Kommentar

: Der grüne Zeitgeist ist verflogen

von Anne Gellinek
09.06.2024 | 21:46 Uhr
Europa hat gewählt, und wie! Hohe Wahlbeteiligung zwar, aber Begeisterung für das europäische Projekt zeigen die ersten Zahlen nicht.

Trotz ihres Wahlsiegs müssten die europäischen Konservativen um eine demokratische Mehrheit zittern, kommentiert Anne Gellinek, die stellvertretende Chefredakteurin des ZDF.

09.06.2024 | 01:37 min
Die Mitte ist kleiner geworden, der rechte Rand größer. Das heißt erstens: Die europäischen Christdemokraten sind zwar die Wahlgewinner, müssen aber zittern, ob sie mit den anderen demokratischen Parteien eine Mehrheit hinkriegen, die Ursula von der Leyen erneut zur Kommissionspräsidentin der EU wählt.

Kompromiss mit rechtem Lager?

Andernfalls könnten die Konservativen zum Kompromiss mit dem rechten Lager gezwungen sein. Bereit stünde offenbar die italienische Rechtsnationalistin Giorgia Meloni, die aus Sicht von von der Leyen das geringste Übel unter den rechten Parteien zu sein scheint.
Und vielleicht wäre es sogar klug, die Partei der italienischen Regierungschefin stärker einzubinden und damit das Lager der harten Rechtsextremisten zu schwächen.

Grüner Zeitgeist verflogen

Zweitens bedeuten diese ersten Zahlen, dass der grüne Zeitgeist, der die letzte Europawahl umwehte, jetzt verflogen ist. Viele, besonders junge Europäer, haben ihre Stimme lieber den Populisten mit vermeintlich einfachen Lösungen gegeben. Blöd nur, dass sich der Klimawandel nicht abwählen lässt. Es wird also in Europa deutlich komplizierter werden, nicht nur bei Klima- und Agrarpolitik.
Die deutsche Ampel-Regierung ist nach dem heutigen Wahlabend so geschwächt, dass sie dabei in der EU keine große Hilfe sein wird.
Anne Gellinek ist stellvertetende ZDF-Chefredakteurin und Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Aktuelles

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