Kommentar

: Die falsche Wahl des Olaf Scholz

von Andrea Maurer
16.01.2023 | 19:25 Uhr
Olaf Scholz hat mit Christine Lambrecht die Falsche für das Verteidigungsministerium gewählt. Ein Fehler, der erneut Schwächen in der Kommunikation des Kanzlers offenlegt.
Kein würdevoller Abgang: Ministerin Lambrecht ist zurückgetreten.Quelle: ZDF/ap
Es muss ein einsamer Montag für Christine Lambrecht gewesen sein. Das Ministerium verlässt sie am Morgen. Kurz zuvor hat sie ein schriftliches Statement verschickt zu einer Tatsache, die seit Freitag kursiert: "Ich habe heute den Bundeskanzler um Entlassung aus dem Amt der Bundesministerin der Verteidigung gebeten."
Es ist ein Rücktritt, der in Wahrheit gar keine Chance mehr hatte, überhaupt noch würdevoll zu sein. Seit Freitag wird berichtet, dass Lambrecht ihr Amt aufgeben will - durchgestochen an die Medien. Die Frage, ob sie durch diese Durchstecherei am Ende zum Rücktritt gedrängt werden sollte, oder ob sie den Rücktritt tatsächlich geplant hat, ist offen.

SPD-Strategie: Kein Kommentar

Auffällig aber ist: Kommunikativ fiel der Rücktritt ins Leere. "Kein Kommentar", die simpelste Floskel der Kommunikation, mehr hatten der Kanzler und der SPD-Chef fast drei Tage lang nicht zu bieten im Hinblick auf eine Personalie, die zu den wichtigsten der "Zeitenwende"-Regierung von Olaf Scholz gehört. "Ich kommentiere Zeitungsartikel nicht", sagte SPD-Parteichef Lars Klingbeil am Sonntag.
Ausgerechnet Klingbeil, der "eine neue Kommunikation in der Politik" versprochen hatte - und erst kürzlich gesagt hatte: "Die Leute wollen mitgenommen werden und wissen, was um sie herum passiert." Mitgenommen wurde in der Sache Lambrecht keiner.

Lambrecht stellt sich als Fehlbesetzung heraus

Der Kanzler ließ fragende Journalisten am Samstag einfach stehen. Niemand hat kommentiert - aber viel wichtiger: Niemand hat dementiert. Damit war der Fakt zwar in der Welt, aber keiner hat sich dazu verhalten. Am Ende hatte die Öffentlichkeit also tagelang einen Wissensstand, der in Diskrepanz stand zu dem, was sie offiziell zu hören bekam.
Dazu passt, dass Deutschland 13 Monate lang eine Verteidigungsministerin hatte, die die Falsche war für dieses Amt - bei der es aber noch Anfang Januar 2023 hieß, der Kanzler halte sie weiterhin für "eine erstklassige Verteidigungsministerin". Auch Olaf Scholz wird da schon gewusst haben, dass das "erstklassig" nicht mehr übereinstimmt mit Wirken und Wahrnehmung von Christine Lambrecht.

Scholz lässt Nachfolge zunächst offen

Was ist das für eine Kommunikation, die offensichtlich an dem vorbeigeht, was Sachlage ist? "Auf Augenhöhe", wie Klingbeil das gefordert hat, ist sie jedenfalls nicht. Auch nach dem Rücktritt lässt der Kanzler erstmal eine Leerstelle: wer nämlich auf Lambrecht folgen soll. Dass die Spekulation darüber den Neuen oder die Neue im Amt beschädigen könnte, weil die Erwartungen immer größer werden und die Enttäuschung möglicherweise auch, nimmt er in Kauf.
Während die glücklose Verteidigungsministerin heute in Berlin zurücktritt und die Nachfolgefrage offen ist, weilt der Kanzler in Ulm bei der Brauerei Gold Ochsen und der Rüstungsfirma Hensoldt. "Ich weiß, wie es aus meiner Sicht weitergehen soll", sagt er dort. Teilen will er das Wissen nicht.

Lambrecht, die gescheiterte Ministerin

Olaf Scholz ist niemand, der sich gerne treiben lässt. Und Olaf Scholz hat gerne Recht. In den Leerstellen seiner Kommunikation aber wirkt er nun umso mehr wie ein Getriebener: Wer so lange rumdruckst, der hat Probleme, eine Nachfolge zu bestimmen - oder dessen Lösung muss groß sein.
Spekuliert wird nun, dass der Kanzler die Leerstelle am Dienstag füllt. Zu hoffen bleibt, dass er diesmal mit seiner Einschätzung richtig liegt. Christine Lambrecht jedenfalls ist nicht "die ganz, ganz bedeutende Verteidigungsministerin der Bundesrepublik Deutschland" geworden, als die er sie am Nikolaustag 2021 vorgestellt hat. Im Gegenteil: Sie ist eine gescheiterte Ministerin, zu der am Ende niemand mehr große Worte findet.
Andrea Maurer ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.

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