: Diplomatie statt Waffen im Niger

08.08.2023 | 09:59 Uhr
Trotz angedrohten militärischen Konsequenzen wird die westafrikanische Staatengemeinschaft im Niger wohl eher auf Diplomatie setzten. Die USA hatten damit jedoch keinen Erfolg.

In Niger haben die Putschisten den früheren Finanzminister Lamine Zeine zum Premier ernannt, so ein Militärsprecher. Die Staatengemeinschaft Ecowas will über das Vorgehen beraten.

08.08.2023 | 00:26 min
Die US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland hat führende Köpfe der Militärjunta im Niger getroffen. Nuland sprach im Anschluss von einem "schwierigen" Gespräch. Fast zwei Wochen nach der Machtübernahme des Militärs in dem westafrikanischen Land haben die Putschisten einen Ministerpräsidenten benannt.
Nuland kam im Niger mit dem neuen Stabschef der Streitkräfte, Moussa Salao Barmou, und drei weiteren Mitgliedern der Militärjunta zusammen. Die Diplomatin beschrieb das Gespräch als "sehr offen und bisweilen ziemlich schwierig".

Die Putschisten im Niger haben das Ultimatum der Ecowas-Staaten auslaufen lassen. Wie gehen die Ecowas-Staaten nun weiter vor? ZDF-Korrespondent Jan Fritsche berichtet in Nairobi.

07.08.2023 | 01:05 min
Ihre Bitte, den entmachteten und festgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum zu treffen, sei abgelehnt worden, sagte Nuland. Man habe mit ihm aber telefonieren können. Auch den selbsternannten neuen Machthaber, General Abdourahamane Tiani, habe sie nicht sehen können.

USA und Ecowas setzen auf Diplomatie

"Ich hoffe, dass sie die Tür zur Diplomatie offen halten werden", sagte sie mit Blick auf die Putschisten. "Wir haben diesen Vorschlag gemacht." US-Außenminister Antony Blinken sagte dem französischen Senders RFI, Diplomatie sei der bevorzugte Weg, die Situation zu lösen. Und das sei auch der Ansatz der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas, so Blinken.

Die Putschisten im Niger haben den Luftraum über dem Land geschlossen. Ein Ultimatum, dass die westafrikanische Staatengemeinschaft militärisch eingreift, war zuvor abgelaufen.

07.08.2023 | 00:26 min
Nuland wies die Militärs auch auf die Konsequenzen für die Beziehungen zu den USA hin, sollte die demokratische Ordnung nicht wiederhergestellt werden. Sie verwies darauf, dass Hilfen für den Niger bereits eingefroren wurden.

Putsch durch Mitglieder der Präsidialgarte

Am 26. Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde im Niger den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum entmachtet. Der Kommandeur der Eliteeinheit, Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber.
Kurz nach Tianis Machtübernahme setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf.

Die Fragilität der Institutionen in Niger sei unterschätzt worden, so Afrika-Expertin Simone Schnabel. Dies sei auch ein Grund für den Putsch.

01.08.2023 | 12:58 min

Militärjunta ernennt Premierminister

In einer am späten Montagabend im Fernsehen verlesenen Erklärung nannte ein Sprecher der Militärjunta den Ökonomen Ali Mahaman Lamine Zeine als neuen Premierminister.
Lamine Zeine war früher mehrere Jahre im Kabinett des 2010 gestürzten Ex-Präsidenten Mamadou Tandja Wirtschafts- und Finanzminister und arbeitete zuletzt nach einem nigrischen Medienbericht als Ökonom für die Afrikanische Entwicklungsbank im Tschad.

Ultimatum der Ecowas verstrichen

Unklar ist weiter, wie die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas gegen die Putschisten vorgehen wird. Ein Ultimatum der Ecowas, Bazoum wieder einzusetzen, war am Wochenende abgelaufen. Das Bündnis hatte mit Maßnahmen gedroht, die auch Gewalt beinhalten könnten.

Die Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas ...

... wurde 1975 gegründet und hat 15 Mitgliedsstaaten in Westafrika. Diese sind Benin, Kap Verde, die Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea-Bissau, Liberia, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo. Niger, Burkina Faso, Guinea und Mali sind derzeit suspendiert.

Hauptziel des Staatenbundes war zunächst die Förderung wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Anschließend kamen Programme in den Bereichen Politik, Soziales, Kultur und Gesundheit hin. Ecowas ist die älteste und die aktivste afrikanische Regionalorganisation. Als zentral gilt das Protokoll zur Personenfreizügigkeit von 1979. Darin ist geregelt, dass sich Ecowas-Angehörige bis zu 90 Tage ohne Visum in den Mitgliedstaaten aufhalten und ihren Wohnsitz in der Region frei wählen können.

Den Vorsitz, der auf ein Jahr beschränkt ist, hat seit Juli Nigerias Präsident Bola Tinubu. Es gibt einen Ministerrat und ein Parlament mit 115 Sitzen. Die Abgeordneten werden jedoch nicht direkt gewählt.

Die Rolle der Ecowas als Krisenvermittler

1990 wurde die Beobachtergruppe Ecomog als militärischer Arm gegründet, um bei Konflikten in der Region einzugreifen. Das geschah erstmals im Bürgerkrieg in Liberia ab 1990 und zuletzt 2017 in Gambia unter dem Namen "Operation Wiederherstellung der Demokratie". Damals akzeptierte Langzeitherrscher Yahya Jammeh seine Wahlniederlage nicht.

Ecowas kommt in der Region aber vor allem eine Vermittlerfunktion in Krisen zu. Allerdings steht sie zunehmend in der Kritik. Als Malis Übergangsregierung unter Assimi Goita 2022 ankündigte, nicht wie geplant Präsidenten- und Parlamentswahlen zu organisieren, sanktionierte Ecowas das Land etwa durch Grenzschließungen. Monate später musste sie diese wieder aufheben.

Quelle: KNA

Die Staats- und Regierungschefs der Ecowas-Mitgliedsstaaten wollen nun am Donnerstag in Nigerias Hauptstadt Abuja über die Lage im Niger beraten.

Es herrsche "durchaus noch Verhandlungsbereitschaft", es sei aber abzuwarten "wie nach Ablauf des Ultimatums die ECOWAS Staaten reagieren werden", so ZDF-Reporter Jan Fritsche.

07.08.2023 | 03:30 min

Experten: Militärisches Eingreifen unwahrscheinlich

Nach Ansicht von Afrikaexperten hat die Ecowas trotz ihrer Drohungen kein Interesse an einem Militäreinsatz im Niger.
Es ist nicht im Interesse irgendeines westafrikanischen Staates, einen Krieg gegen den Niger zu führen.
Ben Hunter, Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft.
Ecowas hätte bei Militärinterventionen in anderen Teilen der Welt gesehen, wie schwierig und teuer solche Unterfangen werden könnten. Die Staaten hätten gehofft, dass die bloße Drohung Wirkung zeige. Zudem sei der Überraschungsmoment nun vorbei, erklärt Sahelexperte Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Ecowas haben zu wenig Fähigkeiten und auch keine Einsatztruppe.
Ulf Laessing, Sahelexperte
"So eine Operation zu machen, wäre sehr riskant, und die Chance, dass es schiefgeht, sehr hoch - und die Frage ist, was danach kommt." Für wahrscheinlicher halte er, dass man sich mit den Putschisten auf baldige Neuwahlen einigen werde.
Quelle: dpa

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