: Russland will offenbar Charkiw erobern

von Oliver Klein
21.04.2024 | 15:01 Uhr
Moskau plant eine entmilitarisierte Zone in der Ukraine und will dafür offenbar auch die Millionenstadt Charkiw einnehmen. Das verriet Außenminister Lawrow in einem Radiointerview.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Interview mit russischen Radiosendern.Quelle: Imago
Seit Wochen attackiert Russland die Millionenstadt Charkiw mit heftigen Bomben- und Raketenangriffen. Die Versorgung mit Strom und Wasser ist zwischenzeitlich zusammengebrochen, die Bevölkerung leidet massiv, wie ZDF-Reporter Henner Hebestreit Anfang des Monats berichtete.
Nun wird immer offensichtlicher: Russland hat offenbar das Ziel, die Stadt mit einer Offensive im Sommer zu erobern. Das deutete der russische Außenminister Sergej Lawrow jetzt in einem Interview mit mehreren russischen Radiosendern an. Ziel sei die Schaffung einer entmilitarisierten Zone.
Die Millionenstadt Charkiw in der Ostukraine - das nächste Eroberungsziel Moskaus?Quelle: ZDF

Putin will "entmilitarisierte Zone" weit in der Ukraine

Putin habe deutlich gemacht, dass die russischen Streitkräfte dafür weiter in die Ukraine vorrücken müssten, erklärte der Minister. Die entmilitarisierte Zone müsse "weit von der russischen Grenze entfernt sein", um russisches Territorium vor Angriffen mit Langstreckenraketen zu schützen. Hintergrund sind vermutlich die seit Monaten andauernden Drohnenangriffe der Ukraine auf Grenzregionen in Russland. Für eine entmilitarisierte Zone spiele Charkiw "eine wichtige Rolle", so Lawrow.
Wir haben die feste Überzeugung, dass wir die militärische Spezialoperation fortsetzen müssen.
Sergej Lawrow, Außenminister Russlands
"Lawrow ist damit der erste hochrangige Kreml-Beamte, der die Stadt offen als mögliches russisches Operationsziel benennt", schreibt die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) in einer Analyse. Erst kürzlich gab es Warnungen der Ukraine, wonach russische Truppen ab Sommer 2024 versuchen könnten, die Stadt zu erobern.

Die russischen Angriffe auf Charkiw gingen "die ganze Nacht weiter", berichtet ZDF-Reporter Henner Hebestreit. "Präsident Selenskyj hat die internationale Gemeinschaft um mehr Luftabwehr gebeten."

05.04.2024 | 02:26 min

ISW: Eroberung Charkiws für Russland enorme Herausforderung

Lawrows Äußerungen deuteten dem ISW zufolge darauf hin, dass der Kreml "die Idee einer sich ständig verschiebenden entmilitarisierten 'Sicherheitszone wahrscheinlich nutzen wird, um weitere russische Offensiven in der Ukraine zu rechtfertigen".
Doch die Eroberung einer Millionenstadt wie Charkiw wäre für die russischen Truppen ein "äußerst ehrgeiziges Unterfangen", schreibt der ISW. Ein Angriff wäre für die russischen Streitkräfte und den gesamten Kriegseinsatz Russlands mit "erheblichen Herausforderungen" verbunden. Die militärische Unterstützung der USA sei in dieser Hinsicht "von entscheidender Bedeutung für die Ukraine, um sich gegen jede russische Sommeroffensive, einschließlich gegen die Stadt Charkiw, verteidigen zu können".

Die Ukraine braucht weitere Waffen und Munition, um den russischen Angriffen Stand zu halten. Besonders umkämpft ist die Region um Charkiw.

20.04.2024 | 01:28 min
Nach langem Ringen hatte das US-Repräsentantenhaus gestern für weitere Ukraine-Hilfen gestimmt. Von dem 61 Milliarden US-Dollar schweren Hilfspaket sind rund 23 Milliarden für eine Aufstockung des Militärbestands gedacht, die restliche Finanzhilfe ist als Darlehen angelegt.

Lawrow: Ukraine wird "wahrhaft russisch" sein

Lawrow sprach in dem Interview auch über die generelle Zukunft der Ukraine. Unklar sei höchstens die Zukunft der Westukraine, erklärte er. Ansonsten werde es nur eine Ukraine geben, "die wahrhaft russisch ist, die Teil der russischen Welt sein will, die Russisch sprechen will und ihre Kinder erzieht". Etwas anderes stehe gar nicht zur Debatte. 

Dringend benötigte Waffenlieferungen für die Ukraine: Nach monatelanger Blockade beschließt das US-Repräsentantenhaus neue Militärhilfen - in Höhe von rund 61 Milliarden Dollar.

20.04.2024 | 01:30 min
Russland wolle nicht Nato-Staaten angreifen, wie dort behauptet werde, um den Wählern Angst zu machen, sagte Lawrow.
Aber wenn sie die Grenzen der Nato an unsere Grenzen vorschieben wollen, dann werden wir das in der Ukraine natürlich zu verhindern wissen.
Sergej Lawrow, Außenminister Russlands
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Quelle: mit Material von dpa

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