: US-Leaks: FBI nimmt Verdächtigen fest

13.04.2023 | 19:33 Uhr
Im Fall der geleakten US-Geheimpapiere ist ein Militärmitarbeiter gefasst worden. Dass Medien den Mann vor dem FBI aufspürten, sei "hochnotpeinlich", so Korrespondent Theveßen.
Die US-Bundespolizei FBI hat bei der Untersuchung zu geleakten Geheimdokumenten ein Mitglied der für den Luftraum zuständigen Einheit der Nationalgarde im US-Staat Massachusetts festgenommen. Justizminister Merrick Garland teilte mit, dass dem 21-Jährigen Entwendung vertraulicher Informationen über die nationale Verteidigung zur Last gelegt werde.
FBI-Agenten hatten das Haus des Verdächtigen in Massachusetts aufgesucht. Schwer bewaffnete Polizisten nahmen ihn in Gewahrsam.

ZDF-Korrespondent: Alles wohl "aus grenzenloser Naivität heraus"

Wie aber konnte das alles überhaupt passieren? Aus grenzenloser Naivität heraus, glaubt Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington. "Erstens wegen der ganzen Naivität der Vorgesetzten, die dem mutmaßlichen Täter Zugang gewährt haben zu strengsten Staatsgeheimnissen. Und dann wegen der Naivität des jungen Mannes, der nichts dabei fand, vor Freunden damit zu prahlen und sich hat bewundern lassen in den sozialen Netzwerken."
Video eines lokalen Fernsehsenders zeigt Festnahme

Der mutmaßliche Maulwurf: Jack T., 21, Nationalgardist

US-Medien hatten zuvor erste Details zu den Ermittlungen und über den mutmaßlichen Maulwurf in Umlauf gebracht. Bei dem Mann handelt es sich demnach um einen 21 Jahre alten Militärmitarbeiter aus dem Bundesstaat Massachusetts. Es sei ein Angehöriger der Nationalgarde namens Jack T., der eine Chat-Gruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord geleitet habe. Den Berichten zufolge soll es sich bei dem Festgenommenen um diesen Mann handeln.
Die "Washington Post" hatte zuvor unter Berufung auf Mitglieder der Gruppe ausführlich über den jungen Mann berichtet, den manche "OG" genannt hätten. Später identifizierte die Zeitung ihn ebenfalls mit seinem bürgerlichen Namen. Er habe die brisanten Unterlagen zunächst als Abschriften mit der Chat-Gruppe geteilt und später dort Fotos von ausgedruckten Dokumenten hochgeladen.
Die "New York Times" schrieb, Details der Inneneinrichtung aus dem Elternhaus des 21-Jährigen, die auf Familienfotos in sozialen Medien veröffentlicht worden seien, stimmten mit Details am Rand einiger Fotos der veröffentlichten Geheimdokumente überein.
Die Geheimdienste, so ZDF-Korrespondent Theveßen, prüften nun natürlich auch, "wie es zu so einem Leck kommen konnte". Man wolle künftig sicherstellen, dass "Geheimnisträger nicht nur per E-Mail Geheimnisse mal eben an Mitarbeiter weitergeben und diese das mal eben an Dritte verteilen". Oder dass sie "bei Briefings und Konferenzen geheime Papiere auf den Tisch legen und mal eben mit nach Haus nehmen".

Was US-Bürgern droht, die Geheimnisse preisgeben

Das Ganze sei auch keinesfalls ein "dummer Jungenstreich", erklärt Theveßen weiter, denn "von diesen Informationen hängen möglicherweise Menschenleben ab. Wenn sie an die Öffentlichkeit kommen, dann kann das Vorteile bringen im Krieg. Und das kann im Krieg aber auch zur Enttarnung von Informanten führen und zu deren Tod".
Daher werde der junge Mann wegen Spionage anklagt werden. Das aber bedeute, "wer vertrauliche Dokumente veröffentlicht, die streng geheim sind, und die dem Gegner helfen können, wird mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft. Dies gilt aber für jeden einzelnen Anklagepunkt und damit für jedes einzelne geleakte Dokument. Das hieße in diesem Fall, für 300 Dokumente".

US-Leaks: Geheime Dokumente kursieren seit Wochen im Internet

Schon seit Wochen kursieren im Internet geheime Dokumente von US-Stellen - angeblich vom Nachrichtendienst CIA und vom Pentagon - zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Informationen zu Waffenlieferungen, Einschätzungen zum Kriegsgeschehen. Aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner.
Unklar ist, was davon authentisch ist und was möglicherweise bearbeitet worden sein könnte. Für die US-Regierung ist die Sache höchst unangenehm. Es stellen sich Fragen dazu, wie verlässlich die Amerikaner sind, wie gut sie ihre Geheimnisse und die ihrer Partner schützen und wie loyal sie Verbündeten gegenüber sind.

Peinliche Affäre vor allem auch für US-Geheimdienste

Die Frage sei aber auch, meint ZDF-Studioleiter Theveßen, wie es sein könne, dass "US-Medien schneller auf den Verdächtigen stießen und so nah an den Mann herankamen und dann erst das FBI und Polizei? "Das ist hochnotpeinlich, da werden sich die Geheimdienste und Joe Biden viele Fragen gefallen lassen müssen".
US-Medien berichteten kurz vor Ostern erstmals über das Leck, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erfuhr nach eigenen Angaben erst zu dem Zeitpunkt, etwa vor einer Woche von dem Datenleck - obwohl das Material da schon wochenlang im Netz umherging.

Chat-Gruppe über "OG": Waffennarr mit Hang zu Verschwörungstheorien

Ein Bericht der "Washington Post" legte am späten Mittwochabend (Ortszeit) als erstes umfangreiche Details über den möglichen Maulwurf offen. In dessen Chat-Gruppe hätten sich rund zwei Dutzend junge Leute mit Vorliebe für Waffen und Militärausrüstung zusammengeschlossen. Die Runde habe sich 2020 während der Corona-Pandemie gegründet.
Der Mann mit dem Spitznamen "OG" wird beschrieben als charismatischer Waffennarr mit düsteren Ansichten und einem Hang zu Verschwörungstheorien rund um die US-Regierung, die Geheimdienste und die Strafverfolgungsbehörden. Andere in der Gruppe hätten ihn bewundert:
Er ist fit. Er ist stark. Er ist bewaffnet. Er ist trainiert. So ziemlich alles, was man von einem verrückten Film erwarten kann.
Mitglied der Chat-Gruppe
"OG" habe der Gruppe erzählt, dass er auf einem Militärstützpunkt, wo er arbeitete, an die Dokumente gelangt sei. Dort habe er laut eigener Darstellung Teile des Tages in einer abgesicherten Einrichtung verbracht, in der Mobiltelefone und andere elektronische Geräte verboten gewesen seien, mit denen Fotos oder Videos gemacht werden können.
Daher habe er die Dokumente zunächst abgeschrieben. Als sich das Abschreiben als zu mühsam erwies, begann er laut der Zeitung, Bilder zuvor ausgedruckter Papiere zu posten.
Quelle: AP, dpa, Reuters, ZDF

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