: So soll die kommunale Wärmeplanung klappen

von Jan Schneider
07.06.2023 | 14:13 Uhr
Muss ich eine teure Wärmepumpe anschaffen oder wird mein Viertel bald an ein Fernwärmenetz angeschlossen? Fragen wie diese soll das Wärmeplanungsgesetz klären. Wie läuft das?
Hierdurch soll die Wärme der Zukunft fließen: Rohre eines FernwärmenetzesQuelle: plainpicture
Selten wurde um ein geplantes Gesetz schon in der Vorbereitung so heftig gerungen wie um das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Verständlich, denn es betrifft so ziemlich jeden Menschen, der im Winter nicht im Kalten sitzen möchte - und der Wechsel der Heizung kann sehr teuer sein.
Im Schatten des GEG arbeitet das Wirtschaftsministerium noch an einer weiteren Reform, die bei der Wärmewende eine entscheidende Rolle spielen dürfte: das Wärmeplanungsgesetz. Auch darum wird heftig gestritten und sogar von der CDU als "Energie-Stasi" verunglimpft. Was hat es damit auf sich?

Was soll das Wärmeplanungsgesetz regeln?

Kernanliegen der Bundesregierung ist es, die Wärmeerzeugung in Deutschland klimaneutral zu gestalten, also möglichst ohne fossile Energieträger. Mit dem Wärmeplanungsgesetz verpflichtet der Bund die Länder, eine verbindliche Wärmeplanung zu erarbeiten, wie sie ihre Heizinfrastruktur klimaneutral umbauen wollen. Die Länder können diese Aufgabe aber an die Kommunen delegieren, da diese über mehr Informationen in dem Bereich verfügen.

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Für die Bürger soll das vor allem wichtige Orientierung bieten: Wenn jemand in einem Gebiet lebt, das in naher Zukunft an ein Fernwärmenetz angeschlossen wird, muss er sich keine teure Wärmepumpe installieren. Gebiete, die nicht an ein solches Wärmenetz angeschlossen werden, können sich darauf einstellen und - mit möglichen Fördermitteln - ihre Heizung umrüsten. Bis zum Jahr 2030 soll so die Hälfte der sogenannten "leitungsgebundenen Wärme" klimaneutral erzeugt werden.

Schlüsseltechnologie Fernwärme

Eine ganz entscheidende Rolle soll in der Wärmeplanung der Zukunft die Fernwärme spielen. So sieht es auch Veit Bürger vom Öko-Institut in Freiburg:
Die Fernwärme ist eine der Schlüsseltechnologien für die Wärmewende, gerade in dicht besiedelten Gebieten. Dort, wo die Dächer zu klein sind, um viel solare Wärme zu ernten und Wärmepumpen zu Lärmproblemen führen können.
Dr. Veit Bürger, Stv. Leiter Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e.V.
Um den Menschen mehr Sicherheit für die Zukunft zu geben, müsse die Planung dieser Wärmenetze schnell vorangetrieben werden. Gleichzeitig müsse die bestehende Fernwärme aber auch dekarbonisiert werden, also ohne fossile Brennstoffe auskommen.

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Wie sieht das in der Praxis aus?

Beispiel Flensburg: Die Heimatstadt von Wirtschaftsminister Robert Habeck ist ganz weit vorne bei der Fernwärme. Hier ist nicht nur die Innenstadt, sondern auch umliegende Ortsteile an das Fernwärmenetz angeschlossen. Die Flensburger Stadtwerke versorgen so etwa 90 Prozent der Flensburger Haushalte mit Wärme.
Hergestellt wird die Wärme aber aktuell weiterhin fast ausschließlich fossil: gut 70 Prozent mit Steinkohle, 22 Prozent Erdgas und zu ganz kleinem Anteil aus Heizöl. Spätestens 2035 will die Stadt klimaneutral sein.

Großwärmepumpen statt Kohleöfen

Dabei helfen soll eine Großwärmepumpe, die 2025 in Betrieb gehen soll. Die Stadtwerke entziehen dafür dem Fördewasser etwas Wärme, geben Strom aus erneuerbaren Energien dazu und erhalten im Ergebnis Fernwärmewasser mit 60 bis 85 Grad Celsius.
Auch in Mannheim wird aktuell an einer solchen Großwärmepumpe gearbeitet. Die Stadtwerke München setzen derweil auf Geothermie, wollen für ihr Wärmenetz also Wärmeenergie nutzen, die unterhalb der festen Erdoberfläche gespeichert ist. Es werde gerade viel in diesem Bereich investiert, meint Experte Bürger.
Es machen sich sehr viele Fernwärmeversorger auf den Weg.
Dr. Veit Bürger, Stv. Leiter Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e.V.

An dem Gesetzesentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Wärmewende gab es viel Kritik. Niedersachsen schlägt eine Verschiebung vor. Nicht ab 2024, sondern 2027 sollen neue Heizanlagen mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden.

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Was wird dieser Umbau kosten?

Es ist schwer vorherzusehen, welche Kosten für den Aufbau der Infrastruktur zu stemmen sein werden. Das Bundeswirtschaftsministerium geht im Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes davon aus, dass Bürgerinnen und Bürger bis 2028 jährlich mehr als neun Milliarden Euro in die Hand nehmen müssen, um klimafreundlicher zu heizen. Dem stünden aber zugleich Einsparungen in Höhe von rund 11 Milliarden Euro gegenüber, rechnet das Ministerium, weil Öl und Erdgas in den kommenden Jahren absehbar teurer werden.
Ähnlich blickt auch die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf die Wärmewende:
Viel wichtiger ist es, transparent zu machen, was es kostet, wenn wir es nicht machen.
Dr. Claudia Kemfert, DIW Berlin
Sie sieht erhebliches Sparpotenzial, wenn Deutschland sich unabhängiger von fossilen Energieträgern mache. Auch die aktuell hohe Inflation sei das Ergebnis der verschleppten Energiewende, so Kemfert.

Und wie war das jetzt mit der "Energie-Stasi"?

Um den Wärmebedarf genau abschätzen zu können, benötigen die Kommunen Daten über den Energieverbrauch der Haushalte. Und auch das Alter der Heizungen spielt für die kommunale Wärmeplanung eine Rolle, weil danach entschieden werden kann, welche Gebiete zuerst an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden sollten.

Kommunale Wärmeplanung auf Landesebene

Auf Landesebene existieren teilweise bereits gesetzliche Verpflichtungen für Kommunen, eine Wärmeplanung durchzuführen und Wärmepläne aufzustellen. Entsprechende Vorgaben gibt es in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen. In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung eine Einführung geplant. In Bayern wird die Erstellung kommunaler Energienutzungspläne gefördert. Das bereits seit Januar 2021 gültige Bayerische Klimaschutzgesetz sieht zudem schon vor, dass Bezirksschornsteinfeger verschiedene Daten an das Statistische Landesamt übermitteln, darunter die Art, den Brennstoff und das Alter der Anlage sowie die Anschrift.
Thüringens CDU-Chef Mario Voigt hatte diese Datennutzung in der "Bild"-Zeitung als "Energie-Stasi" bezeichnet, mit der der "Schnüffel-Staat den Menschen in den Heizungskeller" schauen wolle.
Energieexperte Bürger kann diese Vorwürfe nicht nachvollziehen: Die Daten zur Energieversorgung lägen "gebäudescharf" vor bei den Energieversorgern, Informationen zu Heizungsanlagen hätten die Schornsteinfeger. Es müsste also keine Daten neu erhoben werden:
Die meisten werden nicht mal mitbekommen, dass mit den Daten gerade geplant wird.
Dr. Veit Bürger, Stv. Leiter Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e.V.

Wie geht es jetzt weiter?

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) haben am kommenden Montag in Berlin zu einem "Fernwärmegipfel" eingeladen.
Dort soll ein "deutliches Aufbruchssignal" für den klimaneutralen Um- und Ausbau der Fernwärmeversorgung gesendet werden.

Wirtschaftsminister Habeck trifft sich heute Abend mit Vertretern der Ampel-Regierung, um über mögliche Änderungen am Gebäudeenergiegesetz zu sprechen. Habeck hat signalisiert, offen für Verbesserungen zu sein.

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