: Taiwan wählt neuen Präsidenten und Parlament

13.01.2024 | 04:43 Uhr
In Taiwan hat die Präsidentschaftswahl begonnen. Das Ergebnis wird einen großen Einfluss auf das zukünftige Verhältnis zwischen dem ostasiatischen Inselstaat und China haben.
Die Wahllokale in Taiwan sind geöffnet. Die Menschen geben ihre Stimme für die Präsidentschaftswahl ab.Quelle: epa
Im ostasiatischen Inselstaat Taiwan haben die Wahllokale für die Abstimmung über einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament geöffnet. Die rund 19,5 Millionen Wahlberechtigten konnten ab 8.00 Uhr (Ortszeit) ihre Stimme abgeben.
Der Wahlkampf wurde unter anderem von den Spannungen zwischen China und Taiwan bestimmt. Wer die Wahl gewinnt, wird auch darüber entscheiden, wie sich das Verhältnis zu China entwickelt.

Taiwan wählt ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten. Die Welt schaut mit Spannung zu. Denn die Kandidaten stehen für unterschiedliche Haltungen gegenüber China.

12.01.2024 | 02:37 min

Präsidentin Tsai Ing-wen darf nicht antreten

Die für eine Unabhängigkeit Taiwans stehende Demokratische Fortschrittspartei (DPP) ist in den Augen der chinesischen Führung separatistisch, auch wenn sie eine offizielle Unabhängigkeitserklärung nicht beabsichtigt. Präsidentin Tsai Ing-wen darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Für die DPP kandidiert stattdessen William Lai.

Lai Ching-te

Quelle: epa
Der 64-jährige Lai gilt als Favorit bei dem Urnengang. Die Taiwaner kennen den Politiker der DPP seit vier Jahren als Vizepräsidenten. Der Sohn eines Bergarbeiters studierte in Harvard und arbeitete als Arzt, bis er vor fast 30 Jahren in die Politik wechselte. Er war Abgeordneter, Bürgermeister der Stadt Tainan im Südwesten des Inselstaates und Regierungschef.

Er selbst nennt sich einen "pragmatischen Verfechter der Unabhängigkeit Taiwans" - und geht noch deutlicher auf Distanz zur kommunistischen Volksrepublik China als die scheidende Präsidentin. Peking, das Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet, beschimpft ihn und seine Vize-Kandidatin Hsiao Bi-khim, die ehemaligen taiwanische Vertreterin in Washington, als "gefährliches Unabhängigkeits-Duo". Lai bezeichnet die Wahl als eine Entscheidung zwischen "Demokratie und Autokratie". Er zeigt sich jedoch bereit, "die Tür für den Austausch und die Zusammenarbeit mit China zu öffnen, wenn die Voraussetzungen für Gleichheit und Würde gegeben sind".

Hou Yu-ih

Quelle: dpa
Der ehemalige Polizeichef und Bürgermeister von Neu-Taipeh, Hou Yu-ih, ist der Kandidat der größten Oppositionspartei Kuomintang (KMT), die für eine Annäherung an China eintritt. Der 66-Jährige ist seit 2010 in der Politik. Damals wurde er stellvertretender Bürgermeister von Neu-Taipeh, dem mit vier Millionen Einwohnern größten Wahlkreis der Insel. 2018 stieg er dort zum ersten Bürgermeister auf. Am Samstag hätten die Taiwaner die Wahl "zwischen Krieg und Frieden", meint Hou.

Seine lange Karriere bei der Polizei befähige ihn, "Taiwan zu schützen", verspricht er. "Ich kann den Frieden auf beiden Seiten der Straße von Taiwan wahren, und ich werde mein Bestes tun, um einen Krieg zu verhindern." Hou kritisiert die regierende DPP für ihre Wirtschaftsbilanz und kündigte an, im Falle seiner Wahl "so schnell wie möglich" einen umfassenden Handelspakt mit Peking zu schließen.

Ko Wen-je

Quelle: dpa
Ko Wen-je gründete 2019 die Taiwanische Volkspartei (TPP) als dritte Option zu den beiden dominierenden politischen Parteien. Der ehemalige Chirurg war ein politischer Neuling, als er sich 2014 um das Amt des Bürgermeisters von Taipeh bewarb – und gewann. Es war das erste Mal, dass ein Unabhängiger für den Führungsposten der Hauptstadt gewählt wurde. Bekannt unter seinem Spitznamen "Ko P" sieht sich der 64-Jährige als "vernünftige und pragmatische" Alternative zu den beiden großen Parteien, die "viele Wähler nicht mehr ertragen können". Sein forsches und schnoddriges Auftreten spricht vor allem viele junge Menschen an. Kritiker monieren, dass er seine Positionen je nach Publikum ändere.

Seine Kommentare zu Frauen und der LGBTQ-Gemeinschaft sorgten ebenfalls für Kontroversen. In einem Interview kündigte Ko an, die Fähigkeiten Taiwans zur militärischen Selbstverteidigung ausbauen zu wollen. Damit wolle er der chinesischen Führung klar machen, dass ein Krieg "einen hohen Preis" hätte. Gleichzeitig wolle er auf Kommunikation mit Peking setzen, um zu verhindern, "dass aus Versehen geschossen wird".

Quelle: AFP

Die Konkurrenten der konservativen Partei Kuomintang und der Taiwanischen Volkspartei wollen wieder mehr Kontakt zu China über Wirtschaft, Kultur oder Tourismus aufbauen, jedoch unter der Voraussetzung, dass Taiwans Demokratie gewahrt bleibt.

Verhältnis zu China angespannt

Die kommunistische Partei in Peking sieht Taiwan als abtrünnige Provinz an und will eine Wiedervereinigung, notfalls auch mit militärischen Mitteln. Schon länger demonstriert Peking fast täglich mit Kampfjets, die in Taiwans Luftverteidigungszone eindringen, seine militärische Macht in der Taiwanstraße, der Meerenge zwischen den beiden Staaten.

China-Taiwan-Konflikt

1912 wurde die "Republik China" ausgerufen. Ihr Staatsgebiet umfasste damals ganz China - das Festland und seit 1945 auch Taiwan. Nach dem chinesischen Bürgerkrieg 1949 hatte die Kommunistische Partei auf dem chinesischen Festland die Macht errungen und die "Volksrepublik" ausgerufen. Die unterlegene Kuomintang zogen sich nach Taiwan zurück. Als Resultat des Bürgerkrieges bestehen bis heute zwei separate chinesische Staaten: zum einen die sozialistische Volksrepublik China und zum anderen die von nur wenigen Staaten als eigenständig anerkannte demokratische Republik China (Taiwan). Die Volksrepublik betrachtet Taiwan, obwohl sie die Insel faktisch nie beherrscht hat, als Bestandteil des chinesischen Territoriums. Peking hält am "Ein China-Prinzip" fest. Nach dieser Doktrin der Kommunistischen Partei Chinas gibt es nur ein einziges China - inklusive Taiwan, Hongkong und Macau. Die Republik China (Taiwan) wiederum betrachtet sich selbst als souveränen Staat, von dem sich die Volksrepublik abgespalten habe.
Peking hatte 2016 den Kontakt mit der aktuell noch amtierenden Regierung unter Präsidentin Tsai abgebrochen. Taiwan hat seine Unabhängigkeit zwar offiziell nicht erklärt, aber seit Jahrzehnten eine unabhängige, demokratisch gewählte Regierung.

Die Präsidentschaftswahlen in Taiwan haben begonnen. Wichtigstes Thema ist der Umgang mit dem übermächtigen Nachbarn China, der den Inselstaat als abtrünnige Provinz sieht.

12.01.2024 | 01:37 min
Bis 16.00 Uhr (Ortszeit) können die Menschen außerdem ein neues Parlament wählen, in dem die DPP bislang die absolute Mehrheit hatte. Mit einem Wahlergebnis wird für den späten Samstagabend gerechnet.
Quelle: dpa

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