: Wie neutral ist Twitter?

08.11.2022 | 08:57 Uhr
Im Endspurt der US-Zwischenwahlen bekommen die Republikaner Rückendeckung von Twitter-Chef Elon Musk. Das wirft die Frage auf, wie neutral der Kurznachrichtendienst sein kann.
Elon Musk empfiehlt über Twitter die Wahl der Republiker bei den Zwischenwahlen.Quelle: imago
Mit dem Erwerb der Social-Media-Plattform Twitter hat Tech-Multimilliardär Elon Musk sich in den Besitz eines der wichtigsten sozialen Netzwerke gebracht. Seinen Account nutzte der 51-Jährige nun, um für die Zwischenwahlen in den USA am heutigen Dienstag eine Wahlempfehlung für die Republikaner auszusprechen.
Elon Musks Tweet zu den Midterms

Wie weit kann Twitter neutral bleiben?

Damit schaltete er sich quasi per Megafon in die politische Debatte des Landes ein, aus der sich die Leiter großer Tech-Firmen ansonsten weitgehend heraushielten - um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ihre Plattformen zögen eine Seite der anderen vor.
Musk, der Twitter für 44 Milliarden US-Dollar gekauft hat, hat auch schon in der Vergangenheit politische Ansichten kundgetan - bei Twitter und auch außerhalb davon. Doch die direkte Unterstützung einer Partei, jetzt, da er die Plattform besitzt, wirft Fragen darüber auf, inwieweit Twitter in der Lage ist, unter der Knute des reichsten Mannes der Welt neutral zu bleiben.

Expertin: Twitter ist nicht "einfach ein Unternehmen"

Es sei eine Sache, wenn sich die Geschäftsführer von amerikanischen Fast-Food-Ketten wie Wendy's oder Chick-fil-A für eine politische Partei stark machten, sagte Jennifer Stromer-Galley, Professorin der Syracuse University, die zu sozialen Medien und Politik forscht. Gänzlich anders gelagert sei es jedoch, wenn sich der Besitzer des prominentesten Informations-Ökosystems so verhalte.
Diese Social-Media-Plattformen sind nicht einfach Unternehmen. Es ist nicht nur ein Geschäft. Es ist auch unsere digitale öffentliche Sphäre. Es ist unser Marktplatz.
Jennifer Stromer-Galley, Professorin der Syracuse University
"Und es fühlt sich so an, dass die öffentliche Sphäre zunehmend privatisiert und von diesen Unternehmen besessen wird - und wenn die Leiter dieser Unternehmen ihren Finger auf die Waage legen, fühlt es sich an, als würde dies unsere Demokratie möglicherweise auf schädliche Weise verzerren."

Wie geht es nun weiter bei Twitter? Während zahlreichen Mitarbeitern per E-Mail gekündigt wird, brechen Musk die Umsätze ein - denn es springen zunehmend Werbekunden ab.

04.11.2022

Unruhige Zeiten für Twitter

Musks Kommentare fallen in eine Zeit, in der er die Plattform neu ausrichten will, in eine Zeit verbreiteter Sorge, dass Massenentlassungen die Plattform außer Stande bringen könnten, mit Hassreden und Falschinformationen umzugehen, die sich auf die Sicherheit von Wählern oder auch auf Akteure auswirken könnten, die Zweifel an den legitimen Siegern von Wahlen säen wollen.
Wenngleich Musk versprochen hat, Twitter nicht zu einer "gesetzesfreien Höllenlandschaft" verkommen lassen zu wollen, haben Werbetreibende die Plattform verlassen und Musk selbst hat zu Fehlinformationen beigetragen.

Konten rechter brasilianischer Abgeordeneter im Fokus

Musks Tweets könnten auch jenseits der US-Wahlen die Weltpolitik durcheinander bringen. Am Sonntag signalisierte Musk seine Bereitschaft, die Zurücknahme der Sperrung von Twitter-Konten rechter brasilianischer Abgeordneter zu erwägen. Das Wahlgericht des Landes hatte in der vergangenen Woche ihre Suspendierung verkündet.
Es handelt sich um Anhänger des rechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der am 30. Oktober die Stichwahl um das Präsidentenamt gegen seinen linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva knapp verlor. Sie hatten zumeist Behauptungen über Wahlbetrug verbreitet.
Paulo Figueiredo Filho, ein politischer Analyst, der Bolsonaro in sozialen Medien oft verteidigt und der Enkel des letzten Präsidenten der Militärdiktatur ist, schrieb, dass Twitter sich zu einem strikten und spontanen Zensor entwickelt habe. Musk antwortete, er werde sich das anschauen. Die Twitter Regeln - mit Stand Montag - verbieten Manipulation oder Einflussnahme bei Wahlen oder anderen zivilgesellschaftlichen Prozessen.
Quelle: Barbara Ortutay, AP

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