: Die Angst vor dem AfD-Durchmarsch im Osten

von Christiane Hübscher
01.01.2024 | 15:50 Uhr
Ein AfD-Ministerpräsident namens Höcke - ein Szenario, das zumindest nicht mehr völlig undenkbar ist. ZDFheute spricht mit Politprofis über die AfD-Wahlchancen in diesem Jahr.

Die Europawahl im Sommer macht den Auftakt - im September dann die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Erlebt Deutschland sein blaues Wunder mit zwei AfD-Landesverbänden?

29.12.2023 | 03:04 min
Und plötzlich sind es nur noch acht Monate bis zur Landtagswahl in Thüringen am 1. September. Der dortige AfD-Chef Björn Höcke hat beim vergangenen Landesparteitag das Ziel klar benannt: Man wolle "die Machtfrage stellen". Und schiebt im MDR-Interview hinterher: "Wenn wir wirklich in Richtung vierzig Prozent gehen sollten, dann kann man so eine starke Fraktion nicht mehr von der Regierung fernhalten."
Dabei fehlt der Rechtsaußen-Partei nicht nur in Thüringen weiter jede echte Machtoption, will doch keine andere Partei mit der AfD zusammenarbeiten. Dennoch, das Gespenst ist im Raum: Ein Ministerpräsident Höcke, kann das passieren?

Szenarien für einen AfD-Ministerpräsidenten Höcke

Politikberater Johannes Hillje beschreibt gegenüber ZDFheute gleich mehrere Szenarien dafür. "Sollten FDP und Grüne an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, könnte die AfD eine absolute Mehrheit im Landtag erreichen. Aber auch ohne absolute Mehrheit könnte Höcke in einem dritten Wahlgang gewählt werden, sollten sich die anderen Parteien nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen."

Erstmals gewinnt die AfD eine Oberbürgermeisterwahl in Deutschland. Im sächsischen Pirna erreichte Tim Lochner im zweiten Wahlgang einen Stimmenanteil von 38,5 Prozent.

18.12.2023 | 02:01 min
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Uni Kassel hält einen Ministerpräsidenten Höcke für wenig realistisch. "Wäre Thüringen ein eigenes souveränes Land, so wäre dies vorstellbar - als Teil der Bundesrepublik gegenwärtig nicht."

AfD im Osten klar vorn

Nicht nur die Thüringen-Wahl dürfte extrem spannend werden, auch die Sachsen wählen am selben Tag einen neuen Landtag - hier ist die aktuelle Regierung unter CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer stark gefährdet. Ende September folgt Brandenburg, wo die AfD ebenso vorne liegt.
Im ganzen Osten hat die AfD seit Monaten einen Lauf. Laut einer Verian-Umfrage im Auftrag des "Spiegel" würden in Ostdeutschland 32 Prozent die AfD wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Der erste wichtige Urnengang des Jahres aber kommt schon mit der Europawahl am 9. Juni, am selben Sonntag finden auch in allen fünf ostdeutschen Bundesländern Kommunalwahlen statt. Dabei könnte die AfD ihre Erfolgsserie fortsetzen und in zahlreiche Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte einziehen.

Ein CDU-Abgeordneter will die AfD verbieten lassen. Hat das Vorhaben überhaupt eine Chance? Und welche Auswirkungen könnte es haben?

22.12.2023 | 14:26 min

Ist das Rennen also schon gelaufen?

Trotzdem sei alles noch offen, sagt Johannes Hillje. Der Wahlkampf und die dynamische politische Lage könnten noch vieles verändern.
Derzeit denken die Wählerinnen und Wähler noch wenig über die Wahl im September nach und die Umfragen sind auch noch stark vom Bundestrend geprägt.
Johannes Hillje, Politikberater
Gerade in Thüringen dürfte es auf den amtierenden Ministerpräsidenten der Linken ankommen: "Ramelow ist mit Abstand der beliebteste Kandidat. Je mehr die Menschen über den nächsten Ministerpräsidenten nachdenken werden, desto wichtiger werden solche Beliebtheitswerte".

Vordergründig geht es um die Änderung eines Waldgesetzes. Im Hintergrund geht es um mehr: Bröckelt die Brandmauer der CDU zur AfD in Thüringen weiter? Melanie Haack berichtet.

08.12.2023 | 01:55 min
Wolfgang Schroeder sieht das ähnlich: "Die Stimmung scheint gefestigt, ist aber nicht wirklich zementiert."
Die überwältigende Mehrheit ist gegen Höcke. Sie muss aber auch wählen gehen.
Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler

Jagt Wagenknecht der AfD Wählerstimmen ab?

"Sollte Wagenknechts Partei antreten, werden die Karten neu gemischt", ist sich Politikberater Hillje sicher. Sahra Wagenknecht hat noch nicht entschieden, ob sie mit ihrer neuen Partei, die sie in wenigen Tagen auch formal gründen will, bei den Ost-Wahlen antreten will. Niemand aus den anderen Parteien spricht es laut aus, aber es gibt sie, die Hoffnung, dass Wagenknecht der AfD ein paar entscheidende Prozente abjagen könnte.
Sich nur darauf verlassen, sei jedoch keine gute Idee, so Politikprofessor Schroeder. Alle anderen Parteien bräuchten dringend eine eigene positive Erzählung, die die Vorbehalte der Unentschlossen nicht ignoriere. Das sei "mindestens so wichtig, wie gegen Höcke zu mobilisieren", so Schroeder.

Sahra Wagenknecht gründet im Bundestag eine eigene Gruppe. Mit dem Austritt des Wagenknecht-Flügels hatte die Linke ihren Fraktionsstatus im Bundestag verloren.

12.12.2023 | 02:39 min

Politikwissenschaftler sieht Hausaufgaben für die Union

Wenn es dann doch passiert, braucht es den Schulterschluss der Demokraten gegen Rechtsextreme, sagt Johannes Hillje. Doch besonders Thüringen könnte nach der Wahl leicht in ein "Unregierbar-Szenario" rutschen, wenn die Union daran festhält, dass sie weder mit der Linken noch der AfD zusammenarbeite.
"Vor der Wahl könnte es für die CDU aus taktischen Gründen sinnvoll sein, zur Linken zu schweigen", so Hillje. "Denn bei jeder öffentlichen Festlegung müssen potenzielle Wechselwähler zwischen CDU und AfD mitbedacht werden."
Wolfgang Schroeder kritisiert eine zu starke Vergangenheitsfixierung bei der CDU. "Sie muss ihre Hausaufgaben machen und die eigene Partei für die zentralen Herausforderungen der Gegenwart öffnen, statt daraufzusetzen, von der SED-Vergangenheit der Linken zu profitieren."
Christiane Hübscher ist Korrespondentin im ZDF Hauptstadtstudio Berlin.

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