Analyse

: Warum Labour triumphiert - und Sunak scheitert

von Hilke Petersen, London
05.07.2024 | 04:00 Uhr
Es ist eine massive Machtverschiebung im Vereinten Königreich: 14 Jahre politische Dominanz der Tories gehen zu Ende. Keir Starmers Labour-Partei siegt mit großem Abstand.

Die Labour-Partei gewinnt die Parlamentswahl in Großbritannien. Damit ersetzen sie die seit 14 Jahren regierenden Konservativen. Neuer Premierminister wird Parteichef Keir Starmer.

05.07.2024 | 01:27 min
So viele Sitze wie bei dieser Wahl hat die konservative Tory-Partei noch nie verloren, seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Und die von Labour gewonnene Mehrheit ist fast die größte, die eine einzelne Partei im Vereinigten Königreich je schaffte.
Es ist eine massive Machtverschiebung.
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Wählerbefragung: Get the Tories out!

Umfrageinstitute, die vor der Wahl nach dem Grund für Wahlentscheidungen fragten, erhielten von fast der Hälfte der Wähler die Antwort: Die Tories loswerden!
Der Frust der Wähler hat Rishi Sunak jetzt achtkantig aus dem Amt geworfen. Da half es auch nicht mehr, dass er im Wahlkampf das Mantra wiederholte, über die Frustration der Menschen über ihn und seine Partei Bescheid zu wissen. Und Besserung zu geloben. Die Konservativen hatten da längst das Vertrauen verspielt.
Die bescheidene Brexit-Bilanz ist nur einer der Gründe. Das Trauma der Corona-Pandemie und die Parties, die Boris Johnson während des Lockdown in 10 Downing Street gefeiert wurden, ein weiterer. Zu oft hatten die Menschen das Gefühl, dass es Regeln für sie gab - und andere für die regierende Klasse. Offenbar reichte es ihnen nun.

Die Labour-Partei hat die Parlamentswahl in Großbritannien gewonnen. Was die Briten jetzt erwartet, berichtet ZDF-Korrespondent Wolf-Christian Ulrich aus London.

05.07.2024 | 01:12 min

Kampf um die Mitte

Wahlen werden in der Mitte der Gesellschaft gewonnen, heißt es. Keir Starmer hatte als Labourchef seit 2020 daran gearbeitet, die Partei weiter in die Mitte auszurichten - war sie doch mit Linkskurs und Spitzenkandidat Jeremy Corbyn an der Wahl 2019 krachend gescheitert.
Die Tories hatten längst Platz gemacht im Zentrum, denn das Ringen um den Brexit gab den extremeren Kräften mehr Macht. Viele gemäßigtere Konservative hatten sich nach dem EU-Austritt abgewendet.

Fast 49 Millionen Briten waren zur Wahl eines neuen Parlament aufgerufen.

04.07.2024 | 01:56 min

Wer kann Konservatismus besser vertreten?

Zugleich hat die rechtspopulistische Reform-Partei mit Brexit-Vorreiter Nigel Farage an ihrer Spitze die Konservativen ins Visier genommen. Deren unerwartet gute Ergebnisse schwächten die Tories in den Wahlkreisen zusätzlich. Und dürften bis auf Weiteres die Frage in den politischen Raum stellen, wer den britischen Konservatismus in Zukunft besser vertreten kann.
Die Reform-Partei wird sich nachhaltig als Stachel im Fleisch der Tories gefallen. Und Nigel Farage hatte im Wahlkampf genug populistische Dreistigkeit für öffentliche Gedankenspiele, bei der nächsten Wahl 2029 als Premierminister-Kandidat ins Spiel zu kommen.
Man weiß nicht, wie ernst er das meint, traut es ihm aber zu. Fast scheint es, als würde die große alte Tory-Partei, die sich seit 200 Jahren für die natürliche Regierungspartei hält, zum Spielball der plötzlichen Macht der Anderen.

Labor Chef Keir Starmer verspricht Veränderung und will die Gesundheitsversorgung verbessern.

03.07.2024 | 02:03 min

Premierminister Keir Starmer

Der Labour-Chef ist der nüchterne Typ, eine "no-nonsense-person". Er betont seine Herkunft aus der Arbeiterklasse, verspricht, sich für diese einsetzen zu wollen. Er wäre erst der vierte Sozialdemokrat, der in die Downing Street einzieht.
Erst spät kam er in die Politik, war zuvor Chef der Staatsanwaltschaft von England und Wales gewesen, verfolgte etwa Abgeordnete, die Gelder missbraucht hatten. Für seine Verdienste war er von Charles - damals noch Prinz von Wales - zum Ritter geschlagen worden, seither ist er Sir Keir Starmer.
Am Freitag wird er sich wieder mit König Charles treffen, der ihn traditionell bitten wird, eine Regierung zu bilden. 14 Jahre Dominanz der Tories gehen dann zu Ende.
Hilke Petersen ist ZDF-Korrespondentin im Studio London.

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