: Polizei erlangt nach Stunden Kontrolle zurück

09.01.2023 | 02:19 Uhr
In Brasilien haben Bolsonaro-Anhänger das Regierungsviertel gestürmt. Erst Stunden danach konnte die Polizei die Lage unter Kontrolle bringen. Es gab etwa 230 Festnahmen.

Der Sturm tausender Bolsonaro-Anhänger auf den brasilianischen Kongress hat Empörung ausgelöst. Der Angriff erinnert an die Erstürmung des US-Kapitols vor zwei Jahren.

09.01.2023 | 02:10 min

Das Wichtigste in Kürze

  • Bolsonaro-Anhänger haben am Sonntag das Regierungsviertel gestürmt.
  • Erst Stunden danach hatte die Polizei die Lage wieder unter Kontrolle.
  • Laut brasilianischer Polizei gab es etwa 230 Festnahmen.
Nach der Erstürmung des brasilianischen Regierungsviertels durch Anhänger von Ex-Staatschef Jair Bolsonaro hat die Polizei erst Stunden danach die Kontrolle über Parlament, Oberstes Gericht und Präsidentensitz wiedererlangt. Wie die Polizei mitteilte, wurden etwa 230 Verdächtige festgenommen.
Präsident Lula Inácio Lula da Silva sprach von einer Aktion "faschistischer Fanatiker" und gab seinem Vorgänger Bolsonaro eine Mitschuld, was dieser zurückwies.

Was war am Sonntag in Brasília passiert?

Hunderte Bolsonaro-Anhänger hatten am Sonntag das Regierungsgebäude in der Hauptstadt Brasília gestürmt. Die Polizei wirkte völlig überrumpelt. Schnell rissen die Demonstranten die Straßensperren ein und drängten die Beamten zurück.
Sie drangen in das Kongressgebäude ein und gelangten auch auf das Dach des Gebäudes.
Bolsonaro-Anhänger schauen aus dem brasilianischen Kongress nach draußen.Quelle: Reuters
Im Inneren der Gebäude ließen die Randalierer ihrem Hass auf die neue Linksregierung freien Lauf. Sie stießen Stühle und Schreibtische um, warfen Fensterscheiben ein, beschädigten Kunstwerke und schmierten Parolen an die Wände.
Ein Angreifer nahm sogar die Bürotür des bei Bolosonaro-Anhängern besonders verhassten Bundesrichters Alexandre de Moraes als Trophäe mit.

Szenen erinnern an Kapitol-Sturm 2021 in den USA

Die Szenen in Brasília erinnerten an die Ausschreitungen am Sitz des US-Kongresses in Washington am 6. Januar 2021. Damals hatten Anhänger von Donald Trump das Kapitol gestürmt, in dem die Wahlniederlage des Republikaners gegen Joe Biden beglaubigt werden sollte. Die Menge drang gewaltsam in das Gebäude ein, fünf Menschen starben.

Lula inspiziert seinen beschädigten Amtssitz

Der aktuelle Präsident, Luiz Inácio Lula da Silva, hielt sich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in Brasília auf. Er war in der Stadt Araraquara im Bundesstaat São Paulo, um sich über die Folgen der schweren Unwetter in der Region zu informieren.
Einige Stunden später inspizierte der 77-Jährige dann die Schäden im Palácio do Planalto in der brasilianischen Hauptstadt. Er besuchte auch den Sitz des Obersten Gerichtshofs und traf sich mit der Vorsitzenden Richterin Rosa Weber.
Präsident Lula inspiziert seinen Regierungssitz nach den Krawallen in Brasília.Quelle: AP/Eraldo Peres
Auf Twitter verurteilte Lula die Erstürmung durch "faschistische Vandalen". "Alle Vandalen werden gefunden und bestraft", sagte der Staatschef am Sonntag. "Wir werden auch herausfinden, wer sie finanziert hat."
Brasiliens Präsident Lula zu den Ausschreitungen

ZDF-Korrespondent: "Das Ganze muss irgendwie koordiniert gewesen sein"

ZDF-Korrespondent Christoph Röckerath berichtete, dass es am Sonntag keine Sitzungen im Parlament gegeben hatte und auch die Obersten Richter nicht da waren.
Rund 4.000 Bolsonaro-Anhänger seien in den vergangenen Tagen mit Bussen in die Hauptstadt gereist, so Röckerath. "Das Ganze muss also irgendwie koordiniert gewesen sein. Und die Frage ist, warum haben die Behörden nicht entsprechend reagiert?"
ZDF-Korrespondent Christoph Röckerath
Die Bolsonaro-Anhänger hätten ein "beschämendes Bild" hinterlassen, im Regierungsviertel seien "ganze Etagen verwüstet" worden. "Es wird einige Zeit dauern, bis die demokratischen Kräfte ihre eigentliche Arbeit in diesen Räumlichkeiten wieder aufnehmen können", sagt Röckerath.

Es sei "ein beschämendes Bild, was die Bolsonaro-Anhänger hinterlassen haben" nach ihrem Sturm auf den Kongress, so ZDF-Korrespondent Christoph Röckerath.

09.01.2023 | 03:33 min

Personelle Konsequenzen: Zuständiger Sicherheitschef in Brasília entlassen

Der Sicherheitschef von Brasília, Anderson Torres, war unter Bolsonaro Justizminister und gilt als Gefolgsmann des Ex-Präsidenten. Er wurde noch am Sonntag entlassen, berichtete ZDF-Korrespondent Röckerath.
Bei ihm handelt es sich um einen bekennenden Bolsonaro-Anhänger. Frage also, ob es da Zusammenhänge gibt.
Christoph Röckerath, ZDF-Korrespondent
Auch in der Polizei hat der frühere Staatschef Bolsonaro offenbar noch immer viele Sympathisanten. Als der Mob das Regierungsviertel stürmte, stellten sich ihm jedenfalls nur wenige Beamte entgegen.

Bolsonaro und Lula reagieren auf Angriffe in Brasilien

Bolsonaro selbst verurteilte den Angriff seiner radikalen Anhänger auf das Regierungsviertel. Lula warf Bolsonaro vor, seine Anhänger aufgestachelt zu haben:
"Sie nutzten die sonntägliche Stille, als wir noch dabei waren, die Regierung zu bilden, um zu tun, was sie taten. Es gibt mehrere Reden des ehemaligen Präsidenten, in denen er dies befürwortet. Dies liegt auch in seiner Verantwortung und in der Verantwortung der Parteien, die ihn unterstützt haben", sagte Lula.
Bolsonaro verbat sich die Anschuldigungen. "Ich weise die Vorwürfe zurück, die der derzeitige Chef der brasilianischen Regierung ohne Beweise erhebt", schrieb er. Der Ex-Militär hatte mit seiner Familie Brasilien bereits zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit verlassen und war in die USA gereist.

Bolsonaro erkennt Niederlage im Oktober nicht an

Der rechte Präsident Bolsonaro war im vergangenen Oktober dem Linkspolitiker Lula da Silva in der Stichwahl unterlegen und zum Jahreswechsel aus dem Amt geschieden. Ausdrücklich erkannte er seine Niederlage nie an.
Radikale Anhänger des Ex-Militärs hatten bereits nach der Wahl immer wieder gegen Lulas Sieg protestiert und die Streitkräfte des Landes zu einem Militärputsch aufgerufen.
Quelle: AFP, dpa, AP, Reuters, ZDF

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