Interview

: Expertin: China-Friedensplan am Ziel vorbei

24.02.2023 | 09:15 Uhr
Kann der von China vorgestellte Friedensplan etwas bewirken? Expertin Claudia Major über die Chancen der Initiative - und welche Entwicklungen im Ukraine-Krieg sie überraschten.

Sicherheitssexpertin Claudia Major von Stiftung Wissenschaft und Politik im ZDF-Morgenmagazin.

24.02.2023 | 05:30 min
China hat ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Friedensplan vorgestellt. Sicherheitsexpertin Claudia Major erklärt im ZDF-Morgenmagazin, was von der Friedensinitiative aus Peking zu halten ist, welche Kriegsentwicklungen bisher überrascht haben und warum Putins Annexionen so gefährlich sind.
Sehen Sie das ganze Interview oben im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Claudia Major ...

... über unerwartete Entwicklungen im russischen Angriffskrieg

Die "enorme Brutalität der russischen Kriegsführung" im Angriffskrieg gegen die Ukraine habe sie überrascht. Dass Russland "beispielsweise Kriegsverbrechen systematisch als Teil der Kriegsstrategie nutzt", sagt Major.
Auf der anderen Seite sei die Widerstandfähigkeit und der Überlebenswille der ukrainischen Bevölkerung und Streitkräfte beeindruckend. Das zeige sich unter anderem daran, dass die Ukraine es geschafft habe, Russland aus der Region Kiew zurückzudrängen.

Menschen aus Kiew, Lypzi im Norden an der Grenze zu Russland und Horodok ganz im Westen berichten, wie ein Jahr Krieg ihr Leben bis heute verändert hat.

24.02.2023 | 02:49 min
Auch die geeinte Reaktion des Westen bei den wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland und der militärischen Unterstützung der Ukraine habe sie überrascht, sagt Sicherheitsexpertin von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

... zu den Erfolgschancen der chinesischen Friedensinitiative

Den heute von China vorgestellten Zwölf-Punkte-Plan sieht Claudia Major jedoch mit großer Skepsis. "Im Endeffekt beantwortet dieser Plan diese Gretchenfrage nicht:
Wie kriegt man Russland an den Verhandlungstisch, wenn es kein Interesse an Verhandlungen hat?
Claudia Major, Sicherheitsexpertin
Der Kreml glaube weiterhin, den Krieg gegen die Ukraine gewinnen und weitere ukrainische Gebiete erobern zu können. "Darauf hat der Plan auch keine Antwort", sagt Major. Zudem unterstütze China weiter Russland, wie auch Berichte über mögliche Drohnenlieferungen zeigten.

ZDF-Korrespondentin Elisabeth Schmidt zu Chinas Positionspapier: Propagandafloskeln und Spitzen gegen die USA und die Nato

24.02.2023 | 02:47 min
Da auch die Ukraine noch Hoffnung auf Befreiung besetzter Gebiet habe, brauche es für eine Chance auf Frieden entweder eine Erschöpfung beider Seiten oder einen "fundamentalen" politischen Wechsel in Moskau oder Kiew. Keine dieser Voraussetzungen sei momentan gegeben.

Chinas Friedensplan für die Ukraine: Eckpunkte im Überblick

Zum Jahrestag des russischen Angriffs hat China am Freitag ein Positionspapier zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine vorgelegt. Ein Überblick über die wesentlichen Inhalte des Zwölf-Punkte-Plans:

Souveränität wahren

"Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder muss wirksam gewahrt werden", heißt es in Punkt eins des Dokuments. Was das im Fall der Ukraine bedeutet, die von Russland überfallen wurde, wird nicht ausgeführt.

Verhandlungen aufnehmen

Peking fordert Moskau und Kiew auf, wieder Friedensgespräche zu führen. "Dialog und Verhandlungen sind die einzig praktikable Lösung", heißt es in dem Papier. Von der internationalen Gemeinschaft verlangt China, "den Konfliktparteien dabei zu helfen, so schnell wie möglich die Tür zu einer politischen Lösung zu öffnen, und Bedingungen und Plattformen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen zu schaffen".

Keine Atomwaffen

Das Papier warnt davor, Atomwaffen einzusetzen oder damit zu drohen. "Die Verbreitung von Atomwaffen muss verhindert und eine nukleare Krise vermieden werden", heißt es. Des Weiteren lehnt Peking "die Erforschung, Entwicklung und den Einsatz chemischer und biologischer Waffen durch jedes Land unter allen Umständen ab" und ruft die Kriegsgegner auf, "das humanitäre Völkerrecht strikt einzuhalten und Angriffe auf Zivilisten oder zivile Einrichtungen zu vermeiden".

Abkehr von der "Mentalität des Kalten Krieges"

Peking appelliert an alle Parteien, "die Mentalität des Kalten Krieges aufzugeben". Indirekt kritisiert die chinesische Führung die Nato, wenn sie erklärt, dass "die Sicherheit einer Region nicht durch die Stärkung oder Erweiterung von Militärblöcken erreicht werden sollte" und dass "die legitimen Sicherheitsinteressen und -anliegen aller Länder ernst genommen werden müssen".

Das chinesische Außenministerium verurteilt die USA und ihre Verbündeten immer wieder wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine und wirft ihnen vor, damit zu den Stellvertreterkonflikten aus der Zeit des Kalten Krieges zurückzukehren. Das Papier missbilligt auch die Sanktionen des Westens gegen Russland. Diese würden "das Problem nicht lösen, sondern nur neue Probleme schaffen".

Wirtschaftliche Folgen begrenzen

In mehreren Punkten befasst sich das Dokument damit, wie die Weltwirtschaft vor den weitreichenden Auswirkungen des Krieges geschützt werden kann. China forderte alle Beteiligten auf, die Schwarzmeer-Getreide-Initiative aufrechtzuerhalten, um den Transport lebenswichtiger Güter zu ermöglichen. Außerdem mahnt die chinesische Regierung, "die Industrie- und Versorgungsketten stabil zu halten" und "sich dagegen zu wehren, die Weltwirtschaft als Waffe für politische Zwecke zu nutzen".

Skepsis bei Experten und Politik

Sicherheitsexpertin Claudia Major bemängelt, dass Chinas Vorschläge am Ziel vorbeigehen. Daraus gehe nicht hervor, wie man Russland an den Verhandlungstisch kriegen solle. Zudem unterstütze China Russland weiterhin. Und ZDF-Korrespondentin Elisabeth Schmidt analysiert in Peking: "China hat kein Interesse daran, dass Russland - sein enger Freund und Partner - geschwächt aus diesem Krieg hervorgeht." Auch CDU-Außenpolitiker Röttgen erwartete Chinas Vorstoß skeptisch: "Das ist eine politische Parteinahme. Und sie verfolgen damit eigene Interessen."

Quelle: AFP, ZDF

... zur Bedeutung der russischen Annexionen ukrainischer Gebiete

Die Annexionen von ukrainischen Gebieten durch Wladimir Putin - einschließlich der Krim-Annexion 2014 - sei ein "sehr gefährliche Eskalationsschritt".
Zwar kontrolliere Russland viele der beanspruchten Gebiete wie Cherson überhaupt nicht, doch durch die Annexionen seien Putin in diesem Bereich in Zukunft die "Hände gebunden".
Putin kann aufgrund der russischen Verfassung kein russisches Territorium abgeben.
Claudia Major, Sicherheitsexpertin
Dadurch müsste bei "möglichen Friedensverhandlungen" über die Rückgabe dieser Gebiete entweder die russische Verfassung geändert werden oder es brauche dann einen "umfassenden Machtwechsel" in Russland.
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