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: So geht Israel gegen Hamas in die Offensive

von Nils Metzger
09.10.2023 | 14:47 Uhr
Es ist die größte Mobilisierung des israelischen Militärs seit Jahrzehnten. Panzer und Zehntausende Soldaten sammeln sich am Gazastreifen. Wie könnte eine Bodenoffensive aussehen?

Zwei Tage nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel gehen die Kämpfe weiter. Hunderte Menschen wurden getötet und Tausende verletzt.

09.10.2023 | 01:28 min
Nach zwei Tagen intensiver Kämpfe hat Israel die Kontrolle über alle Grenzorte zu Gaza zurückerlangt. Das gaben die israelischen Streitkräfte (IDF) am Montagmorgen bekannt. Nun steht der wahrscheinliche Gegenschlag bevor: eine Bodenoffensive im Gazastreifen. Es könnte die größte Militäroperation Israels der letzten 40 Jahre werden.
US-Sicherheitskreise sagten der "Washington Post", dass sie mit einem Start der Bodenoffensive in den nächsten 24 bis 48 Stunden rechneten. Auch Militärexperten halten einen solchen Schritt für wahrscheinlich - angesichts der Ankündigung der israelischen Regierung, die politischen Verhältnisse in Gaza grundlegend ändern zu wollen und den mehr als 100 Geiseln, die in den Händen der Hamas vermutet werden. Deren vollständige Befreiung durch diplomatische Verhandlungen gilt als unwahrscheinlich.

Nach ihren Großangriffen hat die Hamas mehr als 100 Menschen nach Gaza verschleppt.

08.10.2023 | 02:40 min

Wie bereitet sich das israelische Militär gerade vor?

Nach IDF-Angaben wurden bereits 300.000 Reservisten aller Truppenteile mobilisiert. Auch Staatsbürger im Ausland sind betroffen und versuchen, trotz vieler gestrichener Flüge nach Israel zu kommen. Die Reservisten lassen Familie und Beruf zurück und fahren zu den Sammelpunkten für ihre Einheiten, oft ohne genau zu wissen, was sie dort erwartet. Bereits seit Samstag transportieren Konvois Panzer und Artillerie in Richtung der Grenzen zu Gaza und zum Libanon, von dem aus ein Kriegseintritt der Hisbollah droht. Entsprechend muss Israel abwägen, welche Ressourcen es in welche Landesteile entsendet. Details darüber hält das israelische Militär aus Gründen der Operationssicherheit zurück.
Verteidigungsminister Yoav Gallant kündigte eine vollständige Blockade des Gazastreifens auch für Strom und Lebensmittel an. IDF-Sprecher Daniel Hagari sagte am Montag, 15 von 24 Ortschaften auf der israelischen Seite der Grenzanlage seien bereits vollständig geräumt wurden. Bis Dienstag soll diese Evakuierung abgeschlossen sein. Vergleichbare Maßnahmen sind auch für den Norden des Landes angeordnet.
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Nach eigenen Angaben hat die israelische Luftwaffe in der Nacht auf Montag mehr als 500 Ziele in Gaza angegriffen. Israel betont, wie auch bei früheren Konflikten, die von Bombardierungen betroffenen Gebiete vorab zu warnen, damit sich Zivilisten in Sicherheit bringen könnten. Wie viele der von palästinensischer Seite vermeldeten mehr als 500 Toten Zivilisten sind, ist nicht klar. Laut Hamas-Angaben starben bei einem Luftangriff auch vier israelische Geiseln, was nicht unabhängig überprüft werden kann.

Nach dem Terrorangriff der Hamas hat das Land so viele Reservisten wie nie zuvor einberufen. Seit dem Beginn der Kämpfe sind mehr als 1000 Menschen auf beiden Seiten gestorben.

09.10.2023 | 01:41 min

Was macht eine Bodenoffensive so schwierig?

Die letzte israelische Bodeninvasion des Gazastreifens war 2014. Damals mit dem begrenzten Ziel, eine Reihe von palästinensischen Tunnelnetzwerken zu zerstören. Die Operation dauerte kaum mehr als zwei Wochen und forderte Hunderte Menschenleben.
Militäroperationen dieser Größenordnung brauchen üblicherweise Wochen bis Monate der Vorbereitung. Welche der Hunderten verschiedenen Einheiten hat welche Ziele? Wie sollen sie vorgehen, sobald sie im Betondschungel Gazas zwischen Hamas-Kämpfern, zahllosen Zivilisten und fliegenden Kugeln stehen? Wie können sie dort versorgt werden? Jede dieser Fragen kann darüber entscheiden, wie viele Soldaten und Zivilisten sterben.

Die USA schicken einen Flugzeugträger nach Israel, die EU friert Hilfen für Palästinenser ein. Ändert nun auch die Ampel ihre Politik gegenüber den Palästinensern und Iran?

09.10.2023 | 01:39 min

Experten: Städte- und Häuserkampf große militärische Herausforderung

Auf dem Papier hat die Hamas dem hochprofessionellen israelischen Militär wenig entgegenzusetzen. Doch Städtekampf, wie er in Gaza bevorstehen könnte, ist eine der größten militärischen Herausforderungen. Jetzt lediglich wenige Spezialkräfte zur Geiselbefreiung in so eine schwierige Umgebung zu schicken, könnte nicht ausreichen.
John Spencer, Experte für urbane Kriegsführung an der US-Militärakademie West Point, betont, dass es keinen historischen Vergleich für die nun anstehende Operation gebe. Er verweist auf die zweite Schlacht von Falludschah 2004 im Irak - doch dort hätten die US-Kräfte sechs Monate Vorbereitung gehabt und 90 Prozent der Zivilisten seien evakuiert gewesen. Nun hängt es davon ab, wie aktuell und durchdacht die Operationspläne sind, die Israel in der Schublade hat. Ein Szenario, das eine Geiselbefreiung in diesem Umfang und die vollständige Zerschlagung der Hamas umfasst, wird vermutlich nicht darunter sein. Einfache Soldaten bis hin zum Generalstab müssen nun improvisieren.

Nach den Angriffen der Hamas auf Israel sind die Vorbereitungen auf die mögliche Bodenoffensive weitgehend abgeschlossen. Dazu mehr von ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge.

10.10.2023 | 01:09 min

Wie lange könnte eine Bodenoperation dauern?

Der Militäranalyst Franz-Stefan Gady vom Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik schreibt auf dem Kurznachrichtendienst X:
Das Bekämpfen von gut trainierten irregulären Kräften, besonders in einem der komplexesten urbanen Terrains, (…) wird es der IDF schwer machen, Kampfziele ohne Verluste zu erreichen - und ohne den Vorwurf, unangemessene Gewalt einzusetzen.
Franz-Stefan Gady, Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik
Letzteres habe das Potenzial, im Laufe der Zeit die Unterstützung für den Krieg der IDF zu untergraben, so Gady. "Mir scheint es, die IDF hat lediglich schlechte und schlechtere Optionen." Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München geht davon aus, dass eine Bodenoffensive Monate dauern könnte. "Unklar ist, was nach einer erfolgreichen Bodenoffensive passieren wird", betont Masala.
Die Besatzung Gazas bis 2005 war für Israel ein politisches und militärisches Dauerproblem. Einen klaren politischen Partner auf palästinensischer Seite, der nach einer potenziellen Entmachtung der Hamas die Kontrolle über eine Ruinenstadt Gaza übernehmen könnte, und dort nicht dauerhaft mit neuen Terrorgruppen und fehlender Legitimation zu kämpfen hätte, ist auch nicht in Sicht.
Lesen Sie hier die gesamte Analyse des Sicherheitsexperten Carlo Masala zum Gaza-Krieg:

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