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: Russland zieht Schiffe aus Sewastopol ab

von Nils Metzger
05.10.2023 | 17:25 Uhr
Ukrainische Angriffe zeigen offenbar Wirkung. Satellitenbilder belegen, dass Russland große Teile seiner Schwarzmeerflotte aus dem Krim-Hafen Sewastopol nach Osten verlegt hat.
Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte vor Beginn der Ukraine-Invasion im Hafen von Sewastopol. (Archivbild)Quelle: dpa
Sewastopol ist der wichtigste Marine-Hafen Russlands am Schwarzen Meer und ein Prestigefaktor. Als die Ukraine 1991 von Russland unabhängig wurde, sicherte sich Moskau den strategisch wichtigen Hafen auf der Krim extra per Vertrag. Seit Monaten nehmen die ukrainischen Angriffe auf Sewastopol mit Drohnen und Marschflugkörpern immer weiter zu.
Jetzt zog Moskau Konsequenzen und verlegte den verbliebenen Großteil der Flotte - darunter drei U-Boote, zwei Fregatten und zahlreiche weitere Kampf- und Versorgungsschiffe. Satellitenbilder des Anbieters Planet Labs zeigen, dass diese Schiffe der Schwarzmeerflotte mindestens seit dem 1. Oktober in den Häfen Feodossija und Noworossiysk ankern. Sie liegen 150 Kilometer, beziehungsweise. 330 Kilometer östlich von Sewastopol und damit deutlich weiter entfernt von ukrainischen Stellungen.
Der Hafen von Noworossiysk am 2. Oktober: Nahezu jeder Liegeplatz ist mit Korvetten, Fregatten und Landungsschiffen der Schwarzmeerflotte belegt.Quelle: Planet Labs PBC

Ist die Verlegung der Schwarzmeerflotte bestätigt?

Offiziell hat Russland bislang keine Stellungnahme zu einem Rückzug aus Sewastopol herausgegeben. Das Unternehmen Planet Labs ist ein großer Anbieter von kommerziellen Satellitenbildern. Darunter sind auch solche, die Kriegsgeschehen in der Ukraine dokumentieren und die von Medien weltweit regelmäßig genutzt werden.

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05.08.2023 | 01:38 min
ZDFheute liegen Aufnahmen der Häfen vom 2. Oktober vor. Das "Wall Street Journal" berichtete bereits am Mittwoch basierend auf Satellitenaufnahmen vom 1. Oktober. Johannes Peters, Marine-Experte am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel, hält die Bilder und Berichte über eine Verlegung der Flotte für glaubwürdig:
Ich halte es für wahrscheinlich, dass Russland die Schiffe wegen der jüngsten Verluste von Sewastopol abgezogen hat.
Johannes Peters, Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel
Nach der Versenkung des Kreuzers Moskwa im April 2022 habe man schon einmal kurzzeitig die Schiffe nach Noworossiysk zurückgezogen, betont Peters. "In den letzten Wochen konnte die Ukraine vermehrt Ziele auf der Krim aus der Luft treffen. Die Russen haben offenbar Probleme, die Krim effektiv zu schützen."
Drei U-Boote der Kilo-Klasse im Hafen von Noworossiysk. Insgesamt verfügte die Schwarzmeerfloote über sechs dieser U-Boote, eines davon zerstörte die Ukraine Mitte September.Quelle: Planet Labs PBC

Warum sieht sich Russland zu diesem Schritt gezwungen?

In den letzten Wochen hat die Schwarzmeerflotte gleich mehrfach Schiffe verloren, was weltweit für Schlagzeilen sorgte. Mitte September wurden ein U-Boot und ein Landungsboot in ihren Trockendocks in Sewastopol zerstört. Was für Russlands Marine besonders peinlich ist:
Die Schwarzmeerflotte hat in diesem Krieg empfindliche Verluste erlitten - ohne dass sie einen direkten Gegner hat. Eine ukrainische Marine gibt es eigentlich nicht mehr.
Johannes Peters, Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel
Stattdessen setzt die Ukraine erfolgreich Eigenentwicklungen gegen russische Schiffe ein - von Drohnenbooten bis zu Neptun-Anti-Schiff-Raketen. Dabei konnten ferngesteuerte Boote sogar im vermeintlich stark befestigten Hafen von Sewastopol Ziele angreifen.
Auch am neuen Standort Feodossija ist das eine Sorge. Ein Satellitenbild zeigt, dass die Hafeneinfahrt mit Sperren zugestellt ist. Experte Peters erklärt: "Russland reagiert auf den ukrainischen Einsatz von Schwimmdrohnen. Auch in Sewastopol hat man die Einfahrt zum Hafen nach und nach verstärkt - zuletzt mit mehreren solcher Sicherungsringe."
Der Hafen von Feodossija auf der Krim am 2. Oktober. Die Einfahrt ist mit Ketten und Schiffen versperrt. Mehrere Korvetten und ein Landungsboot vom Typ "Ropucha" liegen vor Anker.Quelle: Planet Labs PBC

Welche Folgen hat der Abzug aus Sewastopol?

Peters glaubt nicht, dass die Versorgung der Flotte mit Munition oder Treibstoff durch die Verlegung deutlich erschwert wurde. "Noworossiysk ist ein größerer Hafen, den die russische Marine auch sonst nutzt." Die Schiffe könnten dort sicher über längere Zeit liegen bleiben.
Experte Mölling erklärt, wie geschwächt Russland durch die Sewastopol-Angriffe ist:

Ist nun sogar eine Rückeroberung der Krim möglich? Militärexperte Mölling ordnet ein.

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Auch die Reichweite der russischen Kalibr-Marschflugkörper ist so groß, dass die Ukraine weiterhin angegriffen werden kann. Einen Unterschied kann die Verlegung für die Überwachung des Luftraums über der Krim machen. Das ist eine der zentralen Aufgaben mancher Schiffe. "Die Sensoren der Schiffe haben nur eine bestimmte Reichweite. Das Luftlagebild über der Krim wird wahrscheinlich nicht mehr so gut sein wie als die Schiffe noch in Sewastopol lagen", erklärt Peters. Teile der Krim sind nun also womöglich noch schlechter gegen Luftangriffe geschützt als zuvor.

Laut ukrainischem Militär hat die Ukraine das russische Marine-Hauptquartier auf der Krim angegriffen. Ob es dabei zu Verletzten und Toten kam, ist bislang nicht bekannt.

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Und die Verlegung kann mittelfristig die Versorgung der russischen Kampftruppen in den besetzten Gebieten in der Ukraine erschweren. Dabei spielt die Schwarzmeerflotte eine wichtige Rolle. "Jetzt fällt der Hafen von Sewastopol als Standort weg. Dadurch sind die Versorgungswege länger." Welche Kriegsschiffe aktuell noch in Sewastopol verbleiben, ist nicht klar. Dass Russland den Marine-Standort Sewastopol dauerhaft aufgibt, ist jedoch äußerst unwahrscheinlich.
Ein dauerhafter Rückzug wäre eine schmachvolle Niederlage Russlands an der Propaganda-Front. Sewastopol ist seit über 100 Jahren der Hafen der Schwarzmeerflotte. Das war ihr wichtigster Marinestandort auf der Krim und am Schwarzen Meer.
Johannes Peters, Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel
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