: Wie die Welt auf Putins Rede reagiert

21.02.2023 | 18:49 Uhr
Bedauerlich, bedrückend, Propaganda: Wladimir Putins Rede knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn erntet weltweit Kritik - und macht wenig Hoffnung auf baldigen Frieden.
Nach der Rede von Wladimir Putin kurz vor dem Jahrestag des Ukraine-Kriegs reagieren Politikerinnen und Politiker weltweit mit Kritik. Besonders die Aussetzung des "New Start"-Vertrages aus dem Jahr 2010 sorgt dabei für Fassungslosigkeit.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Pläne Putins, den "New Start"-Abrüstungsvertrag mit den USA auszusetzen scharf kritisiert. Der Kreml-Chef sei auf einem Pfad unterwegs, der sehr bedrückend sei, so Scholz. US-Außenminister Antony Blinken sagte laut einer vom Außenministerium veröffentlichten Mitschrift am Dienstag in Athen:
Die Ankündigung Russlands, seine Teilnahme an New Start auszusetzen, ist äußerst bedauerlich und unverantwortlich.
Antony Blinken, US-Außenminister
"Wir werden genau beobachten, was Russland tatsächlich tut", fügte er hinzu.
ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen berichtet aus Warschau über die Reaktionen auf Putins Rede:

Russland: Atomwaffen trotz Ausstiegs weiter begrenzen

Ungeachtet der angekündigten Aussetzung des Abrüstungsvertrages will Russland eigenen Angaben zufolge weiter die dort festgeschriebene Obergrenze für Atomwaffen weiter einhalten.
In einer am Dienstagabend veröffentlichten Mitteilung des Außenministeriums in Moskau heißt es: "Um ein ausreichendes Maß an Vorhersehbarkeit und Stabilität im Atomraketen-Bereich zu wahren, beabsichtigt Russland, an einem verantwortungsvollen Vorgehen festzuhalten, und wird für die Dauer der Vertragslaufzeit die von ihm vorgesehenen quantitativen Beschränkungen für strategische Offensivwaffen strikt einhalten."

Der Atomwaffen-Kontrollvertrag "New Start"

Der "New Start"-Vertrag wurde 2010 in Prag unterzeichnet, trat 2011 in Kraft und wurde 2021 unmittelbar nach Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden um weitere fünf Jahre verlängert. Er begrenzt die Zahl der strategischen Atomsprengköpfe, die die USA und Russland stationieren können, sowie die Stationierung von land- und unterseegestützten Raketen und Bombern, um sie zu transportieren.

Experten zufolge verfügt Russland mit fast 6.000 Sprengköpfen über das größte Atomwaffenarsenal der Welt. Zusammen besitzen Russland und die USA rund 90 Prozent der weltweiten Atomsprengköpfe.

Quelle: Reuters

Stoltenberg: Putin hat "imperialen Eroberungskrieg" begonnen

Zuvo hatte auch der Generalsekretär der Nato, Jens Stoltenberg, die Entscheidung Russlands, seine Teilnahme am "New Start"-Vertrag auszusetzen, bedauert. Die Regierung in Moskau solle die Entscheidung überdenken, sagt Stoltenberg auf einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Brüssel.
Mehr Atomwaffen und weniger Rüstungskontrolle machen die Welt gefährlicher.
Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär
Zu Putins Anschuldigung, der Westen versuche Russland zu zerstören, sagt Stoltenberg, Russland habe die Ukraine angegriffen. "Es ist Präsident Putin, der diesen imperialen Eroberungskrieg begonnen hat." Putin habe deutlich gemacht, dass er sich auf weitere Kriege vorbereite.
Was Putin in seiner Rede der Ukraine und dem Westen vorwirft, sehen Sie in diesem Beitrag:

Ukraine will verantwortliche Russen zur Verantwortung ziehen

Unterdessen hat die Führung in Kiew das Ziel bekräftigt, die russischen Soldaten aus der Ukraine zu "vertreiben" und die Verantwortlichen für den Krieg zur Rechenschaft zu ziehen. Die Russen steckten "strategisch in einer Sackgasse", erklärte der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak, am Dienstag im Onlinedienst Telegram.
Wladimir Putin hatte zuvor in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt, die Offensive in der Ukraine "systematisch" fortzusetzen. Russland werde in der Ukraine "sorgfältig und systematisch" vorgehen und die Ziele seines Militäreinsatzes so "Schritt für Schritt" erreichen, sagte der russische Präsident.
Was US-Präsident Joe Biden bei seinem Polen-Besuch auf die Rede von Wladimir Putin antwortet, sehen Sie im ZDFheute live:

"Putin dreht an der Eskalationsschraube"

Die Schuld am Einmarsch in die Ukraine schob Putin in seiner Rede zum wiederholten Mal dem Westen zu, obwohl er den Angriff vom 24. Februar 2022 selbst angeordnet hatte. "Sie haben den Krieg losgetreten", sagte er in Richtung westlicher Staaten. Russland versuche lediglich, die Kämpfe zu beenden.
"Putin dreht an der Eskalationsschraube", sagte Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai gegenüber t-online.de. Damit sei klar, dass "dem Kreml nicht an einer Deeskalation der Situation gelegen" sei.
Daher müssen wir weiter wehrhaft und aufmerksam bleiben und fest an der Seite unserer Partner und Verbündeten stehen.
Bijan Djir-Sarai, FDP-Generalsekretär

Meloni: "Es war Propaganda"

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bezeichnet die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Lage der Nation als Propaganda. Sie habe auf konstruktivere Äußerungen gehofft, sagt Meloni während eines Besuches in der ukrainischen Stadt Irpin. "Ein Teil meines Herzens hoffte auf andere Worte, auf einen Schritt nach vorne."
Es war Propaganda.
Giorgia Meloni, Ministerpräsidentin Italiens
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Quelle: dpa, AFP, Reuters, AP

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