: Aufbau Fernost: Scholz ändert Asien-Politik

von Lars Bohnsack, Tokio
18.03.2023 | 14:07 Uhr
Zum ersten Mal tagen die deutsche und die japanische Regierung gemeinsam. Bundeskanzler Scholz will sowohl die wirtschaftliche wie auch die strategische Partnerschaft ausbauen.
In gewisser Weise sind sich der deutsche Bundeskanzler und der japanische Ministerpräsident ähnlich. Beide gelten - vorsichtig formuliert - als Regierungschefs der leisen Töne. Fumio Kishidas zurückhaltende Art erinnert schon ein wenig an das hanseatisch-nüchterne Auftreten des Kanzlers. Damit vermittelt sich bei der Pressekonferenz das Gefühl: Hier sind zwei, die sich verstehen.
Das scheint auch nötig. Der Krieg in der Ukraine hat alte Gewissheiten zerstört. Deutschland braucht laut Olaf Scholz neue und vor allem diversere Wirtschaftsbeziehungen. Und eine strategische Neuordnung. Für beides bietet sich Japan an. Scholz, Robert Habeck, Christian Lindner, Boris Pistorius, Annalena Baerbock, Nancy Faeser, Volker Wissing und eine Wirtschaftsdelegation - schon die deutsche Teilnehmerliste lässt erahnen, wie wichtig dieser Besuch von deutscher Seite genommen wird.
Es ist bereits der zweite Besuch des Kanzlers in Japan. Olaf Scholz korrigiert damit die Ausrichtung der deutschen Außenpolitik in Asien. Seine Vorgängerin Angela Merkel hatte immer China den Vorzug gegeben.

Durch Ukraine-Krieg: Zeitenwende auch in Japan

Seit dem brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine vollzieht sich auch in Japan eine Zeitenwende. Zwar verbietet Japans Verfassung Waffenlieferungen in Krisengebiete, der Inselstaat hat aber wie der Westen Sanktionen gegen Russland verhängt, schickte Schutzausrüstung und Aufklärungsdrohnen in die Ukraine und nimmt Flüchtlinge auf.
Japan sieht sich unmittelbar konfrontiert mit drei Atommächten: China, Russland und Nordkorea. Und schaut besorgt auf Russlands militärische Aufrüstung im fernen Osten. Beide Länder streiten seit Jahren um die Kurileninseln. Beunruhigt ist Japan auch über Russlands strategische Zusammenarbeit mit China, beispielsweise in Form von gemeinsamen Übungen der Marine oder der Luftstreitkräfte. Und Japan fürchtet, dass China in Taiwan dem russischen Beispiel folgen könnte.
All das führte dazu, dass der japanische Ministerpräsident sicherheitspolitische Weichenstellungen vorgenommen hat, die bis dato in einem Land mit einer pazifistischen Verfassung als unmöglich galten. Unter anderem beschloss die Regierung eine deutliche Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Ziel der Bundesregierung: Unabhängiger werden

Am Samstag erklärte der Bundeskanzler in der Pressekonferenz Japan explizit zum Wertepartner und nannte die aus seiner Sicht wichtigsten Punkte, die die beiden Länder gemeinsam angehen sollten. Da ist zum Beispiel der gemeinsame Schutz von kritischer Infrastruktur. Und auch von Rohstoffen.
Beschlossen wurde auch eine engere Zusammenarbeit in den Wirtschaftsfragen. Momentan werden im Indopazifik die Handelsbeziehungen neu geordnet. Dabei geht es der Bundesregierung nicht nur darum, ein Stück vom Kuchen zu ergattern. Sie will sich insgesamt in ihren Wirtschaftsbeziehungen breiter aufstellen, um unabhängiger zu werden. Nicht nur von russischem Gas, sondern auch von Lieferketten, die China unterbrechen könnte.

Deutschland will bei Wasserstoff mit Japan kooperieren

Deshalb braucht die Regierung Verträge mit Brasilien, mit Indien und Staaten des sogenannten Südens. Und eben auch mit einem Japan, das nebenbei auch noch führend in der Elektromobilität ist und beim Wasserstoff. Ein Beschluss der gemeinsamen Kabinettssitzung ist dann auch das reichlich ambitionierte Vorhaben, einen gemeinsamen Wasserstoffmarkt zu entwickeln.
Dass die Neuausrichtung des Inselstaats auf tönenden finanziellen Füßen steht - die Staatsverschuldung Japans liegt bei satten 260 Prozent - scheint der Charmeoffensive der Bundesregierung keinen Abbruch zu tun. Mag die Reise des halben Bundeskabinetts nach Japan - mit hin und zurück rund 25 Stunden Flugzeit bei nicht mal 24-stündigem Aufenthalt - zwar schlecht fürs Klima sein, so soll sie aber gut sein für die Neuausrichtung der deutschen Handelspolitik.

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