: Christian Dürr für "AfD-Sprech" kritisiert

von Felix Rappsilber
02.12.2022 | 00:59 Uhr
FDP-Fraktionschef Dürr lehnt den SPD-Vorstoß zur Einbürgerung ab und kritisiert "Einwanderung in die Sozialsysteme". Journalistin Herrmann wirft ihm Rhetorik der AfD vor.

Die Ausgabe von "Markus Lanz" in voller Länge

01.12.2022 | 75:01 min
"AfD-Sprech!" - so lautete der Vorwurf, mit dem sich FDP-Fraktionschef Christian Dürr am Donnerstagabend bei Markus Lanz konfrontiert sah. Vorangegangen war seine Forderung nach einem "Einwanderungsgesetz für Deutschland":
Es muss leichter sein, in den deutschen Arbeitsmarkt zu kommen, als - wie in der Vergangenheit - in die sozialen Sicherungssysteme einzuwandern.
Christian Dürr, FDP-Fraktionschef
Darum lehnt Dürr auch den Plan von Bundesinnenministerin Nancy Faeser zunächst ab, Einbürgerungen zu beschleunigen. Als ersten Schritt müsse die Bundesregierung Einwanderung besser steuern.
Bezüglich der Migrationspolitik habe Deutschland "in den letzten Jahrzehnten so ziemlich alles falsch gemacht", kritisierte Dürr. "Insbesondere die unionsgeführten Bundesregierungen" seien dafür verantwortlich.

Journalistin Herrmann kritisiert Dürr scharf

Journalistin Ulrike Herrmann warf ihm vor, sich selbst zu widersprechen:
Wenn man feststellt, dass der Staat schuld war und nicht die einwandernden Menschen, dann ist es extrem gefährlich, AfD-Sprech zu benutzen, weil das missverstanden wird.
Ulrike Herrmann, Journalistin
Die Formulierung "Einwanderung in die Sozialsysteme" nutze Dürr nicht "aus Versehen", da er Berufspolitiker sei, sagte Herrmann, die für die "taz" schreibt.
Herrmann würde einen "kapitalen politischen Fehler" begehen, widersprach der FDP-Fraktionschef. Als Demokraten solle man aufhören, "der AfD das Spektrum zu überlassen". Dürr betonte:
Es war die Verantwortung der Politik in der Vergangenheit, weil wir zugelassen haben, dass es Migration in die sozialen Sicherungssysteme gibt. Es war nicht die Schuld der Menschen.
Christian Dürr, FDP-Fraktionschef

Dürr: Menschen in den sozialen Sicherungssystemen geparkt

Der Politiker der FDP sagte: "Viele der Menschen, die in der Vergangenheit gekommen sind, wollten in Wahrheit arbeiten." Das sei ihnen "teilweise verboten und verwehrt" worden. Die Konsequenz: "Wir haben sie stattdessen, man muss schon fast sagen: in den sozialen Sicherungssystemen geparkt. Das ist nicht fair gegenüber diesen Menschen gewesen und es war nicht im Interesse unseres Wohlstands."
Genau daher fordere er "keine Migration mehr in die sozialen Sicherungssysteme, sondern in den deutschen Arbeitsmarkt". Dürr sagte:
Wenn wir aufhören, das auszusprechen, dann werden die Chrupallas dieser Welt durch die Gegend laufen. Das will ich als Demokrat verhindern.
Christian Dürr, FDP-Fraktionschef

Nach Deutschland kämen "viele Menschen, die hier im Arbeitsmarkt nicht unterzubringen sind und die, die wir brauchen, wollen nicht kommen", so der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz.

30.11.2022 | 08:14 min

Erstes Eckpunktepapier für ein Einwanderungsgesetz

Um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, habe das Ampel-Kabinett ein erstes Eckpunktepapier für ein Einwanderungsgesetz verabschiedet. Für Menschen im Ausland, "die beispielsweise Vorbildung haben, die schon einen Arbeitsvertrag mit einem deutschen Unternehmen in der Tasche haben", wolle man die "Hürden einreißen".
Zudem müssten die Anerkennung der Berufsabschlüsse erleichtert und die Terminvergabe in Botschaften und Konsulaten beschleunigt werden, so der FDP-Fraktionschef.

Einwanderung in den Arbeitsmarkt verstärken

Ulrike Herrmann beharrte darauf, dass es "dämlich" sei, "AfD-Vokabular" zu nutzen und diesem eine "neue Definition" geben zu wollen. Wieder verteidigte sich Dürr: "Meine Partei und ich sprechen davon, dass wir den Menschen, die nach Deutschland kommen, um zu arbeiten, den roten Teppich ausrollen müssen, weil Deutschland ein weltoffenes Land ist."
Es sei wichtig, die "Einwanderung in den Arbeitsmarkt" zu verstärken und gar "unmenschlich, diese Menschen einfach nur in die sozialen Sicherungssysteme abzuschieben", sagte Dürr. Denn: "Wer Arbeitsteilhabe hat, hat gesellschaftliche Teilhabe."
Bezüglich seiner Ausdrucksweise verteidigte sich Dürr:
Wenn man anfängt, sich so selbst zu beschränken in der Sprache, dann fragen sich die Menschen irgendwann: Warum werden die Probleme nicht mehr angesprochen?
Christian Dürr, FDP-Fraktionsvorsitzender

Dürr: Asyl- und Flüchtlingssystem einfacher als Arbeitsmigration

Innerhalb des letzten Jahrzehnts sei von zehn Menschen, die von außerhalb der EU nach Deutschland eingewandert seien, nur einer über "reguläre Arbeitsmigration" gekommen, "weil die Hürden so unfassbar hoch sind", erklärte der FDP-Politiker.
Die anderen neun hätten das Asyl- und Flüchtlingssystem gewählt, "weil es einfacher war". Dürr appellierte: "Wir müssen diesen Menschen sagen: ‚Kommt durch das andere Tor!‘ Dafür müssen wir aber unsere Politik ändern."

Thema

Mehr zur Sendung Markus Lanz