FAQ

: So will Polen der Ukraine MiG-29-Jets liefern

von Nils Metzger
16.03.2023 | 19:37 Uhr
Als erstes Land will Polen der Ukraine MiG-29-Kampfjets zur Verfügung stellen. Was können diese Flugzeuge? Wie wird Russland reagieren? Und werden bald weitere Länder Jets liefern?
Polen hat angekündigt, der Ukraine innerhalb weniger Tage Kampfjets vom Typ MiG-29 zur Verfügung stellen zu wollen. Es wäre das erste Mal seit der russischen Invasion, dass Kiew offiziell Kampfflugzeuge erhält. "In den nächsten Tagen" würden vier Maschinen vom Typ MiG-29 übergeben, sagte Polens Präsident Andrzej Duda.
Weitere MiG-29 könnten folgen. Duda deutete an, insgesamt zwischen 11 und 19 Jets liefern zu wollen. Auch die Slowakei könnte nachziehen, Verteidigungsminister Jaro Nad hatte bereits Mitte März in Aussicht gestellt, Kiew seine rund 10 einsatzbereiten MiG-29 zur Verfügung stellen zu wollen. In beiden Fällen geht es ausschließlich um die Lieferung von Flugzeugen, gesteuert würden sie von ukrainischen Piloten.

Was können die polnischen MiG-29?

Die MiG-29 ist ein Mehrzweckkampfflugzeug aus sowjetischer Produktion der 1980er Jahre. Je nach Bewaffnung sind die Flugzeuge sowohl für den Luftkampf wie auch für Bomber-Operationen geeignet. Laut dem Militärhistoriker Sönke Neitzel liege der Hauptzweck der ukrainischen MiG-29 in der Luftverteidigung und dem Kampf mit Luft-Luft-Raketen. "Die wenigen ukrainischen Jagdflugzeuge sind eine Gefahr für die Russen", so Neitzel gegenüber ZDFheute live.
Sie sind in ihren letzten Betriebsjahren, aber noch in einem gut funktionierenden Zustand.
Polens Präsident Andrzej Duda über die MiG-29
Russland wie auch die Ukraine nutzen Flugzeuge dieses Typs, die Anforderungen an eine Pilotenausbildung sind also deutlich geringer als bei anderen Flugzeugen. Wie viele MiG-29 der Ukraine nach über einem Jahr Krieg noch einsatzbereit sind, ist nicht bekannt.
Polen hat seine MiG-29 mehrfach modernisiert und auch mit westlicher Technik ausgestattet. Ob diese für den Transfer ausgebaut wurde, wurde nicht verkündet. Polen möchte die MiG-29 durch moderne Kampfflugzeuge aus US-amerikanischer und südkoreanischer Fertigung ersetzen. Dazu, wie die Flugzeuge in die Ukraine gelangen sollen, liegen noch keine Details vor. In den letzten Wochen hatte es mehrfach auch von ukrainischer Seite Andeutungen bezüglich einer anstehenden Kampfjet-Lieferung gegeben, die Weitergabe wurde also bereits länger vorbereitet.
"Vier Jets haben natürlich keinen großen Einfluss, aber es ist ein politisches Zeichen, wenn sie denn wirklich geliefert werden", sagt Neitzel. "Man muss kein Seher sein, um zu prognostizieren, dass dann weitere MiG-29 folgen werden."
Es ist nach wie vor nicht die allergrößte Wichtigkeit, aber es ist wichtig, dass sich die Ukraine auch in der Luft verteidigen kann und dazu braucht sie MiG-29.
Sönke Neitzel, Universität Potsdam
Laut dem Militärexperten Neitzel fliege Russland aktuell mit einer "niedrigen dreistelligen Zahl" vergleichsweise wenige Lufteinsätze pro Tag; der Krieg in der Luft werde primär mit Raketen geführt. "Es geht bei den MiG-29 nicht darum, in der Nähe von Moskau Ziele anzugreifen. Das werden die Ukrainer weiter mit Drohnen machen."

Wie reagiert Russland auf diese neue Lage?

Es ist nicht der erste polnische Vorstoß zur Lieferung von MiG-29. Bereits im März 2022 trieb Warschau ein solches Vorhaben woran, wurde aber von den USA zurückgepfiffen. Nun scheinen sich die US-Vorbehalte über eine Verwicklung der Nato in den Ukraine-Krieg jedoch aufgelöst zu haben. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte:
Dies sind souveräne Entscheidungen, die jedes Land treffen muss. Wir respektieren ihre souveränen Entscheidungen.
John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA
Mit Blick auf die mögliche Lieferung amerikanischer F-16-Kampfflugzeuge blieb Kirby zurückhaltend. "Das liegt jetzt nicht auf dem Tisch. Die Ankündigung einer anderen Nation, Kampfflugzeuge bereitzustellen, hat keinen Einfluss auf und ändert nichts an unserer eigenen souveränen Entscheidungsfindung in Bezug auf die F-16s."
Wie schon bei früheren Rüstungshilfen hat Russland im Falle einer Lieferung von Kampfjets an die Ukraine mit einer weiteren Eskalation auch in Richtung Nato gedroht. Bislang blieben solche Drohungen jedoch ohne militärische Konsequenzen.
Russland wird sagen, das ist eine weitere Eskalation, damit wird Polen Kriegspartei. So hat Russland immer reagiert. Erfolgt ist nichts.
Sönke Neitzel, Universität Potsdam
Es sei unwahrscheinlich gewesen, dass Wladimir Putin wegen der Lieferung von 50 Panzern eskaliere, genauso unwahrscheinlich sei es jetzt wegen vier MiG-29, betont Neitzel. "Aber er wird natürlich die Ängste, die gerade in Deutschland vorhanden sind, weiter schüren."
Lesen Sie hier, welche Kampfjets sonst noch für eine Lieferung an die Ukraine in Frage kommen:

Stammen die polnischen MiGs ursprünglich aus Deutschland?

22 seiner MiG-29 hat Polen 2003 und 2004 von der Luftwaffe der Bundeswehr zu einem symbolischen Preis erhalten, ein Teil davon ging anschließend in den aktiven Bestand über. Darüber hinaus verfügt Polen über weitere MiG-29 in verschiedenen Ausführungen. Welche davon wann an die Ukraine abgegeben werden sollen, ist noch unklar. Präsident Duda sprach am Donnerstag explizit von rund einem Dutzend MiG-Jets aus DDR-Beständen, die noch im Dienst der polnischen Luftwaffe stünden.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte am Rande eines Truppenbesuchs in Sachsen-Anhalt, dass er keinen Kenntnisstand über eine Lieferung polnischer MiGs aus DDR-Beständen an die Ukraine habe. Dafür müsste Deutschland wie bei anderen Waffenlieferungen auch eine Zustimmung geben.
"Die Endverbleibsklausel erlischt nicht, egal wie oft die Flugzeuge weitergegeben werden", sagte ZDF-Korrespondentin Shakuntala Banerjee bei ZDFheute live. Schon länger habe man aus der Bundesregierung keine ablehnenden Äußerungen zur Lieferung von Kampfflugzeugen gehört, sagte Banerjee. "Ich halte es nicht für gänzlich ausgeschlossen, dass sich Berlin hier am Ende nicht verweigern würde."
Richtig viel kann die Bundesregierung da noch gar nicht zu sagen. Bei ihr gibt es momentan noch sehr viele Fragezeichen hinter dieser Ankündigung. Da stellt sich vor allem die Frage, was genau hat der polnische Präsident gemeint? Um welche Kampfflugzeuge handelt es sich?
ZDF-Korrespondentin Shakuntala Banerjee
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter lobte die Ankündigung Polens auf Twitter als "strategische Weitsicht". "Die Ukraine kann gewinnen! Das gelingt nur, wenn wir endlich alles liefern, was die Ukraine im Gefecht verbundener Waffen legal einsetzen kann. Kampfflugzeuge gehören dazu."

Wie geht es jetzt weiter mit Waffenlieferungen?

Fokus der aktuellen Bemühungen zur Aufrüstung der Ukraine ist die Fähigkeit, Gelände im Osten des Landes zurückzugewinnen. "Man ist noch nicht so weit, dass man sagt, dafür brauche man modernste Kampfflugzeuge", sagt ZDF-Washington-Korresponden Elmar Theveßen. Auch die Wartung der MiGs ist in der Ukraine deutlich leichter zu bewerkstelligen als die von F-16-Jets.
Die USA bilden zwar aktuell zwei ukrainische Piloten an F-16-Flugsimulatoren aus. "Sie wollen feststellen, wie viel sie eigentlich wissen, wie schnell könnten sie möglicherweise das Fliegen dieser Jets erlernen. Aber das bedeutet eben nicht (...), dass dann auch die USA in den nächsten Wochen schon bereit sein würden, F-16-Kampfjets in die Ukraine zu liefern", berichtet Theveßen.
Die Lieferung deutscher Tornado-Jagdbomber an die Ukraine sieht der Experte Neitzel kritisch: "Das Ding ist noch deutlich älter als eine MiG-29. Das empfiehlt sich wirklich nicht, der wird nur noch von Klebeband zusammengehalten." Die F-16 halte er mit Blick auf die große Verbreitung für die beste Option.
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