: Atom-Aus: Habeck muss Rede und Antwort stehen

von Oliver Klein und Dominik Rzepka
25.04.2024 | 16:42 Uhr
Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik eigener Experten zum Atom-Aus ignoriert haben. Die FDP spricht von Vertrauensbruch. Habeck selbst wird am Freitag dazu im Bundestag befragt.

Nach Berichten über mögliche Informationsmanipulation beim Atomausstieg haben sich Robert Habeck und Steffi Lemke den Fragen der zuständigen Ausschüsse gestellt.

26.04.2024 | 02:25 min
Haben wichtige Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) interne Kritik und Expertise an den Plänen zum Atomausstieg unterdrückt? Ein Bericht des Magazins "Cicero" sorgt in Berlin für Aufregung.
Mehrere FDP-Politiker nutzen den an diesem Donnerstag veröffentlichten Artikel für eine Attacke auf ihren Koalitionspartner. "Cicero" hatte berichtet, dass innerhalb der Ministerien Einschätzungen von Fachleuten zu einer Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke manipuliert worden sein sollen. Robert Habeck selbst sei von seinen eigenen Leuten bewusst falsch informiert worden, heißt es bei "Cicero". Das Wirtschafts- und das Umweltministerium dementierten diese Darstellung, aber der Schaden ist angerichtet.

Nach den Erklärungen von Robert Habeck vor den zuständigen Ausschüssen seien "viele Fragen nicht beantwortet", so der energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Jung.

26.04.2024 | 05:05 min

FDP-Bundesvorstand spricht von "Vertrauensbruch"

FDP-Bundesvorstand Gerald Ullrich schreibt bei X von einem "Vertrauensbruch, der Konsequenzen haben sollte".
Die AKW-Files zeigen, dass wir Bürger und wir Koalitionspartner nicht die ganze Wahrheit über den Kernkraftausstieg erfahren haben.
FDP-Bundesvorstand Gerald Ullrich bei X
Michael Kruse, der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, schreibt bei X, er sei "von Robert Habeck enttäuscht". Gegenüber ZDFheute erklärte er, dass im Frühjahr 2022 aus Gesprächen mit Kraftwerksbetreibern hervorging, "dass eine Laufzeitverlängerung möglich ist und hilft, um Gas zu sparen. Die von der FDP erfolgreich durchgesetzte Laufzeitverlängerung hat das später bestätigt."

Gefährdet der Atomausstieg die Versorgungssicherheit im Land? Wie gut geht der Ausbau der Erneuerbaren voran? Oder muss doch das Atom-Revival her? Jutta Sonnewald zieht Bilanz.

04.01.2024 | 03:08 min
Auch aus regelmäßigen Gesprächen mit den Fachabteilungen des Wirtschaftsministeriums seien keine anderslautenden Einschätzungen bekannt geworden, so Kruse.
Dass Robert Habeck die Position seiner Fachabteilung nicht gekannt haben soll, ist nicht glaubwürdig.
Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion

Einschätzung von ZDF-Korrespondent Hinterleitner

Wurde eine AKW-Laufzeitverlängerung verhindert?

"Selbst wenn wirklich einige Dokumente innerhalb des Ministeriums zurückgehalten wurden - was wir nicht wissen - hätte auch bei Kenntnis der Dokumente meines Erachtens keine andere Entscheidung herauskommen können", sagt ZDF-Korrespondent Karl Hinterleitner.

"Vielleicht wären die Atomkraftwerke noch einmal drei weitere Monate am Netz geblieben, aber nicht noch einmal mehrere Jahre, beispielsweise bis jetzt. Verhindert hätten das unter anderem die Frage nach Brennelementen und Personal."

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

"Es müssten enorme Investitionen getätigt werden, um Atomkraftwerke länger zu betreiben: in Technik, neue Brennelemente und Personal. Das lohnt sich für die Industrie nur, wenn sie eine Perspektive über Jahrzehnte hat, diese Kraftwerke zu betreiben. Nur einige Jahre mehr könnten problematisch sein.

Unter Betreibern ist die Einschätzung umstritten, ob sich ein Betrieb für wenige Jahre lohnen würde. Fakt ist: Das Atomausstiegsgesetz gilt. Dieses wurde bereits unter der Regierung Merkel beschlossen."

Haben die Grünen ideologisch gehandelt?

"Es ist richtig, dass der Atomausstieg ein Kernstück grüner DNA ist. Jede Verschiebung des Ausstiegs hätte weiteren politischen Druck hervorgerufen. Genauso gilt: Andere Länder wie zum Beispiel Frankreich sehen dies völlig anders und setzen massiv auf Atomkraft.

Dort und in weiten Teilen der EU wird Atomkraft als Beitrag zum Klimaschutz gesehen und offenbar die Endlagerfrage als unproblematisch. Dort gibt es aber eben auch kein Atomausstiegsgesetz."

Karl Hinterleitner ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio

Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Lemke mussten vor dem Energieausschuss zum Atomausstieg aussagen. Ob die Sache damit vom Tisch ist, berichtet Karl Hinterleitner.

26.04.2024 | 01:04 min

Habeck wird am Freitag im Bundestag erwartet

Auch von Unionsseite ist die Kritik heftig. Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, schreibt bei X: "Beim Kernkraft-Aus wurden Parlament und Bevölkerung belogen." Habeck solle nun sämtliche Akten dazu auf den Tisch legen.
Posting von Thorsten Frei (CDU) bei X
CSU-Generalsekretär Martin Huber postet bei X, Habeck sei "nicht mehr tragbar". "Entweder hat er gelogen, oder sein eigenes Ideologie-Ministerium nicht im Griff", so Huber.
Die Union beantragte für diesen Freitag zwei Sondersitzungen von Bundestagsausschüssen. Nach ZDFheute-Informationen wird Habeck im Klima- und Energieausschuss des Bundestags erscheinen und auf Fragen der Abgeordneten antworten. Auch Umweltministerin Lemke will Rede und Antwort stehen, wie ein Sprecher der dpa sagte.

Ein Jahr nach dem endgültigen Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft bezeichnet die CDU diesen Schritt als historischen Fehler.

16.04.2024 | 02:50 min

Habeck verteidigt den Atomausstieg

Habeck selbst verteidigt die Entscheidung für den Atomausstieg. Der Ausstieg sei "absolut vertretbar", er habe die Versorgungssicherheit Deutschlands nicht gefährdet, sagte Habeck am Donnerstagnachmittag in einem TikTok-Video. "Wir sehen heute, dass wir klarkommen."
Das Wirtschaftsministerium wies die Vorwürfe des Magazins "Cicero" zurück. Die Darstellung sei "verkürzt und ohne Kontext", entsprechend seien die daraus gezogenen Schlüsse "nicht zutreffend". "Zu Nutzen, Chancen, Risiken, Hürden einer möglichen Verlängerung des Betriebs" der AKW sei innerhalb des Ministeriums, zwischen Ressorts und mit den Kraftwerksbetreibern schon "frühzeitig eine breite, fundierte, offene und kritische Diskussion geführt und verschiedene Argumente gehört und gewogen" worden, hieß es.

Betreiber waren gegen längere Laufzeiten

Unterlagen zeigen beispielsweise, dass die drei AKW-Betreiber EnBW, Eon und RWE sich Anfang 2022 klar gegen eine Laufzeitverlängerung aussprachen. Bedingung für einen Streckbetrieb - eine Verlängerung der Laufzeit über 2022 hinaus - wäre einer dieser Unterlagen zufolge eine Senkung oder Abschaltung der Stromproduktion im Sommer.
Ab Juni 2022 hätten die AKW-Betreiber diese Aussage aber geändert, wie es aus Ministeriumskreisen hieß: Ein Streckbetrieb sei doch möglich. Die Ampel-Koalition stritt heftig über diese Laufzeitverlängerung. Die FDP war grundsätzlich für eine längere Laufzeit. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entschied schließlich, dass die drei Atomkraftwerke noch bis 15. April 2023 laufen sollen.
Mit Material von Reuters, AFP

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