: Wie der Nato-Gipfel in Russland verkauft wird

von Nina Niebergall und Sebastian Ehm
12.07.2023 | 06:39 Uhr
Der Kreml will "zeitnah" auf den Nato-Gipfel reagieren. Die aggressiveren Töne kommen aus den Staatsmedien, die das Treffen als Niederlage des Westens verkaufen. Das hat Kalkül.

Ein Gipfel der Verlierer und der Uneinigkeit - so der Tenor zum Nato-Gipfel in den russischen Abendnachrichten.

12.07.2023 | 02:23 min
Es sei ein Gipfel der Verlierer, der Probleme, der Uneinigkeit. Der Tenor der russischen Abendnachrichten auf den Nato-Gipfel, der abends im ersten Kanal des Staatsfernsehens ins Land gesendet wird, war höhnisch und aggressiv.
Der Sprecher betonte vor allem, dass die Ukraine wieder keine Beitrittsperspektive bekommen habe. Die Nachrichten aus Vilnius sind Wasser auf die Mühlen der Kreml-treuen Staatsmedien. Die Taktik der Nato sei klar, hieß es weiter. Das Bündnis lasse die Ukraine Krieg führen, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen.

Rein in die NATO – für die Ukraine kann es gar nicht schnell genug gehen. Denn erst dann sei das Land sicher, gebe es Frieden. Doch viele NATO-Mitgliedsstaaten sehen das anders.

11.07.2023 | 08:33 min

Kreml bezeichnet wiederholt Westen als Aggressor

Auch aus dem Kreml das bekannte Narrativ: Der Aggressor sei der Westen. Dieser wolle Russland mit Schwedens Nato-Beitritt weiter provozieren. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte:
Potenziell ist das sehr gefährlich für die europäische Sicherheit, es birgt sehr große Risiken. Wer solche Entscheidungen trifft, muss sich dessen bewusst sein.
Dmitri Peskow, Kreml-Sprecher
Es sind Drohungen, die bewusst Raum lassen für schlimmste Befürchtungen. So auch vom russischen Außenminister, der auf einer Pressekonferenz im Oman anmerkte, dass man "angemessen" und "zeitnah" reagieren werde. "Wir wissen, welche Maßnahmen wir ergreifen und umsetzen müssen", so der Außenminister weiter.

Beim Nato-Gipfel in Litauen berät der ukrainische Präsident Selenskyj mit den Staats- und Regierungschefs des Bündnisses. Er hofft auf weitere Hilfe und Sicherheitsgarantien.

12.07.2023 | 01:30 min

Politologe: Putin will Stärke zeigen

Russlands Präsident Wladimir Putin meldete sich nicht direkt zu Wort. Das sei zu erwarten gewesen, meint Politikwissenschaftler Dmitri Oreschkin. Putin sei sich sehr wohl bewusst, dass es bei der Wählerschaft nicht gut ankomme, wenn er zum wiederholten Mal öffentlich den Beleidigten mime. "Die Wähler wollen Siege sehen. Und wenn sie Klagen hören, dass Russland hier erneut belogen und getäuscht wurde, werden sie enttäuscht sein", so der Politologe.
Solche Worte inspirieren nicht. Menschen lassen sich von Siegen inspirieren.
Dmitri Oreschkin, Politikwissenschaftler
Vor allem nach dem Wagner-Aufstand müsse Putin jetzt Stärke zeigen. Siege der seit Jahren verteufelten Nato passen nicht in das Bild, das Putin gerne von Russland zeichnet. Genauso wenig wie eine Niederlage Putins beim Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin.

Beim Nato-Gipfel in Vilnius zeigen sich die Staaten geschlossen und in Solidarität mit der Ukraine. Kanzler Scholz kündigte weitere Waffenlieferungen an.

11.07.2023 | 01:35 min

Politologe: Menschen in Russland haben sich von der Welt isoliert

Auf den Straßen Moskaus geben viele Menschen vor, nichts vom Gipfel in Litauen wissen zu wollen. Alexandra sagt, dass ein Nato-Beitritt der skandinavischen Länder unausweichlich gewesen sei. "Was die Ukraine angeht, so ist es traurig, was sich abspielt. Natürlich, denn wir waren so lange Zeit wie Brüder und Schwestern."
Andere flüchten sich ins unpolitische und private. Ein Bewohner sagt recht lapidar: "Ich lebe in meinem geliebten Land, hier ist alles in Ordnung und ich bin sicher." Politikwissenschaftler Oreschkin ist sich sicher, dass die Russen frustriert sind - aber Putins Politik zu hinterfragen, sei für viele zu schmerzhaft.
Das ist der Erfolg von Putins Strategie. Die Menschen in Russland haben sich von der ganzen Welt isoliert. Sie sagen: 'Die Nato ist uns egal. Wir werden so leben, wie wir eben leben.'
Dmitri Oreschkin, Politologe
Das sei defensive Psychologie. "Ein Versuch, das eigene Bild von der Welt, die eigene Identität zu schützen." Die Welt, wie sie dem Kreml gefällt, und vom Staatsfernsehen ans Volk gesendet wird. Dass Deutschland und Frankreich beim Nato-Gipfel weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ankündigten, sei nur wegen der militärischen Niederlagen, so die Meinung des Staatsfernsehens. Die Schwachen, die Verlierer - das seien die anderen.
Nina Niebergall und Sebastian Ehm berichten als ZDF-Korrespondenten über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.
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