: Droht Kostenlawine für Krankenversicherte?

von Klaus Weber
24.04.2024 | 12:48 Uhr
2025 könnte ein unangenehmes Jahr für alle Krankenversicherten werden. Die Kassen drohen mit einer Kostenerhöhung wie noch nie. Was sind die Gründe?
Die Beiträge könnten 2025 deutlich steigen, warnen gesetzliche Krankenkassen.Quelle: dpa
Spätestens als die Chefin des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) Alarm schlug, war klar: Die Sache ist ernst.
Ohne Gegensteuern drohen 2024 und 2025 massive Beitragserhöhungen.
Anne-Kathrin Klemm, Dachverband der Betriebskrankenkassen
So warnte Anne-Kathrin Klemm, in einem Interview mit dem "Handelsblatt". Es seien einfach keine Finanzreserven mehr im System. Eigentlich entscheiden die Krankenkassen erst im Dezember über Beitragserhöhungen, deswegen lässt der frühe Zeitpunkt der Medien-Offensive des Verbandes aufhorchen.

Zusatzbeitrag steigt wohl

Der Beitrag, den jeder gesetzlich Versicherte zahlen muss, besteht aus dem Basissatz und dem sogenannten Zusatzbeitrag, der je nach Kasse unterschiedlich ausfällt. Der aktuelle Basissatz der Versicherten beträgt 14,6 Prozent.
Der Zusatzbeitrag, der zur Zeit im Schnitt bei 1,7 Prozent liegt, könnte im Extremfall auf 2,45 Prozent steigen. Dies wäre ein Rekordanstieg für die 73 Millionen gesetzlich Versicherten im Land. In Lohnkosten ausgedrückt dürften so zwischen 120 und 200 Euro vom Nettolohn verloren gehen.

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Gründe für den Anstieg

Die Diskussion kommt nicht von ungefähr. Weit über 400 Milliarden Euro gab Deutschland zuletzt für Gesundheit aus, so viel pro Kopf wie kaum ein anderes Land der Welt. Rund die Hälfte davon tragen die gesetzlichen Krankenkassen (GKV), die seit Jahren immer höhere Defizite einfahren. Auch 2023 stiegen die Ausgaben wieder stärker als angenommen. Die Kassen der Kassen leeren sich rapide.
Vor allem die Krankenhäuser verschlangen viel Geld. Für Gesundheitsökonom Hartmut Reiners, zunächst einmal nichts Ungewöhnliches: "Eigentlich sind steigende Gesundheitsausgaben normal. Aber sie drohen aus dem Ruder zu laufen, wenn Strukturreformen unterbleiben. Die hat es seit 20 Jahren nicht mehr gegeben, mit gravierenden Folgen."

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Kassen befürchten teure Reformen

Jetzt sollen endlich die angemahnten Reformen kommen, aber genau dort sehen die Kassen das größte Potential für weitere Kostensteigerungen.
Beispiel Medizinforschungsgesetz: Dieses soll die Zulassung von Medikamenten einfacher machen. Der Forschungsstandort Deutschland soll gestärkt, die Abhängigkeit vom Ausland verringert werden. Allerdings sicherte man den Pharmaunternehmen zu, dass sie die Preisgestaltung geheim halten dürfen. Für die Kassen ein rotes Tuch. Sie befürchten Preistreiberei.
Auch an der Krankenhausreform üben die Kassen viel Kritik. Sie sei viel zu teuer und der Beitrag von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, den die Kassen mitfinanzieren sollen, nicht zu stemmen. Daneben hat laut Hartmut Reiners, "das Gesundheitswesen generell überdurchschnittliche Ausgabenzuwächse, weil seine Leistungen weniger rationalisierbar sind als die Produktion von Konsumgütern".

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Duales System in der Kritik

Ein Dilemma, wenn man an die Altersstruktur unserer Gesellschaft denkt, welche das System weiterhin unter Druck halten wird. Für Hartmut Reiners stellt sich deshalb auch die Frage nach dem Sinn einer Trennung zwischen privat und gesetzlich Versicherten: "Ein solches System ist ökonomisch unsinnig und in Europa einmalig."
Die Beitragssätze der Krankenkassen könnten in einem einheitlichen Krankenversicherungssystem wie in den Niederlanden um bis zu drei Prozentpunkte niedriger sein, wie Modellrechnungen ergeben haben.
Hartmut Reiners, Gesundheitsökonom
Doch solche fundamentalen Veränderungen sind in einem Land, in dem man seit vielen Monaten erbittert und auf allen Ebenen um eine Krankenhausreform streitet, kaum zu erwarten. Deshalb wird es wohl kommen wie von den Krankenkassen angekündigt. Die Beitragszahler werden 2025 kräftig zur Kasse gebeten. Und so bleibt ihnen wohl nur: Preise vergleichen und über einen Kassenwechsel nachdenken.

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