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: Fünf Regeln der Ukraine für Streumunition

von Julia Klaus
21.07.2023 | 16:07 Uhr
Die Ukraine setzt laut USA die umstrittene Streumunition ein - sie hat sich dafür fünf Grundsätze gegeben. Welche Regeln sind das und kann Kiew diese einhalten?

Nach US-Informationen wird die gelieferte Streumunition von der Ukraine bereits effektiv gegen die russischen Angreifer eingesetzt.

21.07.2023 | 01:36 min
Die ukrainische Armee setzt im Krieg gegen Russland nun die Streumunition ein, die von den USA geliefert wurde - und zwar schon "seit etwa einer Woche", so der Sprecher des US-Sicherheitsrates, John Kirby, am Donnerstag.
Sie setzen sie angemessen ein, sie setzen sie effektiv ein.
John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses
Ihr Einsatz wirke sich bereits auf die russischen Verteidigungsstellungen und Offensivmanöver aus, ergänzte Kirby. Die USA hatten lange mit ihrer Zusage für diesen Munitionstyp gezögert, wohl wissend, welche Kontroverse dies auslösen wird. Das Weiße Haus betont, dass es eine Art Übergangslösung sei, weil Artilleriemunition fehle.

Kinder können "Bomblets" mit Spielzeug verwechseln

Streumunition funktioniert so: Eine Granate oder Rakete wird mit vielen kleinen Sprengsätzen beladen, im Flug platzt sie dann auf und setzt die "Bomblets" - die "kleinen Bömbchen" - frei, woraufhin diese bodennah explodieren (sollen). Das produziert immer wieder viele Blindgänger, die lange nach dem Abwurf noch Zivilisten verletzen oder töten können. Besonders Kinder sind immer wieder Opfer, weil sie die Sprengsätze mit Spielzeug verwechseln.

US-Präsident Biden hat die geplante Lieferung von Streumunition an die Ukraine verteidigt. In einem Interview sagte er, die Ukraine benötige die Munition im Kampf gegen Russland.

08.07.2023 | 00:25 min
Mehr als 100 Staaten ächten diesen Munitionstypen, darunter auch Deutschland. Die USA, Russland und die Ukraine sind aber nicht dem entsprechenden Abkommen beigetreten.

Kann die Ukraine ihre Streubomben-Grundsätze einhalten?

Wohl auch, weil viele ihrer Verbündeten den Einsatz von Streumunition rigoros ablehnen, hat sich die Ukraine fünf Grundsätze gegeben - Verteidigungsminister Oleksii Reznikov hatte sie bei Twitter veröffentlicht:
  1. Einsätze nur in der Ukraine mit dem Ziel der Rückgewinnung ihres Territoriums.
  2. Kein Einsatz in Städten ("urban areas")
  3. Den Einsatz zu dokumentieren
  4. Später die Minen zu räumen
  5. Die erfolgten Einsätze den Partnern zu melden
Tweet von Oleksii Reznikov
Wie realistisch ist es, dass die Ukraine diese Zusagen erfüllen kann? Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sagt gegenüber ZDFheute:
Die fünf Grundsätze sind realistisch. Die Ukraine will nicht mehr als ihr Territorium zurück - und sie will dabei nicht ihre eigenen Leute verlieren, weder im Kampf noch später durch Blindgänger.
Christian Mölling, Militärexperte
Mit Blick auf die Räumung gibt er zu bedenken: "Die Ukraine hat ein großes Interesse daran, ihr eigenes Territorium schnell von möglichen Blindgängern zu befreien. Das kann aber erst passieren, wenn es kein aktuelles Kampfgebiet mehr ist."
Streumunition ist umstritten und wird von vielen Staaten geächtet. Warum ist das so? Ein Überblick:

Gretchen-Frage der Blindgänger-Rate

Ein wichtiger Faktor ist die Blindgänger-Rate, also der Anteil an nicht explodierter Munition. Ein Sprecher des Pentagons hatte gesagt, dass sie bei den gelieferten Typen nicht höher als 2,35 Prozent liege. Doch Experten zweifeln am Zustandekommen solch niedriger Zahlen. Die Munition sei unter perfekten Bedingungen getestet worden - eine Rate von 20 Prozent sei realistischer, so der US-amerikanische Militärberater Marc Garlasco. Berichte zu älteren Konflikten stützen diese Zahl.
Tweet von Marc Garlasco
Was nicht vergessen werden darf: Zwar behauptet der russische Präsident Wladimir Putin das Gegenteil, doch auch Russland setzt in diesem Krieg gegen die Ukraine Streumunition ein - und zwar "sehr häufig", wie der Bericht der "Cluster Munition Coalition" vom Jahr 2022 zeigt. Laut den USA hat russische Streumunition zudem viel höhere Blindgänger-Raten. Der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan sprach von 30 oder 40 Prozent.
Auch die Vereinten Nationen (UN), Hilforganisationen und Journalisten haben vom Einsatz von Streumunition durch russische Kräfte berichtet:
Die Ukraine argumentiert, dass sie die Streumunition dringend zur Befreiung besetzter Gebiete brauche. Tatsächlich kann man damit sowohl Soldaten in den Schützengräben als auch gepanzerte Fahrzeuge effektiv angreifen, wie eine Analyse von "The Drive" argumentiert.
Die Streumunition ist eines von vielen gefährlichen Artefakten dieses blutigen Kriegs. Militärexperte Mölling betont, dass große Teile der Ukraine mit Minen und Blindgängern verseucht seien.
Die Ukraine dürfte noch auf Jahre mit der Räumung von Blindgängern jedweder Art beschäftigt sein.
Christian Mölling, Militärexperte
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