: Klimawandel gerecht bekämpfen - wie geht das?

13.03.2024 | 20:00 Uhr
Im Kampf gegen den Klimawandel sind ohne Ausnahme alle gefragt: Zu diesem Schluss kommt der deutsche Ethikrat. Es gehe um die Verteilung der Lasten.
Ausgetrocknetes Elbufer bei Dresden: der Klimawandel ist inzwischen allgegenwärtig.Quelle: pa/dpa-Bildfunk
Der Deutsche Ethikrat sieht beim Kampf gegen die Erderwärmung zunächst den Staat in der Pflicht, aber auch jeden Einzelnen sowie Unternehmen und Organisationen.
Eine moralische Kritik an Entscheidungen im Bereich der privaten Lebensführung und des Konsums ist kein Ersatz für notwendige politische Maßnahmen.
Deutscher Ethikrat
Das schreibt der Rat in einer Stellungnahme zum Thema Klimagerechtigkeit. Es bestünden "keine vernünftigen Zweifel mehr", dass die Erde sich durch menschlichen Einfluss und insbesondere die Verbrennung fossiler Energieträger erwärme, betont der Rat schon zu Beginn seiner fast 130 Seiten umfassenden Stellungnahme. "Eine ungebremste weitere Erderwärmung hätte katastrophale Folgen."
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Frage der Gerechtigkeit

Bei Fragen der Klimagerechtigkeit geht es darum, wie der Umgang mit dem Klimawandel möglichst gerecht zu gestalten ist - sowohl mit Blick auf die Folgen der Erderwärmung als auch auf die Kosten oder Belastungen, die Handeln dagegen mit sich bringen kann. Die Fragen, mit denen der Ethikrat sich befasst hat, skizzierte die Vorsitzende Alena Buyx so:
Wie kann man die Lasten, die auf uns alle zukommen, möglichst gerecht verteilen? Wer hat dabei wofür die Verantwortung? Und wie schaffen wir das, ohne dass uns allen dabei die Puste ausgeht?
Alena Buyx, Vorsitzende Ethikrat
Die Debatten um das Thema seien belastend. "Aber es ist lösbar." Der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagte Buyx: "Im besten Fall wird der Bericht bewirken, dass ein Bewusstsein dafür entsteht, dass viele Probleme im Umgang mit dem Klimawandel daher kommen, dass es um Gerechtigkeitsfragen geht." Das werde bislang zu wenig thematisiert.

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Manche Maßnahmen gegen den Klimawandel belasten Geringverdiener stark, die am wenigsten klimaschädliche Emissionen produzieren. Und das ist ungerecht. Es ist gar nicht erstaunlich, wenn es dann Abwehr gibt.
Alena Buyx, Vorsitzende Ethikrat
Die Lasten und Pflichten bei der Bewältigung des Klimawandels sollten so verteilt werden, "dass möglichst alle Menschen jetzt und in Zukunft die Mindestvoraussetzungen für ein gutes, gelingendes Leben erreichen können", sagte Ratsmitglied Kerstin Schlögl-Flierl.

Schwellenwerte nicht unterschreiten

"Dafür dürfen Schwellenwerte für wichtige Grundgüter wie etwa Gesundheit, Ernährung, Wasser, Sicherheit oder Mobilität nicht unterschritten werden."

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Gerechtigkeitsfragen stellen sich aus Sicht des Ethikrats innerhalb von Gesellschaften, international und zwischen den Generationen. Gerade besonders stark vom Klimawandel Betroffene seien kaum oder gar nicht in Entscheidungen über den Umgang damit eingebunden.

Gegen Verbote von Produkten oder Dienstleistungen

"Ansonsten geht unsere heutige Freiheit ungerechterweise auf Kosten der Freiheit anderer schlechter gestellter Menschen bei uns im Land, Ländern im globalen Süden oder auch auf Kosten der jungen und zukünftigen Generationen", erklärte Ratsmitglied Armin Grunwald.

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Verbote bestimmter Produkte oder Dienstleistungen hält der Rat für eine der schlechteren Möglichkeiten.
Wir schlagen keine konkreten Verbote vor, auch deswegen, weil wir sehr darauf hinweisen, dass Verbote ja das Individuum am meisten betreffen.
Alena Buyx, Vorsitzende Ethikrat
Dem Rat geht es eher um politische Entscheidungen und Rahmenbedingungen. "Es ist unangemessen, von staatlicher Seite bei den Menschen emissionsärmeren Lebensstil und Konsum zu erwarten, solange innerhalb der vom selben Staat gewollten und unterstützten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind", schreibt der Rat.

"Moralisches Heldentum" nicht hilfreich

"Emissionsärmeres Handeln erfordert in vielen Feldern immer noch die Inkaufnahme von Opfern, Nachteilen, möglicherweise gar ein "moralisches Heldentum", gerade von finanziell Schlechtergestellten." Das sei ungerecht und nicht hilfreich.

Die EU-Kommission hat als Klimaziel die Senkung der Emissionen bis 2040 um 90% im Vergleich zu 1990 vorgeschlagen. Eine Einschätzung von ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers.

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Grunwald sagte, auf dem Land komme man vielerorts ohne Auto schlecht zurecht. Das entbinde aber nicht von "einer individuellen moralischen Mitwirkungspflicht", so der Rat.

Warnung vor Technikverliebtheit

Der Ethikrat warnt davor, sich allzu sehr auf Techniken etwa zur unterirdischen CO2-Speicherung (CCS) zu verlassen und dabei weniger gegen die Erderwärmung zu tun. "Wir haben in der Tat in der technischen Zivilisation so eine Neigung, ein Problem zu lösen mit Technik, und die Nebenfolgen der Technik kommen dann später", sagte Grunwald mit Blick auf mögliche Risiken.

Der Ethikrat ...

... versteht sich als unabhängies Gremium von Sachverständigen. Es kümmert sich nach eigenen Angaben um ethische, gesellschaftliche, naturwissenschaftliche, medizinische und rechtliche Fragen". Außerdem kann es von Bundestag und Bundesregierung aufgefordert werden, Themen einzuschätzen. Der Ethikrat besteht vor allem aus Theologen, Naturwissenschaftlern, Juristen und Naturwissenschaftlern. Derzeit besteht das Gremium aus 24 Mitgliedern.
Drei Mitglieder distanzierten sich mit einem Sondervotum teilweise von den Schlussfolgerungen des Rats. Dieser berücksichtige zu wenig die Rolle von Innovationen, bleibe in seiner Argumentation teils zu vage.
Der Ethikrat fordere weitreichende Maßnahmen gegen den Klimawandel, obwohl deren Erfolgsaussichten unklar blieben.
Zeitdruck macht eine ineffektive Maßnahme nicht zu einer effektiven.
Deutscher Ethikrat
Grunwald hingegen betonte: "Es wäre geradezu unverantwortlich, auf nationale und europäische Klimaschutzmaßnahmen nur deshalb zu verzichten, weil die weltweite Umsetzung entsprechender Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung noch nicht gesichert erscheint."
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Seine Kollegin Kerstin Schlögl-Flierl warnte:
Sich nur auf die anderen zu verlassen, führt letztendlich dazu, dass niemand etwas tut.
Kerstin Schlögl-Flierl, Mitglied deutscher Ethikrat
Quelle: dpa

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