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: Munition: Was Kiew will, was Kiew bekommt

08.03.2023 | 17:04 Uhr
Die Waffenlieferungen und Hilfen der EU kommen in der Ukraine an. Doch nun droht offenbar Munitionsmangel, Kiew fordert deshalb Nachschub. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Erst Luftabwehr, dann Kampfpanzer und nun Munition: Die Ukraine setzt Deutschland und andere Partner erneut unter Druck, so schnell wie möglich Ausrüstung zur Verteidigung im Krieg gegen die russischen Invasoren zu schicken. Deutschland und die EU-Länder haben aber selbst "Engpässe", wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch betonte.

Was will die Ukraine?

Zu ihren Prioritäten gehöre "Munition, Munition und noch einmal Munition", sagte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow, der persönlich an einem Treffen der EU-Verteidigungsministern in Stockholm teilnahm. Sein Land brauche dringend "eine Million Schuss Munition", um sich gegen Russland zu verteidigen.

Worum geht es konkret?

Die Ukraine fordert von den Partnerländern Geschosse vom Kaliber 155 Millimeter, das entspricht dem Nato-Standard für die Artillerie. Solche Munition kommt unter anderem in der Panzerhaubitze 2000 zum Einsatz, die Deutschland an die Ukraine geliefert hat.

Wie will die EU Abhilfe schaffen?

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den Mitgliedstaaten in einer Vorlage für das Verteidigungsministertreffen ein "außerordentliches Hilfspaket von einer Milliarde Euro" vorgeschlagen. Es sei nur "eine Frage von Wochen", bis Kiew die Munition ausgehe, warnte er. Nach Borrells Plan sollen die EU-Länder Nachschub aus ihren eigenen Armeebeständen an die Ukraine liefern. Sie könnten dafür aus der sogenannten Friedensfazilität entschädigt werden - einem Topf außerhalb des EU-Haushalts, mit dem die Mitgliedsländer bisher Waffenlieferungen im Wert von 3,6 Milliarden Euro an die Ukraine finanziert haben.

Reicht eine Milliarde Euro aus?

Nein. Damit könnten nach EU-Angaben nur rund 250.000 Schuss Munition an die Ukraine geliefert werden - also ein Viertel dessen, was Kiew fordert. Estland, das die Ukraine unterstützt, ruft die EU-Partner deshalb zur Freigabe von insgesamt vier Milliarden Euro auf. Es gibt aber noch ein größeres Problem: Die Munitionsbestände der europäischen Armeen sind weitgehend leer.

Wie reagiert Deutschland?

Verteidigungsminister Pistorius sagte in Stockholm, die Bundeswehr müsse bei Munition selbst "Engpässe bewältigen". Deutschland gebe an die Ukraine "fast alles ab, was wir haben", fügte er im Deutschlandfunk hinzu. Die Bundeswehr müsse aber Munition für die Landes- und Bündnisverteidigung in der Nato zurückhalten, denn sonst wäre sie "nicht mehr in der Lage, die Ostflanke zu schützen im Fall einer Aggression".

Wie viel kann Deutschland überhaupt liefern?

Zahlen zu Beständen nannte Pistorius nicht. Mitte Februar hatte das Verteidigungsministerium für die Ukraine aber bereits 300.000 Schuss Munition für die 37 Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard bestellt. Sie sollen laut Rüstungskonzern Rheinmetall ab dem Sommer geliefert werden.

Wie wollen die Europäer ihre Bestände auffüllen?

Borrell schlägt eine Gemeinschaftsbestellung neuer Munition über die Europäische Verteidigungsbehörde (European Defense Agency, EDA) in Brüssel vor. Er erhofft sich davon "bedeutende Einsparungen" im Vergleich zu Einzelaufträgen an die Rüstungsindustrie. Als Vorbild dient die gemeinsame Impfstoff-Beschaffung in der Corona-Pandemie. EU-Länder warnen aber, die Lieferung könne bis zu 15 Jahre dauern.

Braucht Europa deshalb eine "Kriegswirtschaft" wie Russland?

Damit will der französische EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton die Produktion beschleunigen. "Unsere Verteidigungsindustrie muss schnell auf 'Kriegswirtschaft' umstellen", forderte er. Scharfe Kritik kam von Pistorius: "Kriegswirtschaft heißt, dass wir alles der Produktion von Waffen und Munition unterordnen", betonte er. Deutschland und die EU seien aber "nicht im Krieg" mit Russland.

Wie geht es nun weiter?

Beim Verteidigungsministertreffen in Stockholm wurde kein Beschluss in der Munitionsfrage erwartet. Als nächstes beraten darüber die EU-Außenminister am 20. März in Brüssel.
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Quelle: Max Delany und Stephanie Lob, AFP

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