: Drohnen-Boote jagen russische Kriegsschiffe

von Nils Metzger
30.10.2022 | 17:14 Uhr
Mit ferngesteuerten Drohnen-Booten hat die Ukraine russische Kriegsschiffe in Sewastopol attackiert. Es gibt Videoaufnahmen. Was kann die neue Geheimwaffe bewirken?
Sie wurde mit Drohnen-Booten angegriffen: Russlands Fregatte "Admiral Makarow" in Sewastopol im Jahr 2019.Quelle: dpa
Seit Monaten macht die Ukraine Jagd auf die russische Schwarzmeerflotte. Am Samstag gelang ihr dabei mindestens ein Propagandaerfolg. Russland bestätigte einen Angriff auf Schiffe und Militäranlagen in der Krim-Hafenstadt Sewastopol. Dabei seien neben Flugdrohnen auch unbemannte, ferngesteuerte Boote zum Einsatz gekommen.

Was ist zum Drohnen-Angriff auf Sewastopol bekannt?

Es ist der erste bestätigte Einsatz dieser mit Sprengstoff beladenen ukrainischen Drohnen-Boote. Mindestens drei russische Kriegsschiffe sollen attackiert worden sein, darunter die fast 125 Meter lange russische Fregatte "Admiral Makarow" und das Minensuchboot "Iwan Golubez".
Die "Admiral Makarow" ist eines der neuesten Schiffe der russischen Marine, wurde erst 2017 in Dienst gestellt. Nach der Versenkung der "Moskwa" im April war sie de facto das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte. Über das Ausmaß der Schäden ist bislang wenig bekannt; laut dem russischen Verteidigungsministerium sind sie "gering".

Videoaufnahmen sollen den Angriff zeigen

Eine offizielle Bestätigung des Angriffs von Seiten des ukrainischen Militärs existiert bislang nicht, was mit Blick auf zurückliegende Spezialoperationen auf der besetzten Krim jedoch nicht ungewöhnlich ist.
Noch am Samstag verbreiteten ukrainische Journalisten mehrere Videoaufnahmen, die den Angriff zeigen sollen. Gefilmt sind sie mit Kameras knapp über der Wasseroberfläche an Bord der unbemannten Boote.
Dabei ist unter anderem zu sehen, wie sie sich einem vielfach größeren Schiff mit der Silhouette der "Admiral Makarow" nähern. In einem der Videos schlagen rings umher Geschosse in die Wasseroberfläche ein.
Videoaufnahme soll mutmaßlichen Angriff zeigen

Wie funktionieren die Drohnen-Boote?

Zu den Drohnen-Booten selbst existieren bislang kaum gesicherte Informationen. Den wenigen vorhandenen Bildern zufolge sind sie kaum vier Meter lang und vollständig ummantelt. Die genaue Art der Explosivladung ist ebenfalls unbekannt.
Bereits Mitte September war an der Küste nahe Sewastopol, über 250 Kilometer entfernt von der ukrainisch kontrollierten Küste, ein erstes Drohnen-Boot angeschwemmt worden. Mehrere Fotos verbreiteten sich damals in den sozialen Medien. Mehrere darauf erkennbare bauliche Details passen exakt zu den jetzt kursierenden Videos. Es liegt also nahe, dass die Ukraine den Einsatz dieser Geheimwaffe bereits zuvor getestet hat.
Die von der Ukraine bei ihrem Angriff auf die russische Marine in Sewastopol heute genutzte Drohnen-Art ist ohne Zweifel die gleiche, die zuvor in der Nähe der Basis gefunden wurde.
Marine-Experte H.I. Sutton auf Twitter
Marine-Experte H.I. Sutton zum Drohnen-Angriff
"Eine Theorie ist, dass das Gerät dazu designt ist, andere Fahrzeuge zu rammen und zu explodieren, wie eine moderne Interpretation eines Sprengboots. Das erklärt auch die Ansammlung an Sensoren am Bug", schrieb Sutton in einer Analyse im September. Diese Erklärung scheint sich nun bestätigt zu haben.
Auch andere Staaten, etwa Iran, haben in jüngster Zeit mit ferngesteuerten Bomben-Booten experimentiert. Bislang ist jedoch nicht bekannt, dass außer der Ukraine ein anderes Land diese Bauart an Drohnen-Booten besitzt oder eingesetzt hat. Es könnte sich also um eine ukrainische Eigenentwicklung handeln.
Am Sonntag teilte das russische Verteidigungsministerium mit, dass man bei der Untersuchung der Wrackteile angeblich kanadische Steuerungstechnik identifiziert hätte. Unabhängig überprüfbar ist dieser Vorwurf nicht.

Welche Folgen hat der Drohnen-Angriff?

Bislang gibt es keine Anzeichen, dass Russland tatsächlich Schiffe in Folge der Drohnen-Attacke verloren haben könnte. Eine stetige Gefahr durch kleine, schwer auffindbare Boote könnte den Aktionsradius russischer Schiffe noch weiter einschränken oder etwa verhindern, dass sie allein und ohne zusätzlichen Schutz operieren können.
Der Umstand, dass Kriegsschiffe bei diesem ukrainischen Angriff beschädigt wurden, (...) zeigt, dass Russland grundlegende Fähigkeiten zur Hafensicherheit, Aufklärung und Einschätzung der gegnerischen Fähigkeiten fehlen.
Analyse des Fachportals "Navalnews.com"
Bei den Kämpfen in der Ukraine spielen die russischen Schiffe im Schwarzen Meer nur eine reduzierte Rolle. Aus Angst vor Anti-Schiff-Raketen können sie sich der ukrainischen Küste etwa vor Odessa schon länger kaum nähern. Stattdessen überwachen sie den Luftraum um die Krim oder dienen als Startplattform für Marschflugkörper, die Russland Woche für Woche auf ukrainische Städte abfeuert.
Russland bezichtigte Kiew am Samstag indes, mit der Operation einen "Terror-Angriff" auf die zivile Getreideverschiffung im Rahmen des Istanbuler Abkommens durchgeführt zu haben. Moskau kündigte das Abkommen am Samstag darum einseitig auf.
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