: Flüchtlingsansturm auf die USA bleibt aus

von Claudia Bates
13.05.2023 | 04:54 Uhr
US-Präsident Biden rechnete mit einer Flüchtlingswelle, nachdem der "Title 42" endete. Doch diese blieb aus. Die Regierung Mexikos gab Entwarnung. Wird es dabei bleiben?
Eine Familie aus Venezuela bei einer Flüchtlingsunterkunft im US-Bundesstaat Mexiko.Quelle: AP Photo/Andres Leighton
Eine "ruhige und normale" Situation herrsche am Freitagmorgen an der Grenze, ohne größeren Andrang oder bedeutende Zwischenfälle, so die mexikanische Regierung. Das Aufatmen in Washington darüber dürfte weithin zu hören gewesen sein, denn das ist mehr, als US-Präsident Joe Biden zu hoffen wagte.
"Chaos für eine Weile" hatte er vorsorglich schon angekündigt. Seine Regierung hatte mit bis zu 14.000 Migranten täglich gerechnet, die über die Grenze aus Mexiko in die USA kommen, und bereits ab 8.000 sprechen die Behörden von einer "Welle".

In den USA läuft das umstrittene Abschiebegesetz "Title 42" aus der Amtszeit von Präsident Trump aus. Tausende warten jetzt an der mexikanischen Grenze - in der Hoffnung auf Asyl.

11.05.2023 | 00:59 min
Zehntausende Migranten harren südlich der Grenze in Mexiko aus und warten auf ihre Chance. Mit der Aufhebung des Corona-Notstands endete eine Regelung der Trump-Regierung, nach der Menschen unter Hinweis auf die Epidemie ohne Asylverfahren zurückgewiesen werden konnten.

Biden unter erheblichem Druck

Kritikern galt dieser "Title 42" immer nur als Vorwand für eine rigorose Flüchtlingspolitik. Biden hatte im Wahlkampf eine humanere Politik versprochen, aber die Regelung kam ihm nicht ungelegen und gab ihm Zeit, einen schwierigen Spagat vorzubereiten: einerseits seinem Wahlkampfversprechen und den Forderungen seiner Partei nachzukommen, aber gleichzeitig zu verhindern, dass die Flüchtlingszahlen hochschnellen. Denn er steht unter erheblichem Druck von den Republikanern, die Biden "offene Grenzen" vorwerfen und Angst schüren.
Die Regierung habe die bewusste Entscheidung getroffen, die Grenze für etwas zu öffnen, das nicht weniger als eine Invasion sei, so der republikanische Senator Ted Cruz. Das Thema Migration könnte wahlentscheidend sein, und so hängt für Präsident Biden vom Gelingen des Spagats nicht weniger ab als seine Präsidentschaft.

Es zeichne "sich nirgendwo eine Lösung für das Einwanderungsproblem der USA ab", so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. US-Präsident Biden werde für sein "Gerede" kritisiert.

09.01.2023 | 02:41 min

Wiedereinreiseverbot bei illegalem Grenzübertritt

Und das soll so gelingen: einerseits illegale Grenzübertritte durch strenge Regelungen verhindern und damit den Republikanern den Wind aus den Segeln nehmen. Aber gleichzeitig mehr legale Wege in die USA eröffnen und damit den Erwartungen seiner eigenen Partei entsprechen.
Wenn Migranten nun versuchen, die Grenze illegal zu übertreten, gilt für sie ein fünfjähriges Wiedereinreiseverbot, außerdem droht ihnen Gefängnis. Außerdem müssen Flüchtlinge zunächst in einem Transitland einen Antrag auf Schutz stellen, ansonsten haben sie das Recht auf Asyl in den USA verwirkt. Genauso, wie wenn sie keine legalen Wege zur Einwanderung nutzen.

Erstmals seit Beginn seiner Amtszeit besucht der US-Präsident das Grenzgebiet zu Mexiko, um über Migration zu beraten. Tausende Migranten harren zurzeit an der Grenze aus.

09.01.2023 | 02:35 min

US-Heimatschutzminister: "Grenze ist nicht offen"

Über eine App sollen Migranten einen Termin bei der Grenzbehörde buchen, doch viele berichten, das System sei überlastet und funktioniere nicht. Auch Migrationszentren außerhalb der USA, z.B. in Kolumbien und Guatemala, sollen illegale Einwanderung begrenzen.
"Die Grenze ist nicht offen", das betont US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas dieser Tage immer und immer wieder, der Plan der Regierung brauche etwas Zeit, aber werde erfolgreich sein. Momentan allerdings ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte auf einem Rekordhoch, zum Teil kamen in den vergangenen Tagen mehr als 10.000 Menschen täglich.

Republikaner wollen Zahlen der Einwanderer gering halten

Und für solche Zahlen ist das Asyl- und Einwanderungssystem der USA nicht konzipiert, es stammt aus einer anderen Zeit. Das Grundproblem ist also, dass der Kongress es seit Jahrzehnten versäumt, eine grundlegende Reform zu entwerfen und zu verabschieden. Die Parteien sind sich im Grundsatz nicht mehr einig, in welchem Maß Einwanderung überhaupt noch gewünscht ist in diesem Einwandererland.
Während die Demokraten weiterhin den Wert der Einwanderer für die US-Gesellschaft betonen und auch internationalen Menschenrechtsverpflichtungen nachkommen möchten, möchten die Republikaner die Zahl der Asylsuchenden möglichst geringhalten. Durch drakonische Maßnahmen möchten sie möglichst viele Menschen davon abhalten, sich auf den Weg in die USA zu machen. Ex-Präsident Trump verkündete gerade, er werde die Trennung von Familien wieder einführen, sollte er wieder Präsident werden.

Asylverfahren beschleunigen

Je weniger erfolgreich die Migrationspolitik der Biden-Regierung ist, desto mehr werden solche Ankündigungen bei den Wählern verfangen. Die US-Regierung muss - auch ohne die Hilfe des Kongresses, der hier komplett versagt - drängende Probleme lösen. Asylverfahren müssten dringend beschleunigt werden, mehr als 1,5 Millionen Fälle sind vor Gerichten anhängig, die Verfahren dauern durchschnittlich mehr als fünf Jahre.
"Titel 42" läuft aus - und jetzt?

Was ist "Title 42"?

"Title 42" ist der Name einer Gesundheitsverordnung aus der Amtszeit von Ex-US-Präsident Donald Trump und gilt seit März 2020. Die Verordnung erlaubte die Begrenzung der Migration aus Mexiko mit dem Ziel, die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern. Zuvor konnten Migranten die Grenze illegal überqueren, Asyl beantragen und mit Erlaubnis in die USA einreisen. Sie wurden dann überprüft und häufig freigelassen, um das Ergebnis ihres Einwanderungsverfahrens abzuwarten.Unter "Title 42" wurden Migranten über die Grenze zurückgebracht, und ihnen wurde das Recht auf einen Asylantrag verweigert. Das geschah in mehr als 2,8 Millionen Fällen. Familien und unbegleitete Minderjährige waren ausgenommen. Für illegale Grenzübertritte drohten aber keine echten Konsequenzen. Daher konnten Einreisewillige viele Versuche hintereinander unternehmen. Präsident Joe Biden hielt nach seinem Amtsantritt zunächst an "Title 42" fest, wollte die Verordnung aber dann 2022 abschaffen.

Republikaner klagten dagegen mit der Begründung, dass die Beschränkungen für die Grenzsicherheit notwendig seien. Gerichte entschieden, dass die Regelungen in Kraft bleiben.Doch im Januar kündigte die Biden-Regierung das Ende der landesweiten Corona-Maßnahmen an, was die Grenzverordnung einschloss. Der Präsident erklärte die neuen Änderungen für notwendig, unter anderem weil der Kongress seit Jahrzehnten keine Einwanderungsreform verabschiedet habe.

Was passiert als Nächstes?

Die "Title 42"-Restriktionen wurden jetzt aufgehoben. Die Regierung setzte eine Reihe neuer Maßnahmen gegen illegale Einreisen in Kraft - nach offiziellen Angaben, um Menschen von der gefährlichen und oft tödlichen Reise abzuhalten. Jetzt gelten strenge Konsequenzen: Wer beim Versuch eines illegalen Grenzübertritts erwischt wird, darf fünf Jahre lang keinen erneuten Versuch unternehmen; andernfalls drohen strafrechtliche Folgen.

Die neuen Asylregeln

Nach US-amerikanischem und internationalen Recht darf jeder, der in die Vereinigten Staaten kommt, Asyl beantragen. Zu diesem Zweck kommen Menschen aus der ganzen Welt an die US-mexikanische Grenze. Die Behörden prüfen, ob den Asylbewerberinnen und -bewerbern im Heimatland Verfolgung droht. Dann gehen die Fälle an Einwanderungsgerichte, wo die Verfahren mehrere Jahre dauern können. Jetzt weist die Regierung alle Asylsuchenden ab, die sich nicht zunächst um Schutz in einem Transitland bemüht oder einen Online-Antrag gestellt haben. Ähnliche Regelungen hatte auch Trump durchsetzen wollen, war aber vor Gericht damit gescheitert. Auch diesmal bemühten sich Gegner der neuen Maßnahmen bis zuletzt, diese zu stoppen.

Wer darf einreisen?

Die USA kündigten an, bis zu 30.000 Menschen monatlich aus Venezuela, Haiti, Nicaragua und Kuba aufzunehmen, sofern diese mit dem Flugzeug einreisen, einen Bürgen haben und sich zuvor online bewerben. Unter der Bedingung eines Online-Antrags sollen zudem bis zu 100.000 Menschen aus Guatemala, El Salvador und Honduras mit Angehörigen in den USA einreisen dürfen. Bis zu 1.000 weitere Migranten können ins Land gelangen, wenn sie sich über eine App mit Namen CBP One bewerben.

Was gilt für Familien?

Familien, die illegal die Grenze überqueren, werden mit Ausgangssperren belegt, und der Haushaltsvorstand muss eine elektronische Fußfessel tragen. Die Einwanderungsbehörden entscheiden nach Möglichkeit innerhalb von 30 Tagen, ob die Familie in den USA bleiben darf oder abgeschoben wird. Der Prozess würde normalerweise jahrelang dauern.

Großer Andrang

An Grenzstationen sollen Migrantinnen und Migranten vorübergehend untergebracht werden, doch dafür fehlt der Platz. Manche Stationen sind schon überfüllt. Deswegen plante die Regierung, bei Kapazitätsproblemen Asylsuchende unter Auflagen freizulassen. Ein Bundesgericht stoppte das Vorhaben jedoch am Donnerstag zumindest vorläufig. Die Behörden wollen in der gesamten westlichen Hemisphäre 100 regionale Migrationszentren eröffnet, in denen sich Menschen um Asyl in anderen Ländern bemühen können, unter anderem in Kanada und Spanien. Als Standorte sind bislang Kolumbien und Guatemala bekannt. Wann die Einrichtungen in Betrieb gehen sollen, ist offen.

(Quelle: AP)

Das schafft einen Anreiz, in die USA zu kommen, denn in dieser Zeit bauen sich die Menschen längst ein Leben in den USA auf. Auch müsste die US-Regierung die Ursachen illegaler Migration in den lateinamerikanischen Herkunftsländern - Korruption, Armut, Gewalt - viel wirksamer angehen.

Keine langfristige Stabilität der Migrationspolitik

Bis der Kongress handelt, können die jeweiligen Regierungen nur improvisieren mit ihren völlig unterschiedlichen und gegensätzlichen Maßnahmen, die dann wieder vor Gericht angefochten und verworfen werden können. Ein systematischer Prozess ist so unmöglich und eine langfristige Stabilität der Migrationspolitik nicht in Sicht.

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