wurde. Und so beschreibt die knapp 100-seitige Anklageschrift eine breitangelegte Verschwörung unter Führung von Donald Trump.

Was ist der "RICO-Act"?

Der sogenannte Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (kurz RICO oder RICO-Act) wurde im Jahre 1970 als Bundesgesetz zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens erlassen. Es ermöglichte es Staatsanwälten, Personen in einflussreichen Positionen innerhalb einer kriminellen Vereinigung ins Visier zu nehmen.

Wenige Jahre nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes, begannen US-Staaten damit, ihre eigenen Rico-Gesetze zu verabschieden. Nach dem Rico Act, der in Georgia 1980 wirksam wurde, ist es eine Straftat, sich durch ein "Muster der illegalen Aktivität" an einem "Unternehmen" zu beteiligen, es sich anzueignen oder Kontrolle darüber zu erhalten - oder sich zu einem solchen Vorhaben zu verabreden.

Ein "Unternehmen" oder "Unterfangen" kann eine Einzelperson oder eine Gruppe gleichgesinnter Individuen mit einem gemeinsamen Ziel sein. "Illegale Aktivität" bedeutet, eines der mehr als drei Dutzend im Gesetzestext aufgeführten Verbrechen zu begehen, es zu versuchen oder jemand anderes dazu zu verleiten, zu zwingen oder einzuschüchtern, damit er die Tat verübt. Mindestens zwei solcher Straftaten müssen für ein "Muster der illegalen Aktivität" vorliegen.

Quelle: AP

Neben Trump 18 weitere Personen angeklagt

Insgesamt 19 Angeklagte sind aufgeführt, unter ihnen die Rechtsberater des abgewählten Ex-Präsidenten Rudy Giuliani, Jenna Ellis, Sidney Powell, John Eastman. Aufhorchen lässt neben dem Namen des ehemaligen stellvertretenden Verteidigungsministers Jeffrey Clark vor allem der von Donald Trumps Stabschef im Weißen Haus - Mark Meadows.
Gemeinsam sollen sie alles getan haben, um die Wähler in Georgia und in den gesamten USA um ihre Wählerstimmen zu betrügen - mit ihren Taten, von der Einschüchterung von Wahlhelfern über die Auswahl von falschen Wahlfrauen und -männern bis zum Umsturzversuch vom 6. Januar 2021.

Ex-US-Präsident Trump steht erneut vor Gericht, es geht unter anderem um Wahlbeeinflussung und den Sturm auf das Kapitol. Er weist alle Vorwürfe zurück.

04.08.2023 | 01:20 min

Zentraler Anklagepunkt: Berüchtigter Trump-Anruf bei Wahl 2020

Einer der wichtigsten Anklagepunkte dreht sich um jenen berüchtigten Anruf Donald Trumps vom 2. Januar 2021, bei dem der Wahlverlierer den republikanischen Innenminister von Georgia Brad Raffensperger unter Druck setzte, ihm doch "11.780 Stimmen zu finden", um ihm zum Wahlsieg zu verhelfen.

Die Telefonanrufe

Die Ermittlungen wurden durch einen Trump-Anruf am 2. Januar 2021 bei Brad Raffensperger ausgelöst, dessen Job als Secretary of State dem eines Innenministers gleicht. Darin deutete der Ex-Präsident an, dass Raffensperger helfen könne, die Stimmen zu "finden", die er benötigte, um in Georgia den Demokraten Joe Biden zu schlagen. "Alles, was ich tun möchte, ist das: Ich will 11.780 Stimmen finden, das ist eine mehr als wir haben... Denn wir haben den Staat gewonnen", ist Trump in der Medien zugespielten Aufnahme zu hören. Er beharrt darauf, nichts Falsches getan zu haben.

Trump hat in seinem Bestreben, das Wahlergebnis zu kippen, auch andere ranghohe Vertreter des Bundesstaates angerufen, so Gouverneur Brian Kemp, den damaligen Vorsitzenden des staatlichen Repräsentantenhauses, David Ralston, und Justizminister Chris Carr. Auch der republikanische US-Senator Lindsey Graham aus South Carolina hat sich kurz nach der Wahl im November 2020 an Raffensperger gewandt. Nach dessen Angaben fragte Graham ihn, ob er die Befugnis habe, bestimmte Briefwahlstimmen abzulehnen, was er - Raffensperger - als Wink verstanden habe, rechtmäßig abgegebene Stimmen zu verwerfen.

Donald Trump hat Georgias Innenminister angerufen und verlangt, dieser solle für ihn „Stimmen finden“, um doch noch Wahlsieger zu werden. Als dieser ablehnt, wird Trump wütend und droht. Womöglich eine Straftat, sagen Experten.

04.01.2021 | 02:30 min

Die falschen Wahlleute

In den USA wird das Staatsoberhaupt nicht direkt gewählt, sondern durch ein Electoral College. Das ist ein Gremium von Wahlleuten, die jeweils einen bestimmten Bundesstaat repräsentieren und ihre Stimme in der Regel gemäß dem dortigen Wahlausgang abgeben. Wie viele Stimmen ein Staat hat, hängt jeweils von der Bevölkerungsgröße ab. Biden gewann in Georgia mit einem Vorsprung von weniger als 12.000 Stimmen. Rund einen Monat nach der Wahl, am 14. Dezember 2020, traf sich eine Gruppe von 16 rechtmäßigen demokratischen Wahlleuten, um offiziell jene Stimmen abzugeben, über die dieser Bundesstaat im Electoral College verfügt. Am selben Tag kamen an einem anderen Ort 16 prominente Republikaner aus dem Bundesstaat zusammen, die ein Zertifikat unterzeichneten, dem zufolge Trump die Wahl gewann. Sie erklärten sich selbst zu "rechtmäßig gewählten und qualifizierten" Wahlleuten und schickten ihr Zertifikat an den US-Senat.

Derartige Vorgänge gab es in insgesamt sieben Swing States, in denen Trump verloren hatte. Trump-Verbündete im Washingtoner Repräsentantenhaus und Senat wollten diese falschen Dokumente benutzen, um eine offizielle Beglaubigung des Wahlergebnisses in einer gemeinsamen Sitzung beider Kongresskammern am 6. Januar 2021 zu blockieren.Aber das gelang ihnen nicht. Trotz öffentlichen Druckes von Trump und Verbündeten weigerte sich der damalige Vizepräsident Mike Pence in seiner Funktion als Senatsvorsitzender, auf die inoffiziellen Pro-Trump-Wahlleute einzugehen. Nach einer Verzögerung auf Grund des Sturmes auf das Kapitol wurde Bidens Sieg offiziell beglaubigt.

In Michigan sind 16 Unterstützer von Ex-Präsident Trump wegen versuchter Wahlfälschung angeklagt worden. Sie sollen 2020 versucht haben, den Sieg von Joe Biden zu verhindern.

19.07.2023 | 00:19 min

Falsche Betrugsvorwürfe

Republikanische staatliche Parlamentarier hielten im Dezember 2020 mehrere Anhörungen im Kapitol in Atlanta ab, um angebliche Probleme bei der Wahl zu untersuchen. Während dieser Treffen äußerten der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani und andere Trump-Verbündete Vorwürfe verbreiteter Wahlbetrügereien. Unter anderem behaupteten sie, dass Wahlhelfer, die in der State Farm Arena in Atlanta Briefwahlstimmen auszählten, außenstehende Wahlbeobachter weggeschickt und dann "Koffer" mit falschen Stimmen geöffnet und diese Wahlzettel dann gescannt hätten.

Trump-Verbündete veröffentlichten Clips aus einem Überwachungsvideo aus der Arena, um ihre - grundlosen - Vorwürfe zu untermauern. Auch sollen Tausende von Leuten, die nicht wahlberechtigt gewesen seien, in Georgia mit abgestimmt haben. Bei Untersuchungen wurden in keinem dieser Fälle Beweise für Betrug gefunden.

Versuchter Druck auf Wahlhelferinnen

Zwei Wahllhelferinnen in der State Farm Arena, die im Überwachungsvideo zu sehen waren, berichteten, dass sie als Folge der Vorwürfe Trumps und Verbündeter online und in Person unablässig belästigt und beschimpft worden seien. Laut Gerichtspapieren hat eine Frau sogar versucht, direkt Druck auf eine der Helferinnen auszuüben, um sie zu einem - falschen - Betrugseingeständnis zu bringen. Giuliani hat mittlerweile eingeräumt, dass Behauptungen, die er über die Helferinnen gemacht hatte, falsch gewesen seien.

Zugang zur Wahlausrüstung

Die mit Trump verbündete Anwältin Sidney Powell und andere heuerten ein auf Computer spezialisiertes kriminaltechnisches Team an, um Daten und Software in elektronischer Wahlausrüstung im Bezirk Coffee zu kopieren, wie aus E-Mails, Überwachungsvideos und Zeugenaussagen hervorgeht. Demnach wurde das Team bei seiner Ankunft im örtlichen Wahlbüro am 7. Januar 2021 vom damaligen Vorsitzenden der Republikanischen Partei in dem Bezirk, der auch zu den falschen Wahlleuten zählte, in Empfang genommen. Der Besuch dauerte einen ganzen Tag.

(Quelle: AP)

Alle Verschwörer, so die Staatsanwältin Fani Willis bei einer Pressekonferenz im Gerichtsgebäude von Atlanta, hätten sich an "dem kriminellen Unterfangen" beteiligt, um es Donald Trump zu ermöglichen, eine weitere Amtszeit "zu stehlen".

Republikaner macht in Georgia Aussage gegen Trump

Vor der Grand Jury hatte sogar der ehemalige stellvertretende Gouverneur von Georgia, Geoff Duncan, gegen Trump ausgesagt. Der Republikaner legt jetzt nach Bekanntwerden der Anklage öffentlich nach. Duncan sagte beim US-Fernsehsender CNN:
Er hat die Moral aus der Republikanischen Partei gesaugt.
Geoff Duncan, ehemaliger stellvertretender Gouverneur von Georgia

Mike Pence - wirtschaftsliberal, erzkonservativ, Trumps Ex-Vizepräsident - nun fordert er bei den internen Präsidentschaftsvorwahlen der Republikaner seinen früheren Chef heraus.

07.06.2023 | 02:43 min
"Er hat uns alles weggenommen und jetzt müssen wir es uns zurückholen. Jetzt ist es an uns, Wahlen wieder auf der Grundlage von politischen Konzepten zu gewinnen." Seine Empörung ist spürbar, als er seine Parteifreunde auffordert, sich endlich von Trump loszusagen:
Wenn wir diesen Drei-Manegen-Donald-Trump-Zirkus weiter zulassen, werden wir verlieren, verlieren und wieder verlieren.
Geoff Duncan, ehemaliger stellvertretender Gouverneur von Georgia
Der ehemalige stellvertretende Gouverneur von Georgia, Geoff Duncan, nach seiner Aussage vor Gericht gegen Donald Trump.Quelle: AP

Trumps Wahlkampfteam widerspricht Vorwürfen

Trumps Wahlkampfteam schießt mit der gleichen Munition zurück wie schon bei früheren Anklagen: Die Vorwürfe seien haltlos, die korrupten Demokraten wollten ihm sein Recht auf Meinungsfreiheit und Überprüfung der Wahl stehlen. Das sei "Wahleinflussnahme" und "Wahlmanipulation", "der Versuch der herrschenden Klasse, die Wahl des Volkes zu unterdrücken. Das ist unamerikanisch und falsch."

Ex-US-Präsident Donald Trump will trotz seines Gerichtsprozesses bei der Präsidentschaftswahl 2024 antreten. ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen berichtet in Washington.

04.08.2023 | 01:17 min
Doch das hilft Trump wenig. Bis Freitag, den 25. August, 12 Uhr Ortszeit müssen er und seine Mitangeklagten vor Gericht in Atlanta erscheinen. Nach seiner offiziellen Verhaftung kann der mutmaßliche Rädelsführer dann auf "nicht schuldig" plädieren und sich voraussichtlich wegen mangelnder Fluchtgefahr wieder in den Wahlkampf stürzen.

Georgia: Attentate durch Trump-Anhänger befürchtet

Die Sicherheitsbehörden befürchten Ausschreitungen, ja sogar Attentate durch Anhänger des Ex-Präsidenten. Deshalb sind Schutzmaßnahmen um das Gerichtsgebäude in den vergangenen Tagen massiv verschärft worden. Die Staatsanwältin wird von Leibwächtern begleitet, auch weil Donald Trump sie in den vergangenen Tagen massiv beschimpft und diffamiert hatte.
Aber bei ihrer Pressekonferenz wies Fani Willis, die der demokratischen Partei angehört, alle Vorwürfe zurück, ihre Ermittlungen seien politisch motiviert: "Eine Anklage ist nichts anderes als eine Serie von Anschuldigungen, basierend auf der Entscheidung der Geschworenen, dass ausreichender Tatverdacht vorliegt. (…) Es ist nun die Pflicht meines Büros, diese Anschuldigungen der Anklage in einem Prozess zweifelsfrei zu belegen."

Thema

Mehr zu Donald Trump