: Weidel tappt in KI-Falle von AfD-Parteifreund

von Oliver Klein
02.06.2024 | 16:33 Uhr
AfD-Chefin Weidel ist auf eine gefälschte Pressemitteilung hereingefallen - die ausgerechnet ein parteiinterner Gegenspieler erstellt hatte. Der Vorfall sorgt für Empörung.
AfD-Chefin Alice Weidel: "Eine Schande ist das, widerwärtig." (Archivbild)Quelle: dpa
Die Stimmung in der Stadthalle von Kirchheimbolanden ist aufgeheizt. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel am Rednerpult empört sich lautstark: "Eine Schande ist das, widerwärtig!", schimpft sie, unter dem frenetischen Applaus des Publikums.
Grund für Weidels Empörung: Eine angebliche Stellungnahme der Bundesinnenministerin Nancy Faeser zum Anschlag in Mannheim eines afghanischen Geflüchteten auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger. Dabei war auch ein Polizist schwer verletzt worden, er verstarb am Sonntag.
Weidel zitiert aus der vermeintlichen Pressemitteilung des Ministeriums, in der es heißt, Faeser appelliere an die Öffentlichkeit, das Video nicht weiter zu verbreiten, weil es die Persönlichkeitsrechte von Täter und Opfer verletze. Zudem könne das Video extremistischen Gruppen, und "insbesondere der AfD in die Hände spielen".
Ausschnitt aus der Weidel-Rede von Kirchheimbolanden

Fake-Pressemitteilung mit ChatGPT erstellt

Das Problem: Eine solche Pressemitteilung des Innenministeriums hat es nie gegeben. Was Weidel in Kircheimbolanden vorlas, war ein KI-generierter Fake, also frei erfunden - und zwar ausgerechnet von einem AfD-Kollegen: Reimond Hoffmann, Schriftführer im AfD-Landesverband Baden-Württemberg, hatte den Text mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz ChatGPT erstellen lassen. Er gab vor "der Regierung helfen" zu wollen: "Deshalb habe ich eine Pressemitteilung mit ChatGPT für Nancy Faeser geschrieben. Gerne als Vorlage für Mannheim", postete Hoffmann bei X.
Hoffmanns Vorgaben wurden von der KI exakt umgesetzt. Er legte zwar noch einen grauen Schriftzug "Satire" wie ein Wasserzeichen über den Text - doch Weidel fiel das offenbar nicht auf. Sie nahm die Fantasie-Pressemitteilung für bare Münze.
Posting von Reimond Hoffmann bei X (Screenshot)Quelle: X/Reimond Hoffmann

Weidel gibt Fehler zu

Als der Schwindel aufflog, verschickte sie über X eine Erklärung, in der sie zugab: "Da sind wir bei der Recherche einem Fake aufgesessen, was uns sehr leid tut." Der Tenor bleibe jedoch richtig, so Weidel: Faeser brüste sich damit, schon immer vor solchen Tätern gewarnt zu haben, lasse sie aber "trotzdem unbehelligt gewähren". Daher sei sie "in diesem Amt fehl am Platz."
Im offiziellen AfD-Kanal bei Youtube sind die Szenen aus Kirchheimbolanden nicht mehr verfügbar. Aber Kopien des Videos kursieren weiter auf verschiedenen Plattformen, unter anderem bei Youtube oder TikTok - mit teilweise Hunderttausenden Aufrufen und Tausenden empörten Kommentaren.

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Ministerium reagiert ebenfalls empört

Die Empörung gilt aber meist nicht der Tatsache, dass Weidel ein erfundenes Statement verbreitete, sondern der Innenministerin: "Faeser gehört sofort entlassen und vor Gericht", schreibt ein AfD-Anhänger bei Youtube, ein anderer fordert bei TikTok die Todesstrafe für sie.
Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf interne Spannungen in der AfD: Hoffmann gehört zum Lager von Gegnern Weidels. Seinetwegen kam es im Februar beim Sonderparteitag in Rottweil sogar zu Tumulten: Hoffmann wollte die Veranstaltung direkt zu Beginn abbrechen lassen - offenbar, um zu verhindern, dass die Weidel-nahe Führungsspitze der AfD in Baden-Württemberg wiedergewählt werden kann. Das misslang. Ausgerechnet er lieferte jetzt den Anlass für eine Blamage der Parteichefin.
Faesers Ministerium reagierte am Sonntag seinerseits empört: "Wir wenden uns entschieden gegen Desinformation und gegen die Instrumentalisierung der furchtbaren Gewalttat in Mannheim", hieß es in einem Statement bei X. Trotz Korrektur verbreite sich die Falschinformation weiter.

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Der Vorfall kommt für die AfD zur Unzeit. Eine Woche vor der Europawahl schwächelt die Partei in den Umfragen, bei der Kommunalwahl in Thüringen blieb der von vielen erwartete Siegeszug aus. Grund sind wohl vor allem die Skandale der Spitzenkandidaten Krah und Bystron.

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