Exklusiv

: So stehen junge Erwachsene zum Klimaschutz

von Jan-Frederik Fischer, Benno Krieger
02.05.2023 | 12:31 Uhr
Die Jüngeren treiben den Klimaprotest voran. Doch wie bewerten sie das Handeln der Bundesregierung wirklich und worauf würden sie verzichten? Eine ZDF-Umfrage gibt Antworten.

Verzicht im Alltag oder Festkleben auf der Straße: Soll ich fürs Klima radikaler werden? Fünf Menschen reagieren auf unterschiedliche Perspektiven - wie beeinflusst sie das?

29.04.2023 | 24:04 min
Müsste die junge Generation der Ampel-Regierung in Sachen Klimaschutz ein Zeugnis ausstellen, so wäre wohl die Regierung rund um den "Klimakanzler" Olaf Scholz akut versetzungsgefährdet - beziehungsweise ihre Wiederwahl in Gefahr. Das zeigt eine exklusive ZDF-Umfrage unter 25- bis 34-Jährigen.
Demnach sehen 21,8 Prozent die Maßnahmen der Bundesregierung als "überhaupt nicht ausreichend" und 39,8 Prozent als "eher nicht ausreichend" an.
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Klimaschutz: Protest oder persönlicher Verzicht?

Gleichzeitig stoßen auch die Aktionen der "Letzten Generation" auf wenig Gegenliebe und werden von einer klaren Mehrheit negativ betrachtet. Auf die Frage: "Findest du die radikalen Aktionen der "Letzten Generation" angemessen?" antworteten die 25- bis 34-Jährigen:

  • voll und ganz: 5,3 Prozent
  • eher ja: 14,4 Prozent
  • eher nein: 24,2 Prozent
  • auf keinen Fall: 52,6 Prozent
  • weiß nicht: 3,5 Prozent
Doch was unternimmt die Altersgruppe selber für den Klimaschutz? In welchen Bereichen möchte man sich in den kommenden zwölf Monaten einschränken - was wird eher wenig in Betracht gezogen?
Laut ZDF-Umfrage plant jeder zweite, seinen Plastikverbrauch künftig einzuschränken. Zudem könnte bei vier von zehn Personen der Teller fleischfrei bleiben. Auch der Kauf von Bio- oder regionalen Produkten steht ähnlich hoch im Kurs.
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Weitere 32,4 Prozent wollen in den nächsten zwölf Monaten ihren Konsum fürs Klima reduzieren, etwa indem sie weniger Fast-Fashion konsumieren und stattdessen auf Second-Hand-Kleidung setzen.

Verzicht auf Reisen und das eigene Auto

Beim Transport möchte sich nur rund ein Viertel der 25- bis 34-Jährigen fürs Klima einschränken. So planen 27,0 Prozent auf Flüge sowie 20,3 Prozent auf das eigene Auto zu verzichten.

Umfrage zum Thema "Soll ich fürs Klima radikaler werden?" ...

... ist im Rahmen des neuen ZDF-Formats "Soll ich ...?" entstanden. 1.200 Personen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren nahmen an der Befragung zwischen dem 3. und 6 März teil. Die Zahlen sind repräsentativ für die Altersgruppe in Deutschland. Die ganze "Soll ich ...?"-Folge zur Umfrage können Sie hier sehen: "Soll ich fürs Klima radikaler werden?"
Uwe Engel, emeritierter Soziologe der Universität Bremen, erklärt das mit der sogenannten Low-Cost-Hypothese aus der Psychologie:
Demnach ändern Menschen ihr Umweltverhalten dort, wo es die geringsten Konsequenzen für einen selbst gibt.
Prof. Uwe Engel, emeritierter Soziologe an der Universität Bremen
Zugleich merkt Engel an: "Die Verhaltensänderungen und Konsequenzen sind beim Verzicht auf Plastik oder bei der Ernährung niedriger als bei der Mobilität".
Auffällig: Beim Blick auf die Geschlechter zeigt sich, dass vor allem Frauen eher bereit sind, sich für das Klima einzuschränken:
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Illegale Aktionen kein Mittel der Wahl

Spätestens seit "Fridays for Future" und den Aktionen der "Letzten Generation" scheint es wieder vermehrt jüngere Menschen auf die Straßen zu ziehen.
Doch vor allem Maßnahmen, die mit Protest oder politischem Engagement verbunden sind, werden deutlich seltener in Betracht gezogen. So landen unter den Flop 3-Maßnahmen, die die 25- bis 34-Jährigen in den nächsten zwölf Monaten planen:
  • an einer "Klimademo" teilnehmen: 7,9 Prozent
  • sich in einer Partei organisieren: 6,4 Prozent
  • Aufmerksamkeit mit illegalen Mitteln erzeugen: 4,1 Prozent
Zugleich sind aber 51,9 Prozent der Befragten der Ansicht, dass ihr persönliches Engagement eher viel bis sehr viel für den Klimaschutz bringt.

Der Protest der Klimaaktivisten wird immer radikaler. Kanzler Scholz hatte im Wahlkampf einen "Klimawumms" versprochen, aber nicht geliefert. Wo bleibt eine politische Strategie?

30.04.2023 | 12:05 min
Professor Uwe Engel überrascht dieses Ergebnis. Er hätte eine geringere Zustimmung für wahrscheinlich gehalten, da Menschen in der Regel dazu neigen sich rationale Argumente zu liefern, warum ihr Handeln weniger fürs Klima bringt, so Engel.  
Dass in dieser Frage Motivation in der jungen Bevölkerung vorhanden ist, ist eine gute Voraussetzung, dass gesamtgesellschaftlich mehr für den Klimaschutz getan wird.
Prof. Uwe Engel, emeritierter Soziologe an der Universität Bremen
Laut Soziologe Engel sind heutzutage wohl mehr junge Menschen für einen kleinen Verzicht im Sinne des Klimas bereit, weil sie eher wertrational denken.
Sie legen demnach für sich fest, dass ihnen Klimaschutz wichtig ist, passen ihr Verhalten daran an und nehmen kleine Nachteile für sich in Kauf.
Wichtige Fragen zur Klimakrise von der ZDF-Umweltredaktion in einem Überblick beantwortet:

Warum heißt es menschengemachter Klimawandel?

Weil menschliche Aktivitäten den natürlichen Treibhauseffekt massiv verstärken. In der Atmosphäre gibt es Spuren der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas sowie Wasserdampf. Sie wirken dort wie ein Reflektor, vergleichbar mit dem Glasdach eines Treibhauses: Wärmestrahlung der Sonne, die von der Erdoberfläche sonst ins Weltall abgestrahlt würde, bleibt im Erdsystem. Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt wäre die Erde im Mittel etwa minus 18 Grad kalt und für den Menschen unbewohnbar.

Seit der industriellen Revolution - gerechnet ab 1850 - ist der Anteil der Treibhausgase aus nichtnatürlichen Quellen sehr stark angestiegen. Darüber ist sich die Wissenschaft weitgehend einig, nachzulesen zum Beispiel im 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC (International Panel on Climate Change).

Wie CO2 den Treibhauseffekt verursacht und wie man das nachweisen kann.

18.10.2019 | 03:38 min

Was verursacht die Klimakrise?

Das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas setzt erhebliche Mengen CO₂ frei. Hauptquellen sind Kohlekraftwerke und Anlagen der Schwerindustrie (Stahl, Aluminium). Methan kommt vor allem aus der intensiven landwirtschaftlichen Tätigkeit. Zudem verschwinden natürliche Kohlenstoffsenken, die CO₂ dauerhaft aufnehmen, etwa durch Waldrodung und Austrocknung der Moore. Immer mehr Treibhausgase gelangen so in die Atmosphäre, verstärken den natürlichen Treibhauseffekt.

Und: In vielen Ländern entwickeln sich die Volkswirtschaften gerade, bisher fast immer auf Basis fossiler Energieträger wie Kohle und Öl. Noch mehr CO₂-Ausstoß ist die Folge.

Wir Menschen sorgen überall auf der Welt dafür, dass sehr viele klimaschädliche Gase und Stoffe in die Luft gepustet werden. Am schädlichsten ist der Energieverbrauch.

11.10.2021 | 01:33 min

Welche Länder stoßen am meisten CO₂ aus?

China liegt an der Spitze mit circa 31 Prozent, gefolgt von den USA mit etwa 14 Prozent, Indien mit gut 7 Prozent und Russland mit etwa 4 Prozent. Der deutsche Anteil liegt bei knapp 2 Prozent (Stand: 2022). 2020 gab es pandemiebedingt einen leichten Rückgang der Emissionen, der mittlerweile überkompensiert wurde.

Global haben sich die energiebedingten CO₂-Emissionen - also die Treibhausgase, die bei der Umwandlung von Energieträgern etwa in Strom, Wärme oder im Verkehr entstehen - ständig erhöht: von 22,5 Gigatonnen (Gt, eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen) 1990 auf 36,4 Gt im Jahr 2022.

Allerdings hat sich die Anstiegskurve abgeflacht. Für einige Wissenschaftler ein Zeichen, dass Klimaschutzmaßnahmen anfangen zu wirken.

Wie sehr hat sich die Erde bereits erwärmt?

Belastbare Wetterdaten gibt es seit 1881. Nimmt man dieses Jahr als Startpunkt, so hat sich der globale Temperaturdurchschnitt um gut ein Grad erhöht - mit starken regionalen Unterschieden. Auch differiert die Erwärmung über Land und über der Meeresoberfläche. Deutschland hat sich mit etwa zwei Grad stärker erwärmt als der globale Durchschnitt, bezogen auf das zurückliegende Jahrzehnt 2011 bis 2020.

Temperaturschwankungen im Verlauf der Erdgeschichte.

18.10.2019 | 00:45 min

Welche weiteren Folgen hat der Klimawandel?

Die dauerhafte Erwärmung führt dem Erdsystem mehr Energie zu. Atmosphäre, Biosphäre, Landmassen, Ozeane und Eisregionen stehen in ständiger Wechselwirkung. Dadurch ändern sich bisher als stabil angesehene Vorgänge. So mäandert beispielsweise der Jetstream, bildet Ausbuchtungen, die dann regional das Wetter beeinflussen.

Starkregen, langanhaltende Dürren oder extrem starke Stürme verursachen direkte Schäden. Eher schleichend geht mit der Klimaerwärmung ein Verlust von Lebensräumen einher, der Verlust von fruchtbarem Land und die Produktivität der Ozeane. Kurz: Der Klimawandel bedroht in manchen Regionen die Lebensgrundlage der Menschen.

Klima-Mechanismen sind kompliziert: Die globale Erderwärmung kann an bestimmten Orten auch zu Kälte und Extremwetter führen.

09.12.2019 | 06:01 min

Warum gibt es das 1,5-Grad-Limit?

Schon 1993 hat unter anderem der Physiker und Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber in einem wissenschaftlichen Diskurs angemahnt, die Erderwärmung unbedingt auf 1,5 Grad im globalen Mittel zu begrenzen. Dieser Wert wurde im Laufe der UN-Klimakonferenzen zu einer politischen Zielgröße, wenn er auch für viele Länder nicht erreichbar erscheint.

Daher sieht das Pariser Klimaschutzabkommen vor, die Erwärmung bei höchstens 2 Grad zu begrenzen, besser bei 1,5 Grad. Das schützt, so meinen Wissenschaftler, vor gravierenden Folgen: Der Meeresspiegelanstieg würde geringer ausfallen, das Meereis wäre als Kältefaktor stabiler, 20 bis 30 Prozent der Korallenriffe als Kinderstube der Ozeane könnten knapp überleben, das Dürre- und Überflutungsrisiko sinkt.

Sind extreme Wetter schon eine Folge des Klimawandels?

Ja. Das jedenfalls bestätigt zuletzt der 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats vom August 2021:

"Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus. (…) Viele Veränderungen im Klimasystem werden in unmittelbarem Zusammenhang mit der zunehmenden globalen Erwärmung größer. Dazu gehören die Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hitzeextremen, marinen Hitzewellen und Starkniederschlägen, landwirtschaftlichen und ökologischen Dürren in einigen Regionen, das Ausmaß tropischer Wirbelstürme sowie Rückgänge des arktischen Meereises, von Schneebedeckung und Permafrost."

Der Temperaturanstieg in der Arktis hat spürbare Folgen für Europa: Das Wetter wird extremer.

27.09.2023 | 01:21 min

Sind Folgen des Klimawandels bereits unumkehrbar?

Quelle:
CO₂ hält sich 1.000 Jahre in der Atmosphäre, verstärkt also sehr lange den Treibhauseffekt. Selbst wenn sofort alle Emissionen gestoppt würden, würden die Klimawandelfolgen noch viele Dekaden auftreten.

Uneins ist die Wissenschaft hinsichtlich sich verstärkender Effekte. Wenn beispielsweise Methan aus tauenden Permafrostböden austritt und bestimmte Mengen dieses Gases frei werden, könnte es eine Art Klimawandel-Turbo geben. Das heißt, die Erwärmung würde noch schneller voranschreiten. Auch sind die Effekte der schmelzenden Landeismassen nicht genau vorherzusagen.

Welche Folgen des Klimawandels sind noch beherrschbar?

Anpassungsmaßnahmen sind die einzige Möglichkeit, sich schnell gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen. Dazu gehören etwa die Schaffung von Überflutungsräumen, das Erhöhen von Deichen, orkanfeste Bauten, die Züchtung dürrebeständiger Nutzpflanzen und die Sicherung der Trinkwasserversorgung.

Diese Maßnahmen erfordern sehr viele Investitionsmilliarden. Nicht jedes Land kann sich das leisten, vor allem die Entwicklungsländer sind betroffen. Daher müssen neue Konzepte der klimawandelbedingten, internationalen Zusammenarbeit umgesetzt werden.

von Christine Elsner, ZDF-Umweltredaktion

Quelle: ZDF

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