: Was die "Zeitenwende" verändert hat

27.02.2023 | 05:00 Uhr
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sprach Kanzler Olaf Scholz von einer "Zeitenwende". Wo stehen wir genau ein Jahr später, was ist seit dem 27. Februar 2022 anders?
Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 27. Februar 2022 an das Rednerpult im Bundestag trat, war klar, dass etwas Besonderes passieren würde. Er sagte:
Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor.
Bundeskanzler Olaf Scholz

Vor genau einem Jahr – am 27.02.2022 – hielt Scholz seine „Zeitenwende“-Rede. Dabei kündigte er auch 100 Mrd. Euro Sondervermögen für die Bundeswehr an. Was ist daraus geworden?

27.02.2023 | 02:08 min
Im Parlament herrschte eine fast mit Händen zu greifende Spannung, weil diese "Zeitenwende" von fast allen empfunden wurde. Anlass für den ungewöhnlichen Auftritt war der russische Angriff auf die Ukraine drei Tage zuvor.
Seither hat sich die deutsche Politik in mehreren Bereichen grundlegend verändert. Ein Überblick:

Der neue Stellenwert der Bundeswehr

Am deutlichsten zeigte sich eine Veränderung im Umgang mit der Bundeswehr. SPD, Grüne und auch die Union hatten die Armee über viele Jahre als Steinbruch für Einsparungen angesehen. 2014 hatten Union und SPD dann unter Kanzlerin Angela Merkel wie andere Nato-Staaten nach der russischen Annexion der Krim den Hebel umgeworfen, der Etat stieg langsam wieder.
Aber am 27. Februar vergangenen Jahres kündigte Scholz nicht nur einen 100-Milliarden-Euro-Sondertopf für die bessere Ausstattung der Bundeswehr an. Er sagte auch:
Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz
Seither hat sich die Debatte über die Bundeswehr gedreht: Durch den Krieg und das Bedrohungsgefühl durch Russland gelten Sicherheitsausgaben nun als richtig und wichtig. Kritik gibt es nun daran, dass das Umsteuern zu langsam geht.

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat es nur drei Tage gedauert, um Jahrzehnte alte Grundsätze deutscher Außen- und Sicherheitspolitik auf den Kopf zu stellen.

21.02.2023 | 07:38 min

Die Einstellung zu Waffenexporten

An einem anderen Punkt haben vor allem die Grünen eine 180-Grad-Wende hingelegt. Ihr Credo war in Oppositionszeiten, die deutschen Waffenexporte zu beschränken und dementsprechend verhandelten sie auch bei der Abfassung des Ampel-Koalitionsvertrages.
Aber nach dem russischen Angriff begann Deutschland mehr und mehr, Waffen an die Ukraine zu liefern - in ein Kriegsgebiet, was bisher als Tabu galt.
In jeder Debatte über zusätzliche Waffensysteme für die Ukraine verweisen der Kanzler und andere deutsche Politiker darauf, welch weiten Weg Deutschland und die Ampel bei Rüstungsexporten tatsächlich seit dem Angriff Russlands gegangen sind.

Nach einem Jahr Krieg gehen ZDF-Korrespondenten weltweit auf Spurensuche. Stehen die Russen hinter Putin? Welche Länder unterstützen Moskau? Der Westen ringt um Geschlossenheit.

23.02.2023 | 43:41 min

Das neue Tempo bei den EU-Beitritten

Grob gesagt gab es in der EU lange eine Arbeitsteilung: Frankreich dringt auf eine Vertiefung der Zusammenarbeit. Deutschland will sowohl eine größere Integration als auch eine Erweiterung der Gemeinschaft. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich die Dynamik der Debatte entscheidend verändert, auch in Paris wird umgedacht.
Bis zum 24. Februar 2022 galten die Aussichten Kiews auf einen EU-Beitritt in absehbarer Zeit als eher begrenzt. Aber bereits im Juni 2022 erhielt die Ukraine unter dem Eindruck des Krieges von der EU den Kandidatenstatus - als politische Unterstützung.
Gleichzeitig beschleunigte sich der Beitrittsprozess mit den Westbalkan-Staaten, die seit langem von der EU vertröstet wurden. Auch die Republik Moldau bekam den Beitritts-Kandidatenstatus, Georgien wurde er in Aussicht gestellt. Scholz fordert, dass die EU-Staaten und die potenziellen Mitglieder enger zusammenrücken - auch durch die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengen-Raum.

Die "guten" Schulden

Auch in der Haushaltspolitik räumte der Krieg mit alten Positionen auf. Ausgerechnet FDP-Chef Christian Lindner, der vor Amtsantritt eine harte Finanzpolitik einforderte, musste seit Beginn der Legislaturperiode 500 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen - und sagte etwa mit dem 100-Milliarden-Euro-Topf einen neuen Schattenhaushalt zu.
Im Kampf gegen die Energiekrise wurden zur Abmilderung der Folgen mit dem von Kanzler Scholz bezeichneten "Doppel-Wumms" 200 Milliarden Euro bis 2024 zur Verfügung gestellt - ebenfalls als Sondertopf neben dem normalen Haushalt.

Themen: Zerstörung und Leid im Frontgebiet, Russland im Krieg, Die verschwundenen Kinder von Cherson, Zeitenwende - Neuordnung der Politik in Deutschland

21.02.2023 | 44:49 min
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Quelle: Andreas Rinke, Reuters

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