: Wie Trumps Lüge die Midterms bedroht

von Alexandra Hawlin, Phoenix
08.11.2022 | 15:18 Uhr
Morddrohungen gegen Wahlhelfer, hohe Sicherheitsvorkehrungen, Offensive gegen Fake News: Ein County in Arizona kämpft zu den Midterms gegen Trumps Lüge von manipulierten Wahlen.
Wahlstation in Maricopa County: Hier werden vorzeitig abgegebene Stimmzettel gezählt.Quelle: ZDF
Mehr als die Hälfte der republikanischen Kandidaten, die zu den Midterms antreten, bestreiten, dass Joe Biden die Präsidentschaftswahl 2020 rechtmäßig gewonnen hat. Trumps Lüge der gestohlenen Wahl hat eine Atmosphäre geschaffen, in der es für Wahlhelfer zur Normalität geworden ist, belästigt und bedroht zu werden.
Besonders spürbar ist das in Arizona, ein US-Bundesstaat, in dem Ex-US-Präsident Donald Trump immer noch nicht seine Niederlage vor zwei Jahren eingestanden hat.

Maricopa County kämpft gegen Wahlleugner in den USA

In Maricopa County, dem größten County von Arizona, kämpfen sie seit zwei Jahren an vorderster Front gegen Wahlleugner und haben sich auf diese Midterms vorbereitet: "So wie ich es in 30 Jahren, die ich im Amt bin, nicht erlebt habe", sagt Sheriff Paul Penzone.

Vor den Zwischenwahlen mobilisieren US-Präsident Biden und sein Vorgänger Trump ihre Anhänger. Biden warnt die polarisierte Gesellschaft vor noch mehr Spaltung und Aggressivität.

07.11.2022
Er habe sehr viele Ressourcen aktiviert. Im Einsatz sind uniformierte Beamte und verdeckte Mitarbeiter, Streifenwagen sind unterwegs. Auch das Justizministerium schickt zum Wahltag Beobachter.
Ich hätte mir nie gedacht, dass wir Zäune und Barrikaden vor Wahlstationen aufstellen müssen.
Paul Penzone, Sheriff Maricopa County
Aber es sei für den bedeutendsten Vorgang in der Demokratie des Landes: die Stimmabgabe. Und deshalb gelte für ihn "null Toleranz". Die Botschaft des Sheriffs für den Wahltag: "Ich habe sehr viele Zellen in den Gefängnissen frei."
Paul Penzone, Sheriff des Maricopa County, informiert zu den Sicherheitsvorkehrungen zu den Zwischenwahlen.Quelle: ZDF

Wahlhelfer wurden vor Midterms trainiert

In den vergangenen Tagen habe es eine Handvoll an Einschüchterungsversuchen vor Wahllokalen gegeben. Um sie auf Zwischenfälle, Anfeindungen und Aggressionen am Wahltag vorzubereiten, haben die Wahlhelfer eigens Trainings erhalten. Für viele ist die Bedrohung aber schon seit zwei Jahren allgegenwärtig.
Stephen Richer ist Republikaner und kandidierte 2020 für das Amt des "Recorder". Damit ist er in Maricopa County verantwortlich für alles rund um die Wahlen: Wählerregistrierung, die vorzeitige Stimmabgabe, die Verwaltung aller öffentlichen Unterlagen.

Republikaner Richer wird angefeindet - weil er Wahl von 2020 anerkennt

Weil er die Wahlergebnisse 2020 aber anerkennt und keine Beweise geliefert hat, dass sie unrechtmäßig wären, ist er zur Zielscheibe geworden - von Trumpisten, Verschwörungstheoretikern und ehemaligen Parteifreunden.
Am Nachmittag vor dem Wahltag tritt er in Phoenix, Arizona, noch einmal vor die Presse. Er will über Fake News im Zuge der Stimmzählung und die Sicherheit am Wahltag sprechen. Der Raum ist voll, auch die internationale Presse ist diesmal gekommen. So war es noch nie und das sage viel aus über den Zustand der Demokratie in diesem Land, sagt Richer.
Stephen Richer ist "Recorder" in Maricopa County und bekommt vor den Midterms Morddrohungen.Quelle: ZDF
Seine Augenringe verraten, dass er müde ist. Was ihm der Job abverlangt, fragt eine Journalistin. Er beugt seinen Kopf vornüber, schütteres Haar ist zu sehen. "Anfang 2020 waren es auf jeden Fall ein paar mehr", scherzt er.
Leute schicken mir Sprachnachrichten, sagen, sie wollen mich hängen.
Stephen Richer, Recorder in Maricopa County
"Leute sagen, ich sei ein Verräter und Verräter sollen hingerichtet werden", berichtet Richer im ZDFheute-Interview. Personen hätten sich ihm auch schon genähert und ihn körperlich angegriffen.
Er holt sein Telefon raus, spielt eine Sprachnachricht vor. Wenn er nicht endlich seinen verdammten Job richtig mache, werde er nicht mehr zum nächsten Arbeitsmeeting kommen, sagt eine Stimme. "Dafür ist dieser Mann in Missouri vom FBI festgenommen worden", sagt Richer.

Briefwahlstimmen verzögern vermutlich Wahlergebnis

Er kämpft seit zwei Jahren wie David gegen Goliath gegen Einschüchterungsversuche, aber auch gegen Fake News. Wenn jemand auf Social Media von Unregelmäßigkeiten spricht, geht er den Behauptungen persönlich nach und antwortet den Userinnen und Usern.
Was gerade im Netz am meisten Misstrauen schaffe, sei die Tatsache, dass das Wahlergebnis nicht am Wahltag vorliegt. Grund dafür seien aber nicht etwa Unregelmäßigkeiten, sondern die Briefwahlstimmen, die erst am darauffolgenden Tag gezählt werden und die Tatsache, dass die Rennen zwischen Republikanern und Demokraten so knapp wie lange nicht sind.

Richer will seine Amtszeit in Maricopa County durchhalten

Was er machen wird, wenn die republikanischen Kandidaten in Arizona die Wahlergebnisse der Midterms anzweifeln? "Das wäre nichts Neues", sagt Richer.
Er ist für vier Jahre gewählt. Solange will er das Amt auch ausüben. Aber er versteht, wenn Mitarbeitende dies vielleicht nicht mehr so lange mitmachen wollen.
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