: Sudan: Tote bei Kämpfen mit Paramilitärs

von Nils Metzger
16.04.2023 | 05:59 Uhr
Im Sudan gehen die Gefechte zwischen Armee und Paramilitär weiter. UN-Generalsekretär Guterres forderte die Konfliktparteien auf, "die Feindseligkeiten einzustellen".
Die schwere Staatskrise im Sudan dauert an. Auch in der Nacht zu Sonntag gab es weitere Kämpfe zwischen Einheiten der Armee und einer wichtigen paramilitärischen Gruppe. In der Hauptstadt Khartum kam es erneut zu Artilleriegefechten, wie auf Videos örtlicher Medien zu sehen war. Berichtet wurde zudem über Luftangriffe der sudanesischen Luftwaffe auf Stützpunkte der Paramilitärs. Exakte Angaben über die Opferzahlen gibt es bislang nicht. Die Sudanesische Ärztevereinigung sprach am Sonntag von mindestens 56 getöteten Zivilisten.
Zivilisten berichten von schweren Schusswechseln, sie berichten von Panzern, von Einschlägen mitten in Wohngebieten, sie berichten von verletzten Kindern. Es wird nicht nur in der Hauptstadt gekämpft, sondern auch in weiteren Landesteilen.
Golineh Atai, ZDF-Korrespondentin
Der UN-Sicherheitsrat hat angesichts der schweren Kämpfe alle Konfliktparteien aufgefordert, die Gefechte einzustellen und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. UN-Generalsekretär António Guterres forderte die Konfliktparteien auf, "die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen, die Ruhe wiederherzustellen und einen Dialog zur Lösung der aktuellen Krise einzuleiten". Auch US-Außenminister Antony Blinken und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderten ein Ende der Gewalt.

Sorge vor einem Bürgerkrieg wächst

Im Norden der Hauptstadt soll auch der Internationale Flughafen besetzt worden sein, der Flugverkehr sei eingestellt. Der Sudan-Experte Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politk warnt auf Twitter:
Der Einsatz von Luftkräften in urbanen Gebieten ist extrem gefährlich. Er deutet auf eine sehr schnelle militärische Eskalation hin.
Gerrit Kurtz, Stiftung Wissenschaft und Politik
"Es könnte deutlich schwieriger werden, die Gewalt in Khartum zu verfolgen, da die Behörden das Internet abschalten könnten - wie sie es bereits viele Male zuvor getan haben, um zivilen Widerstand zu unterdrücken. Heute sind es die Sicherheitskräfte, die untereinander kämpfen", so Kurtz weiter.
Video eines Kampfjets über der Hauptstadt Khartum
Die deutsche Botschaft in Khartum rief über Twitter dazu auf, öffentliche Straßen und Plätze zu meiden. Deutsche vor Ort sollten sich auf die Krisenvorsorgeliste "Elefand" eintragen, weitere Informationen würden per E-Mail mitgeteilt.
Bleiben Sie an [einem] sicheren Ort und vermeiden Sie Aufenthalt auf Straßen und öffentlichen Plätzen. Informieren Sie andere Deutsche, dass Sie sich in die Krisenvorsorgeliste Elefand eintragen. Weitere Infos folgen per Mail.
Deutsche Botschaft Khartum

Wer ist für die Eskalation verantwortlich?

Es bekämpfen sich reguläre Streitkräfte und die sogenannten Rapid Support Forces (RSF). Sie ist eine Zehntausende Kämpfer zählende paramilitärische Gruppe unter dem Kommando von General Mohammed Daglo. Die RSF hatte am Samstag erklärt, sie habe die Kontrolle über den Präsidentenpalast und die Residenz von de-facto Staatsoberhaupt General Abdel Fattah al-Burhan übernommen. Diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Machthaber Abdel Fattah al-Burhan sagte dem arabischen Fernsehsender al-Dschasira am Samstagnachmittag, dass die Lage wieder unter Kontrolle sei. Dennoch gingen Gefechte am Sonntag unvermittelt weiter. Die sudanesische Armee erklärte, Dutzende RSF-Fahrzeuge in der Stadt Merowe, 300 Kilometer nördlich von Khartum, zerstört zu haben.
General Daglo soll zu den reichsten Männern des Landes zählen und seinen Wohlstand vor allem mit Goldminen und dem Stellen von Söldner-Truppen für Kriege in Libyen oder Jemen verdient haben. Daglo gehörte bereits zu den führenden Köpfen der Übergangsregierung, die nach 2019 die Macht in Sudan übernommen hatte. Seitdem ringen zivile und militärische Vertreter darum, das Land in den kommenden Jahren in eine Demokratie zu überführen. 2021 putschte Daglo gemeinsam mit General al-Burhan gegen den zivilen Premierminister Abdallah Hamdok. Nun bekriegen sich die beiden wichtigsten Fraktionen der Sicherheitskräfte untereinander.
Videos von Feuer am Flughafen von Khartum

Demokratie-Prozess in Gefahr

Die aktuellen Gefechte sind ein weiterer Rückschlag für die Demokratie-Bemühungen in Sudan. Noch am Donnerstag hatten sich Diplomaten der EU, USA, Großbritanniens und Norwegens gemeinsam besorgt über eine Zuspitzung der politischen Lage in Sudan geäußert. US-Botschafter John Godfrey beschrieb auf Twitter, wie er am Morgen von den Gefechten geweckt wurde.
Die Eskalation von Spannung innerhalb des Militärs hin zu offenen Kämpfen ist sehr gefährlich. Ich rufe die Militärführer auf, die Kämpfe zu stoppen.
John Godfrey, US-Botschafter in Sudan
Anfang April waren die Verhandlungen über eine Reform der Sicherheitskräfte in einer Sackgasse angelangt. Das führte auch zu einer Blockade bei den weiteren Verhandlungen über das Übergangsabkommen, das demokratische Wahlen im Jahr 2024 ermöglichen soll.

RSF seit vielen Jahren für Gewalt bekannt

Hervorgegangen sind die RSF aus den berüchtigten Dschandschawid-Milizen, die beim Völkermord in der sudanesischen Region Darfur ab 2003 für Hunderttausende Tote verantwortlich sind. Der langjährige Diktator Omar al-Baschir stärkte RSF-Kommandeur Daglo und seine Milizen über viele Jahre politisch und militärisch. Dass al-Baschir 2019 gestürzt wurde, lag auch daran, dass Daglo ihm die weitere Gefolgschaft versagte und sich selbst an die Spitze des Staates stellen wollte.
Während der Proteste in den Jahren 2018 und 2019 griffen die RSF mehrfach friedliche Demonstranten an. Beim Khartum-Massaker vom 3. Juni 2019 töteten RSF-Kräfte über 100 Menschen.
Quelle: Mit Material von dpa, Reuters

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