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: Abtreibungsrecht: Alter Streit beginnt neu

von Kristina Hofmann
09.04.2024 | 18:03 Uhr
Ungesetzlich, aber straffrei: Das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch ist kompliziert. Die Ampel will, dass es nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt wird. Fragen und Antworten.
Das Recht zum Schwangerschaftsabbruch könnte neu geregelt werden. Quelle: Imago
Noch ist der Bericht nicht offiziell. Und welche Folgen er hat, ist unklar. Trotzdem reden schon viele darüber: die Empfehlungen zur Neuordnung des Schwangerschaftsabbruches. Vor gut einem Jahr hatte die Ampel-Koalition eine Expertenkommission berufen, die prüfen sollte, ob Abtreibungen künftig außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden könnte.
Grundsätzlich hatten sich die drei Parteien SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag drauf verständigt. Die Frage ist nur, wie? Erst am Montag soll der Bericht bekannt gegeben werden. Doch schon jetzt sickerte einiges durch. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was schlägt die Expertenkommission vor?

Der Schwangerschaftsabbruch soll nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden. Das berichten "Spiegel Online" und "Zeit online", denen der Abschlussbericht der Kommission vorliegt. Demnach wäre im Gegensatz zu jetzt der Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche nicht mehr rechtswidrig.
Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft ist nicht haltbar.
Expertenkommission
Verboten soll ein Abbruch sein, wenn der Fötus eigenständig lebensfähig ist. Vorgeschlagen wird als Zeitpunkt die 22. Woche ab der letzten Menstruation. Ob der Gesetzgeber auch die Zeit zwischen zwölf und 22 Wochen regeln will, müsse nach Meinung der Kommission der Gesetzgeber regeln. An einer Beratungspflicht vor einem Abbruch könne festgehalten werden, selbst wenn ein Schwangerschaftsabbruch legal ist.

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Wenn der Schwangerschaftsabbruch legalisiert wird, wäre die Folge: Die Krankenkassen müssten die Kosten übernehmen.

Was ist das Argument?

Ein Argument ist, dass es verfassungsrechtlich, völkerrechtlich und europarechtlich nicht mehr haltbar sei, den Schwangerschaftsabbruch als Straftatbestand einzustufen.
Ähnlich hatte Ende vorigen Jahres der Deutsche Juristinnenbund argumentiert. In der bisherigen Gesetzgebung sei das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Person zu wenig berücksichtigt. Außerdem laste auf der abtreibenden Frau durch die Einstufung in das Strafrecht ein Makel. Damit sei der "höchstpersönliche Konflikt wie die Entscheidung für oder gegen die Fortsetzung einer Schwangerschaft zu lösen" von vornherein belastet. Diese Stigmatisierung erschwere momentan zudem den Zugang zu Beratung und Aufklärung - und schütze somit eben gerade nicht das ungeborene Leben.
Dass es auch anders geht, hat in Europa gerade erst Frankreich gezeigt: Dort ist seit diesem März das Grundrecht auf Abtreibung in der Verfassung verankert. In den Niederlanden wurde die fünftägige Bedenkzeit zwischen Beratung und Abbruch gestrichen und das mit dem Selbstbestimmungsrecht begründet.

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Wie ist die Lage jetzt?

Derzeit sind in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche verboten. Sie werden laut Paragraf 218 im Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Allerdings bleibt eine Unterbrechung der Schwangerschaft bis zur zwölften Woche straffrei, wenn die Frau eine vorherige Beratung nachweisen kann.
Sie ist ebenfalls straffrei, wenn die körperliche und seelische Gesundheit der Frau gefährdet ist. Oder die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist.
ZDFheute Infografik
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Warum gibt es jetzt die Diskussion?

Die Ampel-Koalition hatte bereits in ihrem Koalitionsvertrag 2021 festgelegt, den Schwangerschaftsabbruch "außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellenspende und der altruistischen Leihmutterschaft" prüfen wird. Erst Ende März 2023 wurde die Kommission berufen, die ein Jahr lang tagte. Zwei Arbeitsgruppen wurden gebildet: Eine erarbeitet den Vorschlag zu Paragraf 218, die andere zur Eiszellspende und Leihmutterschaft. Über deren Ergebnisse sickerte noch nichts durch.

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Neu ist, dass bei dieser Kommission zunächst hauptsächlich Expertinnen und Experten aus Medizin, Sozial- und Rechtswissenschaften berufen wurden. Die beiden großen christlichen Kirchen sowie Sozialverbände wurden im Laufe des Verfahrens angehört.
Die derzeit geltende Regelung war nach langer gesellschaftlicher Debatte zustande gekommen. In der DDR war der Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche straffrei. Die Ampel hatte bereits 2022 den Paragraf 219a, der Ärztinnen und Ärzten die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbot, außer Kraft gesetzt.

Wie stehen die Chancen, dass das Gesetz geändert wird?

Nicht besonders gut. Wenn die Ampel-Koalition Paragraf 218 streichen wollen, müsste sie sich beeilen, denn die Legislaturperiode geht nur noch ein gutes Jahr. Und bei solchen ethischen Themen ist eine ausführliche Debatte und die Suche nach einem möglichst breiten Konsens über die Parteigrenzen hinweg üblich.

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Die Ampel-Fraktionen zeigten sich am Dienstag überrascht, dass der Bericht schon an die Öffentlichkeit kam. Kommentieren wollten sie das Papier noch nicht. "Ich bin aufgefordert worden", sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, "das erst einmal intern zu besprechen". FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte zwar, er habe ihn noch nicht gelesen, verwies aber auf die momentane Rechtslage:
Wir haben eine befriedete Situation, das muss man im Hinterkopf haben.
Christian Dürr (FDP)
Die Meinung der Opposition ist dagegen klar - in beide Richtungen. Die Linken im Bundestag fordern die Ampel auf, "zeitnah" einen Gesetzentwurf vorzulegen, sie dürfe "die Legalisierung nicht der nächsten Regierung überlassen", sagte Gruppensprecherin Heidi Rechinnek.
Die Union dagegen warnt die Ampel, das bestehende Gesetz zu ändern. Es drohe eine "Polarisierung der Gesellschaft", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. "Wir brauchen keine weiteren Spaltpilze in der Gesellschaft." CDU-Vorsitzender Friedrich Merz forderte ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz. Er habe die "kleine Hoffnung", dass dieser den möglichen "gesellschaftlichen Großkonflikt" beende.

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