: FDP: Ampel-Partner müssen sich bewegen

21.11.2022 | 16:53 Uhr
Kurz bevor der Vermittlungsausschuss zum Bürgergeld tagt, ist von Optimismus die Rede, noch ist sich die Ampel aber nicht einig. Im Raum stehen schärfere Sanktionen.
Der Streit um das geplante Bürgergeld könnte nach Aussage führender Vertreterinnen und Vertreter der Ampel-Koalition und der Union am Mittwoch mit einem Kompromiss beendet werden. Dabei würden auf Arbeitslose möglicherweise mehr Sanktionen bei Pflichtverletzungen als bisher geplant zukommen.
Zudem könnten Empfängerinnen und Empfänger der Nachfolge-Leistung von Hartz IV weniger eigenes Vermögen behalten dürfen. Hinter den Kulissen verhandeln beide Seiten seit Tagen unter Hochdruck. Am Mittwoch soll ein Kompromiss im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat besiegelt werden.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte am heutigen Montag in Berlin: "Wir glauben, dass das funktioniert in dieser Woche." Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte:
Das Bürgergeld wird kommen, da bin ich mir ganz sicher.
Britta Haßelmann

Söder: Knackpunkt Schonvermögen

CSU-Chef Markus Söder teilte in München mit, die Verhandlungen ließen einen "gewissen Grundoptimismus" zu. Die "absolute Bedingung" für eine Einigung sei aber, dass das sogenannte Schonvermögen deutlich reduziert werde und es ausreichend Sanktionsmöglichkeiten gebe, sagte Söder.
Wer arbeiten könne, aber nicht wolle, müsse auch mit Sanktionen belegt werden können. "Wir fühlen uns da immer als Anwalt der Fleißigen." Das Ganze stehe unter dem Motto: "Leistung muss sich lohnen."

Sanktionen

Laut Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) soll es künftig in den ersten sechs Monaten keine Leistungsminderungen geben, wenn jemand mit dem Jobcenter verabredete Maßnahmeteilnahmen oder Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge unterlässt. Sanktionen wegen mehrfachem Nichtmelden beim Jobcenter soll es dagegen auch in dieser "Vertrauenszeit" in Höhe von bis zu zehn Prozent weiter geben können.

Nach sechs Monaten sieht der Entwurf bei einer Pflichtverletzung 20 Prozent weniger Leistung vor, bei jedem weiteren Mal 30 Prozent. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind Kürzungen von mehr als 30 Prozent nicht zulässig.

Schonvermögen

Der im Bundestag mit kleineren Änderungen beschlossene Entwurf von Arbeitsminister Heil sieht weiter eine zweijährige "Karenzzeit" vor. 24 Monate lang sollen angemessene Kosten für Miete und Heizung übernommen werden. Erspartes soll nicht aufgebraucht werden müssen, wenn es sich nicht um erhebliches Vermögen handelt. Als erheblich gelten 60.000 Euro und 30.000 Euro für jede weitere Person in der sogenannten Bedarfsgemeinschaft. Selbstgenutzte Grundstücke oder Eigentumswohnungen sollen nicht berücksichtigt werden.

Zuverdienstregeln

FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer sagte, die FDP rate ihren Koalitionspartnern, "lösungsorientiert" in die Verhandlungen zu gehen. "Dieses Ziel könnte beispielsweise noch stärker durch attraktivere Hinzuverdienstregeln in den Blick genommen werden, statt durch ein Aussetzen von Sanktionen." Laut bisherigem Entwurf soll künftig mehr von seinem Einkommen behalten können, wer zwischen 520 und 1.000 Euro verdient. Die Freibeträge in diesem Bereich sollen auf 30 Prozent angehoben werden. Die Freibeträge für Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende sollen auf 520 Euro erhöht werden.

Vermittlungsausschuss

Das Vermittlungsgremium von Bundestag und Bundesrat kommt nun ins Spiel, weil die Länderkammer anders als das Parlament dem Entwurf nicht zugestimmt hat. Der Ausschuss besteht aus 32 Mitgliedern - je 16 von Bundestag und Bundesrat. Den Vorsitz führt Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Auch CDU-Chef Friedrich Merz, der den Bürgergeld-Entwurf als vermurkst abgelehnt hatte, sitzt in dem Schlichtungsgremium. Die Beratungen sind vertraulich.

Wenn es einen Kompromiss gibt, muss diese neue Fassung des Gesetzentwurfs wieder von Bundestag und Bundesrat abgesegnet werden. Nach dem Willen von Arbeitsminister Heil soll die Länderkammer dem Gesetz bereits an diesem Freitag grünes Licht geben. Nach Aussage der Bundesagentur für Arbeit muss das Regelwerk bis Ende des Monats beschlossen werden, so dass das Geld rechtzeitig zum Jahresbeginn fließen kann.

FDP-Politiker: SPD und Grüne müssen sich bewegen

FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer forderte die Koalitionspartner SPD und Grüne zu Bewegung auf. "Beim Bürgergeld muss die Balance zwischen Fördern und Fordern auch zukünftig gewahrt bleiben", sagte Theurer der dpa. Eine Mitwirken von Bürgergeld-Empfängern sei zumutbar - etwa indem diese selbst Bemühungen anstellen, in Arbeit zu kommen. "SPD und Grüne müssen zur Kenntnis nehmen, dass es im Bundesrat keine politische Mehrheit für ein halbjährliches Aussetzen der Sanktionen gibt", so Theurer.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte:
Nicht nur die Union muss sich bewegen, sondern auch gerade beim Thema Sanktionen, Vertrauenszeit, hier müssen sich auch SPD und Grüne bewegen.
Bijan Djir-Sarai, FDP-Generalsekretär

Haßelmann: Fokus auf Qualifizierung und Weiterbildung

Haßelmann betonte, der Fokus beim Bürgergeld solle künftig auf Qualifizierung, Schulung und Weiterbildung liegen. Co-Fraktionschefin Katharina Dröge wies den Vorschlag der CDU zurück, die Erhöhung der Regelsätze vom Rest der Reformpläne zu trennen.
Das Bürgergeld sei ein Gesamtpaket, sagte Dröge in der RTL/ntv-Sendung "Frühstart". "Ein Aufteilen beider Elemente würde aus unserer Sicht dazu führen, dass die Union den zweiten Teil einfach komplett blockiert."
Zum 1. Januar sollen die Bezüge von Alleinstehenden um mehr als 50 Euro auf 502 Euro steigen. Linken-Chefin Janine Wissler äußerte die Befürchtung, dass die Reform "am Ende noch mickriger wird" und sprach von einem "Wettbewerb der Schäbigkeit".
Quelle: Basil Wegener, Andreas Hoenig und Christoph Trost, dpa

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