: Mehrweg-Angebotspflicht - ein Rohrkrepierer?

20.12.2023 | 08:41 Uhr
Mangelnde Umsetzung, fehlende Kontrollen: Bei der Pflicht zum Mehrweg-Angebot in der Gastronomie fordern Umwelt- und Verbraucherschützer eine Reihe von Nachbesserungen.
Auch für Getränke müssen Gastrounternehmen, die Speisen für unterwegs verkaufen, eine Mehrweg-Alternative anbieten. Quelle: dpa
Auch knapp ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Mehrweg-Angebotspflicht für Speisen zum Mitnehmen beklagen Umwelt- und Verbraucherschützer eine mangelnde Umsetzung und fehlende Kontrollen. Von einem "Rohrkrepierer" spricht beispielsweise Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, und mahnt Nachbesserungen an. Der dpa sagte Fischer:
Was schlecht angefangen hatte zum Jahresbeginn, hat sich leider wie ein roter Faden bis zum Ende dieses Jahres durchgezogen.
Thomas Fischer, Deutsche Umwelthilfe
Bei mehreren Durchgängen von Testbesuchen hätten Gastronomieunternehmen von Mehrweg-Quoten im niedrigen einstelligen Prozent-Bereich berichtet. Gemessen an den ursprünglichen Zielen seien das "desolate Ergebnisse".

Mehrwegverpackungen - was für die Gastronomie gilt

Restaurants, Bistros und Cafés, die Essen für unterwegs verkaufen, müssen seit Jahresbeginn neben Einweg- auch Mehrwegverpackungen dafür anbieten - sofern sie Einweg-Verpackungen aus Kunststoff nutzen. Bei Getränken aller Art muss es eine Mehrweg-Alternative geben. Ausnahmen gelten für kleinere Geschäfte, die nicht größer als 80 Quadratmeter sind und höchstens fünf Beschäftigte haben. Dort müssen Kunden aber die Möglichkeit bekommen, eigene Behälter befüllen zu lassen. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 10.000 Euro.

Quelle: dpa

Umwelthilfe moniert mangelnde Kontrollen

Nach den Worten Fischers krankt das Gesetz vor allem an mangelnden Kontrollen und einer fehlenden Sanktionierung von Verstößen.
Ohne Druck, ohne Zwang wird sich nichts daran ändern, dass viele Gastronomen die Mehrwegangebotspflicht nicht ernst nehmen.
Thomas Fischer, Deutsche Umwelthilfe
Hinzu komme die nach wie vor schlechte Information der Verbraucher, die Hinweise auf Mehrweg-Behälter häufig gar nicht wahrnähmen. Die Anbieter versuchten offenbar, "sich Mehrweg gezielt vom Hals zu halten, indem die Information schlecht gemacht wird, leicht zu übersehen ist".
Der eigentlich einfachste Hebel für bessere Kundeninformationen - nämlich mündliche Hinweise des Verkaufspersonals - habe man im gesamten Jahr bei fast 100 Testbesuchen nicht in einem einzigen Fall feststellen können, sagte Fischer. Der Gesetzgeber müsse die Informationspflichten daher viel enger fassen.

Einheitliche Rückgabemöglichkeit gefordert

Problematisch seien auch die vielen unterschiedlichen Mehrweg-Behälter. Es gelte, wegzukommen von diesem Wirrwarr - und hin zu einer einheitlichen Branchenlösung mit einem flächendeckenden Netz von Rückgabemöglichkeiten, sagte Fischer.
Für wichtig hält er zudem finanzielle Anreize wie im Fall von Tübingen: Die dort geltende Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck war im Mai vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig für zulässig befunden wurde. Eine Franchisenehmerin der Fastfood-Kette McDonald's hatte dagegen Verfassungsbeschwerde erhoben, eine Entscheidung steht noch aus.

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Auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sieht schwere Mängel beim Gesetz - allen voran den, dass es nur auf Einwegverpackungen für Speisen aus Kunststoff abstelle, obwohl andere Verpackungsarten ökologisch genauso schlecht oder noch schlimmer seien, sagt Philip Heldt, Referent für Ressourcenschutz bei der Verbraucherzentrale NRW. Das führe zu einem Ausweichen auf Pappverpackungen.
Die Verbraucherschützer hatten rund 400 Betriebe unter die Lupe genommen. Etwa die Hälfte davon hätte von der Größe und den Gegebenheiten Mehrweg-Angebote für Speisen zum Mitnehmen führen müssen. Doch wiederum davon nur etwa die Hälfte habe dies tatsächlich getan.
Dass kaum Kontrollen stattfinden, liege nicht nur an der personellen Unterbesetzung der Überwachungsbehörden, sondern auch an den komplexen Regelungen des Gesetzes, das auch Fragen aufwerfe. Es fehlten "klare Vollzugsanweisungen".

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Auch der Gastronomieverband Dehoga hält die Bestimmungen für unklar. Erst im Mai 2023 - Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes - sei ein behördlicher Leitfaden veröffentlicht worden. Aber auch dieser "hat leider nicht alle Fragen beantwortet", erklärte Uta Stenzel, Referentin für Lebensmittel- und Verbraucherschutzrecht beim Branchenverband Dehoga.
Generell bedeute das Gesetz einen erheblichen Aufwand und Kosten - "und das alles in Zeiten weiterer großer Herausforderungen, die die Betriebe aktuell zu bewältigen haben".
Quelle: dpa

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