: Wie ein Schulleiter für Demokratie einsteht

von Mika Backhaus
10.05.2024 | 06:45 Uhr
Volker Hegewald ist Schulleiter an einem Gymnasium im Erzgebirge. Sein Einsatz für Demokratie findet viel Zustimmung, aber nicht bei allen. Ein Ortsbesuch in Dippoldiswalde.
Nach einem Besuch einer Demonstration für die Demokratie wurde Schulleiter Volker Hegewald (v.l.), hier mit Ines Eckstein vom Demokratie Bündnis Osterzgebirge/Dippoldiswalde, angefeindet.Quelle: ZDF
Es ist ein ruhiger Samstagnachmittag in "Dipps", wie Dippoldiswalde von den meisten Menschen in der Region genannt wird. Etwa 30 Menschen sind an diesem Tag auf den Marktplatz zum "demokratischen Kaffeeklatsch" gekommen. Jugendliche sieht man kaum, die meisten Personen sind etwas älter, aber auch Familien sind dabei.
Die Kinder vergnügen sich auf der Hüpfburg, davor sitzen Menschen auf Bierbankgarnituren. Es gibt Kaffee und selbstgemachte Kuchen, die auf einer Konstruktion aus Klappfahrrad mit aufgelegtem Tisch gegen Spenden angeboten werden. Ein Mann singt zur Gitarre. Alles wirkt sehr friedlich. Nur die verhältnismäßig vielen Polizisten am Rande der Veranstaltung lassen vermuten, dass es hier nicht immer so ruhig zugeht.

Anfeindungen nach Teilnahme an Demokratie-Demonstration

Volker Hegewald weiß das aus eigener Erfahrung. Er ist Schulleiter am örtlichen "Glückauf"-Gymnasium, dem einzigen der Stadt. Mitte März war er mit seiner Familie auf einer Demonstration für Vielfalt und Menschlichkeit. Die Stimmung hat Hegewald an diesem Tag lange als ausgelassen und fröhlich empfunden - solange, bis der Demonstrationszug in einer Kurve an einer Gruppe der vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Freien Sachsen" und Menschen mit Friedensfahnen vorbeizog.

Nach mehreren Angriffen auf Politiker und Wahlkampfteams werden Forderungen nach Konsequenzen laut. Mit welchen Mitteln soll eine Demokratie auf derartige Gewalttaten reagieren?

05.05.2024 | 02:06 min
"Einige dieser Menschen kenne ich persönlich, sie sind bekannte Handwerker." In dieser Situation lief der Song "Querdenken klatschen" der Berliner Hip-Hop-Band Kafvka aus den Lautsprechern des Demozuges. In den Telegramkanälen von den Freien Sachsen und ihrem bekannten Gesicht Max Schreiber wurden anschließend Bilder und Videos verbreitet, auf dem sowohl der Schulleiter zu sehen als auch der angesprochene Song zu hören ist. Der Vorwurf lautet, dass Hegewald mit der "gewaltbereiten Antifa" unterwegs gewesen sei.
Es wird dazu aufgerufen, ihm an seine dienstliche E-Mail zu schreiben. Die verbreiteten Videos und Bilder und die darauf folgenden E-Mails, teilweise gefüllt mit Hass, gingen ihm nahe - die vielen Solidaritätsbekundungen von Eltern, Politikern, Freunden und im Kollegium waren in dieser Situation eine wertvolle Unterstützung.

Schulleiter: Stimmung "war größtenteils integrativ"

Hegewald ist auch Fraktionsmitglied der CDU im Osterzgebirge. Die Freien Sachsen sehen in dem Vorfall von März einen Schulterschluss der sächsischen CDU mit dem organisierten Linksextremismus. Hegewald findet das absurd.
Die Stimmung auf der Demo und in den Redebeiträgen war größtenteils integrativ und den Song kannte ich vorher nicht.
Volker Hegewald, Schulleiter
"Später hörte ich mir den Song nochmal in voller Länge an, um ihn besser einordnen zu können." Die meisten anderen Zeilen hält er nicht per se für verwerflich, aber ihn an diesem speziellen Ort und Zeitpunkt der Demonstration abzuspielen, sei einfach dämlich und schade vor allem dem integrativen Anliegen der Versammlung.

In Dresdner Straßenbahnen lädt das Team von "metro_polis" regelmäßig zu Gesprächen über kontroverse gesellschaftliche Themen ein. Das Demokratieprojekt wurde 2023 sogar mit dem Deutschen Engagementpreis ausgezeichnet.

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Auch wenn es viel Aufregung um den Song gab: Gerichtlich verboten ist er nicht. Die Anzeige, die Hegewald ursprünglich gegen die Personen, die das Lied abgespielt haben, erstattet hatte, sei deswegen hinfällig. Auch gegen das "Team Schreiber" habe er wegen der anschließend erhaltenen Drohungen eine Anzeige erstattet.

Schüler hin zu "freiheitlich demokratischer Haltung erziehen"

Als Schulleiter liegt ihm die Bedeutung der Schulen für die Demokratie besonders am Herzen. Sie seien wichtig, damit Schüler inhaltliche Debatten in einem geregelten Rahmen führen können. "Wenn sie das in der Schule nicht können, tun sie dies im Zweifel mit physischer Gewalt woanders."
Man unterhalte sich über die Schule und was Schule bewirken könne und solle: "Wir sollen Schüler zur freiheitlich demokratischen Haltung erziehen."
Dabei verbietet mir niemand, auch mal meine Meinung zu sagen, vor allem wenn Schüler danach fragen. Vielmehr sind Maß und Intensität wichtig.
Volker Hegewald, Schulleiter
Die beachte er aber auch. Mit 1.200 Schülern, den dazugehörenden Eltern und über 100 Lehrkräften sei die Schule ein bedeutender demokratischer Ort in der 14.000-Einwohner-Stadt. Und das werde auch so bleiben.

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