: Warum Deutschland neue Gaskraftwerke baut

von Moritz Zajonz
24.03.2024 | 10:42 Uhr
Die Bundesregierung will neue Gaskraftwerke bauen lassen. Dabei soll unser Strom doch immer grüner werden. Wie passt das zur Energiewende?

Woher kommt der Strom bei zu wenig Wind und Sonne? Mit der Kraftwerksstrategie werden Gaskraftwerke subventioniert, um die Energieversorgung in "Dunkelflauten" sicherzustellen.

05.02.2024 | 01:40 min
Die Bundesregierung will neue Gaskraftwerke bauen lassen. Sie sollen als Notlösung dienen, falls den Erneuerbaren mal die Puste ausgeht. Wenn sie irgendwann mit grünem Wasserstoff betrieben werden, wären sie sogar klimafreundlich.

Ausstieg aus der Kohlekraft

Deutschland muss nämlich eigentlich aus den fossilen Energien raus, um die eigenen Klimaschutzziele einzuhalten: bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein. Die Stromerzeugung spielt dabei eine wichtige Rolle, sie macht etwa ein Drittel der ausgestoßenen Treibhausgase aus.
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Der hohe Anteil der Stromerzeugung am Treibhausgasausstoß liegt an den fossilen Energieträgern: Sie erzeugen pro Kilowattstunde zigfach mehr Treibhausgase als erneuerbare Energien. Strom aus Kohle ist nochmal deutlich schädlicher für das Klima als Erdgas.
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Bis spätestens 2038, besser bis 2030, will Deutschland die Kohle los sein. Erdgas ist jedoch ebenfalls klimaschädlich: Wieso sollen jetzt dennoch Gaskraftwerke gebaut werden? Der Grund liegt in der Natur der Erneuerbaren.

Windkraft und Photovoltaik schwanken stark

Der Kohle-Strom muss ersetzt werden. Zuletzt haben Braun- und Steinkohle zusammen noch etwa ein Viertel des Stromverbrauchs in Deutschland abgedeckt.

Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien auf mindestens 80 Prozent steigen. Wie Windkraft effektiver genutzt werden kann, wird in der neuen Anlage WiValdi erforscht.

15.08.2023 | 01:28 min
Stattdessen soll der Strom aus den erneuerbaren Energien kommen, allen voran Windkraft und Photovoltaik, auch Solarkraft genannt. Der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch ist über die letzten 20 Jahre enorm gestiegen: 2023 lag er bei 51,8 Prozent. Bis 2030 soll der Anteil bei 80 Prozent oder höher liegen.
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Windkraft und Photovoltaik werden zentral für den Ausbau der Erneuerbaren sein: Diese beiden Formen allein hatten 2023 einen Anteil von 38,6 Prozent am Stromverbrauch.
Das Problem: Sie können nicht durchgehend Strom erzeugen, sie sind auf Wind und Sonnenlicht angewiesen. Die Menge an erzeugtem Strom schwankt im Vergleich zu Kohle- und anderen konventionellen Kraftwerken stark. Vorausplanen lassen sich Windflauten und Wolkendecke auch nur bis zu einem gewissen Grad.
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Damit wir auch genug Strom zur Verfügung haben, wenn es mal zu wenig weht oder zu viele Wolken aufgezogen sind, braucht es mehrere Lösungsstrategien, die ineinandergreifen.

Back-up-Kraftwerke

Zum einen können andere Kraftwerke kurzfristig einspringen und Strom aus anderen Quellen erzeugen. Am besten eignen sich Gaskraftwerke. Atom und Kohle laufen zu wenig, als dass sich die Investitionen lohnen würden, und lassen sich weniger gut spontan hoch- und runterfahren.
Durch die geringen Volllaststunden und hohen Anforderungen an eine flexible Betriebsführung scheiden aus heutiger Sicht Kern- und Kohlekraftwerke als Back-up-Kapazitäten aus.
Patrick Jochem, Institut für Vernetzte Energiesysteme, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (Frühling 2023)
Offen ist noch, wie viel Leistung in Form von Back-up-Kraftwerken bereitstehen müsste, damit die Stromversorgung möglichst gut abgesichert ist. Die von der Bundesregierung angekündigten zehn Gigawatt liegen eher am unteren Ende der Szenarien, die Forschende hierfür berechnen.

Wasserstoff als Stromspeicher

Ein anderer Vorteil von Gaskraftwerken: Die neuen Kraftwerke sollen "H2-ready" gebaut werden, also die Voraussetzungen mitbringen für die Verbrennung von Wasserstoff.

Mit der neuen Kraftwerksstrategie sollen vier Gaskraftwerke auf Wasserstoff umgerüstet werden. Aber auch weitere Energiequellen sollen genutzt werden, so Karl Hinterleitner.

05.02.2024 | 01:25 min
Mit Wasserstoff ließe sich Ökostrom speichern: Wenn die Wasserstoffwirtschaft läuft, kann bei Stromüberproduktion aus erneuerbaren Energien sogenannter grüner Wasserstoff produziert und eingelagert werden. Strom daraus wäre dann klimaneutral.

Knackpunkt Infrastruktur

Heute werden vor allem Windkraftanlagen immer wieder abgeregelt, weil sie zu viel Strom produzieren. Das Netz ist nicht ausgebaut, um ihn zu den Verbrauchern wie Haushalten und Industrie zu transportieren. Mit einer Wasserstoffwirtschaft ließe sich der überschüssige Strom speichern und über die Gasleitungen verteilen.
Allerdings wird es noch dauern, bis die Infrastruktur dafür ausgelegt ist und Wasserstoff vor allem in der ersten Zeit voraussichtlich eher teuer sein. Forschende gehen davon aus, dass ein Großteil des benötigten Wasserstoffs importiert werden wird.

Wind und Sonne liefern einen immer größeren Anteil unseres Stroms. Doch was machen wir bei Flaute und Dunkelheit? Scheitert die Energiewende an fehlenden Speichern?

16.04.2023 | 28:30 min
Die geplanten Gaskraftwerke allein werden nicht ausreichen. Wichtig wird daneben auch sein, den Verbrauch flexibler zu gestalten und das deutsche und europäische Stromnetz auszubauen.
Jan Wohland vom Department Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich sagt dazu: "Beispielsweise produzieren Solarpaneele in Spanien noch Strom, wenn in Deutschland die Sonne schon untergegangen ist und Solarpaneele in Griechenland produzieren bereits, wenn es in Deutschland noch dunkel ist."

Batterien und andere Speicher

Neben Wasserstoff als Speichermedium könnte überproduzierter Strom auch in Batteriespeichern vorgehalten werden. Daneben existieren noch weitere Speicherformen, zum Beispiel Pumpspeicher, die heute schon flexibel Strom speichern können.

Flexiblerer Verbrauch

Wenn der Stromverbrauch besser über den Tag verteilt oder beispielsweise bei Windflauten und Wolken kurzfristig reduziert werden kann, braucht es weniger Back-up-Kraftwerke und Speicher.

Hier lautet ein Stichwort "Smart Meter", verbundene Stromzähler: Bei Bedarf könnten damit beispielsweise Wärmepumpen oder der Ladevorgang von E-Autos gesteuert werden. E-Autos könnten zudem als zusätzliche Stromspeicher ins Netz eingebunden sein.

Ausbau des Stromnetzes

Auch der Ausbau des Stromnetzes würde helfen, das Stromsystem abzusichern. Nicht nur innerhalb Deutschlands, auch europaweit würde eine bessere Vernetzung helfen, um Spitzen im Verbrauch und bei der Erzeugung besser verteilen zu können. Wenn es beispielsweise in Norddeutschland windstill ist, kann es in Spanien Überschuss geben und Strom importiert werden.
Redaktion: Robert Meyer, Kathrin Wolff

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