: Wie Istanbul um bezahlbares Essen kämpft

von Anna Feist
04.05.2024 | 20:05 Uhr
Um 70,4 Prozent sind die Lebensmittelpreise in einem Jahr gestiegen - der Preisauftrieb der Lira ist nicht zu stoppen. Gutes Essen wird zum Luxusgut. Dieses Projekt soll helfen.

Die türkischen Kommunalwahlen haben die politische Landkarte verändert. Die Opposition hat Erdogans AKP überholt. Welche Folgen hat das für die Innen- und Außenpolitik?

10.04.2024 | 06:15 min
Schon anderthalb Stunden vor Öffnung des kleinen Restaurants stehen die Menschen an, ausgestattet mit Schemel, Buch und was es sonst noch so zum Warten braucht.
Sie warten auf ihr Mittagessen für 40 Lira - umgerechnet 1,15 Euro. Um sie herum amerikanische Kaffeehausketten, teure Restaurants. Von ihrer Schlange aus blicken sie auf das schicke Istanbul. Das Istanbul, das sie sich schon lange nicht mehr leisten können.

"Ich schäme mich, dass mein Land in diesem Zustand ist"

Eigentlich sollte es diese Restaurants gar nicht geben. Die Einkommensverteilung sollte gleich sein, es sollte Arbeitsplätze für alle geben und die Türkei sollte ein gewisses Bildungsniveau haben.
Hüseyin Yükselen
10.000 Lira Rente hat Yükselen im Monat zur Verfügung, umgerechnet 288 Euro. Doch allein die Miete kostet 433 Euro. Gutes Essen wird zum Luxusgut. Deshalb steht der Rentner täglich in dieser Schlange: "Ich schäme mich, dass mein Land in diesem Zustand ist. Mustafa Kemal Atatürk hat dieses Land gegründet, wenn wir uns die Gründungsprinzipien ansehen, wären wir heute nicht hier."

Vor einhundert Jahren wurde die Republik Türkei gegründet. Seitdem prägen ethnische, politische und religiöse Konflikte ihre Geschichte.

17.10.2023 | 29:07 min

Stadtverwaltung Istanbuls zahlt Zuschläge auf Mittagessen

14 Restaurants dieser Art gibt es bisher in Istanbul. Seit der Eröffnung vor anderthalb Jahren haben 2,6 Millionen Kunden hier ein Mittagessen bekommen. Betreiber der sogenannten "Kent Lokantasi" ist die Stadtverwaltung. Damit die Restaurants so günstige Preise anbieten können, zahlt die Stadtverwaltung pro Essen 2,30 Euro drauf.
Wichtig ist Erdal Celal Aksoy, dem stellvertretenden Generalsekretär der Stadtverwaltung Istanbuls, dass sich hier niemand rechtfertigen muss.
Es ist nicht richtig Menschen zu stigmatisieren. Ob jemand einkommensschwach ist oder nicht, diese Diskussion wollen wir hier nicht führen. Diese Restaurants stehen offen für alle.
Erdal Celal Aksoy, Stadtverwaltung Istanbul

Bundespräsident Steinmeier hat sich zum Abschluss seines Türkeibesuchs mit Staatschef Erdogan getroffen. Dabei ging es auch um die unterschiedliche Bewertung des Nahost-Krieges.

24.04.2024 | 03:12 min
Neben Rentnern warten hier auch auffällig viele junge Leute auf ihr Mittagessen: Ömer Öztürk ist in den letzten Zügen seines Studiums zum Sportlehrer. Doch alles, was in der Generation seiner Eltern noch normal war, scheint nun in weiter Ferne.
Wir können keine Heiratspläne machen, heiraten kostet ein Vermögen. Ein Haus zu besitzen ist ein Traum, selbst ein Auto zu kaufen ist ein Traum.
Ömer Öztürk, angehender Sportlehrer

Kehrtwende von der Niedrigzinspolitik in der Türkei

Doch solange die Wirtschaftskrise anhält, wird Ömer Öztürk weiterträumen müssen.
Erdogans Regierung behaart seit 2021, trotz Inflationsdruck auf der ganzen Welt, auf einer Niedrigzinspolitik. Die Inflation geriet außer Kontrolle.

Seit 1951 ist das Land Mitglied des Militärbündnisses. An seiner Südostflanke, dem Schwarzen Meer, spielt die Türkei eine unverzichtbare Rolle.

04.04.2024 | 02:19 min
Die realen Zinssätze wurden negativ und die Menschen versuchten, US-Dollar statt türkischer Lira zu halten. Das führte dann zu einer Abwertung der türkischen Lira, die Reserven der Zentralbank schrumpften und eine Währungskrise wurde ausgelöst. Nach den Präsidentschaftswahlen im Mai 2023 machte die Regierung dann eine Kehrtwende, zurück zu einer rationalen Wirtschaftspolitik.
Doch bis die sich auszahlt, wird Ömer Öztürk weiter in der Schlange stehen, 60 Menschen vor sich und wartend, auf ein günstiges Essen. Seine gesamte Mittagspause wird der Student in dieser Schlange verbringen, sein Mittagessen wird er dann runterschlingen und zurück an seine Schule eilen. Aber der 24-Jährige hat Hoffnung, wenn die Inflation endlich sinkt, "dann werde ich hier ein gutes Leben führen."

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