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: Atomausstieg: Waren die Sorgen berechtigt?

von Moritz Zajonz
15.04.2024 | 09:34 Uhr
Stromausfälle, importierte Atomenergie, mehr Kohle: Wie berechtigt waren die Sorgen nach dem Atomausstieg? Was seit dem Abschalten der letzten drei AKW in Deutschland passiert ist.
Das Atomkraftwerk Isar 2 gehört zu den letzten drei, die am 15. April 2023 endgültig abgeschaltet wurden.Quelle: dpa/Armin Weigel/ZDF
Vor genau einem Jahr ging eine Ära zu Ende: In Deutschland wurden die letzten Atomkraftwerke endgültig heruntergefahren. Den Schlussstrich unter einem jahrzehntelangen Hin und Her halten auch heute noch manche für die falsche Entscheidung.
Stromausfälle, Atomstrom aus dem Ausland, mehr Kohle: Was ist aus den Sorgen geworden, die der Atomausstieg auslöste?
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Sorge 1: Drohen uns mehr Stromausfälle?

Bevor sie endgültig abgeschaltet wurden, kamen noch etwa vier bis fünf Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms aus Atomkraftwerken. Das wirkt erstmal nicht viel, aber im Notfall zählt jede Kilowattstunde.
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Die Versorgungssicherheit war jedoch immer gegeben, sagt Bruno Burger. Er betreibt als Professor am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) ein Datenportal, das Zahlen zur Energieversorgung Deutschlands bündelt.
Die installierte Kraftwerksleistung der steuerbaren Kraftwerke (ohne Solar und Wind) liegt bei 90 Gigawatt. (…) Die maximale Last lag bei 74 Gigawatt. Es war also immer ausreichend Kraftwerkskapazität vorhanden.
Bruno Burger, Professor am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE)
Kann hierzulande nicht genug Strom erzeugt werden und reichen die Reservekraftwerke nicht, geht im Regelfall nicht einfach das Licht aus. Und falls doch, dann nicht für lange - und seit Jahren mit sinkender Tendenz:
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Ein Grund für die sichere Versorgungslage: Deutschland ist mit seinen Nachbarländern im europäischen Stromnetz verbunden. Auf diesem Weg kann Strom importiert werden.
Das macht Deutschland auch ständig. Denn mit Strom wird gehandelt: Wenn die Kilowattstunde im Ausland günstiger zu haben ist, wird sie dort eingekauft. Auch fehlender Strom kann so beschafft werden.

Gefährdet der Atomausstieg die Versorgungssicherheit im Land? Wie gut geht der Ausbau der Erneuerbaren voran? Oder muss doch das Atom-Revival her? Jutta Sonnewald zieht Bilanz.

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Deutschland hat in den vergangenen Jahren Strom überwiegend exportiert, abgesehen von den Sommermonaten. In dieser Zeit ist es manchmal günstiger, Strom aus dem Ausland zu kaufen.
Die Nachfrage sei dann geringer, der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung hoch. Das schreibt die Denkfabrik Agora Energiewende in einem Bericht. Damit werde der Strom im EU-Ausland im Sommer günstiger als aus deutschen fossilen Kraftwerken. Das bestätigt auch Bruno Burger.

Sorge 2: Importieren wir jetzt mehr Atomstrom aus anderen Ländern?

Mit dem endgültigen Atomausstieg hat sich der deutsche Stromhandel umgekehrt: Zum ersten Mal seit Jahren wurde insgesamt mehr Strom importiert als exportiert.
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Die Importe von Atomstrom haben nach dem Ausstieg zugenommen. Das zeigen Daten der Bundesnetzagentur, die ZDFheute vorliegen.
Über das Jahr 2023 gerechnet lag der Anteil von Atomkraft an den Importen demnach bei etwa 20 Prozent.
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Das liege unter anderem am Strom aus Frankreich, sagt Bruno Burger: "Im letzten Sommer waren die französischen Kernkraftwerke wieder am Netz und haben mehr Strom erzeugt, als Frankreich verbrauchen konnte."
Ob das nur ein kurzfristiges Phänomen oder ein Trend ist, bleibt abzuwarten. Atomstrom vom Import auszuschließen, würde sich schwierig gestalten, denn so funktioniert der Markt nicht.
"An der Börse gibt es keine Unterscheidung bei der Herkunft des Stroms. Es wird Graustrom gehandelt. Das heißt der Käufer hat keine Information über die Herkunft des Stroms", sagt Fraunhofer-Experte Bruno Burger.

Viele Länder wollen an Atomkraftwerken festhalten und auch in Europa erwägen einige, neue Reaktoren zu bauen.

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Der Anteil des importierten Atomstroms am gesamten deutschen Strommix war eher klein: Er machte im letzten Jahr seit dem Ausstieg etwa drei Prozent der Stromerzeugung aus.

Sorge 3: Wird jetzt mehr Strom aus Kohle erzeugt?

Im Jahr seit dem Ausstieg gab es eine historisch niedrige Kohleverstromung. Aus Stein- und Braunkohle kamen seit Mitte April 2023 knapp 36 Prozent weniger Strom als im gleichen Zeitraum das Jahr zuvor.
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Auch hier spielt der europäische Strommarkt eine Rolle, sagt Bruno Burger. In Deutschland ist weniger Strom aus fossilen Quellen wie Kohle erzeugt worden, weil es gerade im Sommer günstiger gewesen sei, ihn zu importieren.
Die Sorgen nach dem Atomausstieg haben sich also nur zum Teil bewahrheitet. Schädliche Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit oder das Klima lassen sich nicht belegen.
Redaktion: Robert Meyer, Kevin Schubert

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