: Verband: Aussagen von Lindner "unsäglich"

22.08.2023 | 05:41 Uhr
Kinderarmut in Deutschland sei "indiskutabel hoch" wegen Familien, die seit 2015 eingewandert seien. Das sagte Finanzminister Christian Lindner und erntet dafür nun Kritik.
Erntet aktuell Kritik für seine Aussagen zur Kinderarmut in Deutschland: Finanzminister Christian Lindner.Quelle: dpa
Bundesfinanzminister Christian Lindner erntet für seine Aussage zu Kinderarmut in Deutschland massive Kritik von Sozialverbänden. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten":
Ich halte es für unsäglich, wenn der Finanzminister nun anfängt, arme Kinder aus Deutschland auszuspielen gegen die Kinder, die mit ihren Familien aus der Ukraine zu uns flüchten mussten.
Ulrich Schneider, Paritätischer Gesamtverband

Lindner äußert Zweifel an Paus' Kindergrundsicherung

Lindner hatte Zweifel am Konzept der Kindergrundsicherung von Familienministerin Lisa Paus angemeldet, mit der die Politikerin der Grünen Leistungen für Familien zusammenfassen und zugleich erhöhen will.
Von Kinderarmut seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien, sagte Lindner (FDP) am Sonntag.
Er wolle gerne diskutieren, wie man diesen Kindern und Jugendlichen am besten helfen könne. Dabei stellte er die Frage in den Raum:
Hilft man ihnen am besten dadurch, dass man den Eltern mehr Geld aufs Konto überweist?
Christian Lindner, Bundesfinanzminister
"Oder ist nicht vielleicht mindestens diskussionswürdig, in die Sprachförderung, Integration, Beschäftigungsfähigkeit der Eltern zu investieren und die Kitas und Schulen für die Kinder so auszustatten, dass sie vielleicht das aufholen können, was die Eltern nicht leisten können?"
Theo Koll erklärt die Auseinandersetzung um die Kindergrundsicherung:

Die Koalition kommt einfach nicht zur Ruhe. Kaum ist die Sommerpause vorbei, schon gibt es wieder Streit.

18.08.2023 | 01:14 min

Verband: Vorstoß Lindners "Affront" gegen von Armut betroffene Kinder

Natürlich brauche es für diese Familien besondere Angebote und es sei auch richtig, dass Eltern befähigt werden sollten, in Arbeit zu kommen, sagte Schneider dazu. "Das darf doch aber kein Argument sein, um Kinder in Armut zu belassen". Ähnlich äußerte er sich in den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Da sagte er:
Es entsteht der Eindruck, dass Lindner versucht, die Kindergrundsicherung als wirkungsvolles Instrument gegen Armut zu verhindern.
Ulrich Schneider, Paritätischer Gesamtverband
Auch der Chef des Verbands Bildung und Erziehung, Gerhard Brand, sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten": "Der Vorstoß von Bundesfinanzminister Christian Lindner ist ein Affront gegen von Armut betroffene Kinder."
Reich oder Arm, Rechts oder Links, Hetero oder LGBTQ* - die Fronten in unserer Gesellschaft verhärten sich:

Dabei wissen Menschen seit eh und je: Wenn sie zusammenhalten, erreichen sie mehr.

06.08.2022 | 29:45 min

Worauf Lindners Zahlen zur Kinderarmut beruhen

Nach den Aussagen von Lindner zur Kinderarmut in Deutschland hatte ZDFheute den Finanzminister gefragt, welche Zahlen er verwende. Ein Sprecher seines Ministeriums verwies auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit, wo man wiederum auf folgende Zahlen hinwies:
  • Im Jahr 2015 haben etwa 1,5 Millionen Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit Hartz IV bezogen.
  • Im März 2023 waren es nur noch circa 1,02 Millionen Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit (aus Hartz IV ist inzwischen das Bürgergeld geworden).
  • Im Jahr 2015 haben 366.000 Kinder mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit Hartz IV bezogen.
  • Im März 2023 hat sich deren Anzahl auf 933.000 erhöht.

Ökonom: Irrelevant, welche Herkunft ein von Armut betroffenes Kind hat

Laut dem Ökonomen Marcel Fratzscher belegten diese Zahlen aber nicht, dass es einen Zusammenhang zwischen Migration und Kinderarmut gebe. Schließlich sei statistisch gesehen arm, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat.
Weil aber seit 2015 "noch ärmere Menschen hinzugekommen sind", sinke das mittlere Einkommen. So kritisierte Fratzscher auf X (früher Twitter):
Armut ist Armut. Es ist moralisch, wirtschaftlich und sozial irrelevant, welche Hautfarbe, Herkunft etc. ein von Armut betroffenes Kind hat.
Marcel Fratzscher, Ökonom
Woher Lindners Zahlen kommen und wie Ökonomen und Politik darauf reagieren, lesen Sie hier:
Quelle: dpa, ZDF

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