: Werden Innenstädte und Bahnhöfe so sicherer?

von Torben Heine
22.06.2023 | 15:23 Uhr
Die Ausschreitungen im Ruhrgebiet häufen sich. Mehrere Städte in Deutschland haben zur Bekämpfung von Kriminalität Waffenverbotszonen eingeführt. Ein Vorbild für mehr Sicherheit?
WaffenverbotszoneQuelle: dpa
Mehr als Hundert Beteiligte sollen es in der vergangenen Woche bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen zwei verfeindeten Gruppen in Essen gewesen sein, heißt es von der Polizei. Es gab Verletzte, darunter auch Polizeibeamte. Eine Vielzahl von Hieb- und Stichwaffen sei sichergestellt worden.
Vorfälle wie dieser und die Massenschlägerei in Castrop-Rauxel kurz zuvor werfen Fragen auf: Wie können Kriminalitätshotspots wie Innenstädte und Bahnhöfe sicherer werden? Sind temporäre oder dauerhafte Verbotszonen mit verstärkten Waffenkontrollen eine Lösung?

Im Ruhrgebiet kommt es zu blutigen Auseinandersetzungen verfeindeter Familiengruppen mit syrischer und libanesischer Abstammung. Integrationsproblem oder Organisierte Kriminalität?

21.06.2023 | 03:12 min

Wo gibt es Waffenverbotszonen?

Das Waffengesetz und die Polizeigesetze regeln in Deutschland, dass die Länderpolizeien zeitweise oder dauerhaft Waffenverbotszonen errichten können - etwa für Großveranstaltungen oder aufgrund erhöhter Kriminalität. Auch die Bundespolizei kann ähnliche Allgemeinverfügungen erlassen. Messer mit langen Klingen, Abwehrsprays oder in anderen Bereichen erlaubte Schusswaffen werden damit verboten.

Rechtliche Grundlage für Waffenverbotszonen

Für den Erlass von Waffenverbotszonen sind nach dem Waffengesetz (§ 42, Abs. 5) die Landesregierungen zuständig. Die Zonen können eingerichtet werden, wenn an öffentlichen Orten wiederholt Straftaten mit Waffengebrauch festgestellt wurden und auch künftig mit solchen Taten zu rechnen ist.

Durch das dritte Waffenrechtsänderungsgesetz können auch vielbesuchte Orte zu Waffenverbotszonen erklärt werden, die nicht vorher als kriminell oder gefährlich gelten müssen. Das Polizeirecht erlaubt ebenfalls das Verbot des "Mitführens gefährlicher Gegenstände" per Verordnung.

Für berufsbedingte waffenrechtliche Erlaubnisse (bspw. Mitarbeiter von Geldtransporten) sind meist Ausnahmen vorgesehen.

Quelle: Bundesjustizministerium

In derzeit elf deutschen Städten gibt es dauerhafte Waffenverbotszonen. Die ältesten liegen an der Reeperbahn und dem Hansaplatz in Hamburg, es gibt sie bereits seit 2007. Jüngst wurden ähnliche Bereiche auch in Stuttgart und Wolfsburg abgesteckt. Bei Verstoß gegen die Verbote drohen teils hohe Bußgelder, in Düsseldorf und Köln etwa bis zu 10.000 Euro.
ZDFheute Infografik
Mehr
Mehr
Mehr

Wie hilfreich sind die bestehenden Waffenverbotszonen?

Die Bilanzen fallen unterschiedlich aus. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zog im Dezember, ein Jahr nach der Einführung der Waffenverbotszonen in Düsseldorf und Köln, ein positives Fazit. Bei 17.191 Kontrollen habe die Polizei 349 Waffen und Messer sichergestellt und 744 Personen in Gewahrsam genommen. Unter den sichergestellten Waffen waren Messer und Dolche, aber auch Schreckschusswaffen und Totschläger.
Sollte sich bislang noch jemand die Frage gestellt haben, ob Waffenverbotszonen einen Beitrag zur Sicherheit unserer Innenstädte leisten, dann ist dieses Arsenal die beeindruckende Antwort.
Herbert Reul (CDU), NRW-Innenminister
Die Polizei Bremen sieht sowohl positive Auswirkungen auf die Strafverfolgung als auch für die Sicherheit der Bevölkerung. Auch die niedersächsische Polizei sieht Verbotszonen bislang als "zielführend" an, eine ausführliche Bewertung steht noch aus.

Bis zu 80 Einsätze werden täglich am Hauptbahnhof Hannover geleistet. Einige davon auf der Nachschicht von Christopher Grenz und Tom Ziemke von der Bundespolizei Hannover.

09.06.2023 | 07:57 min

Leipziger Waffenverbotszone erzielt nicht die erhoffte Wirkung

Das sächsische Innenministerium stellte dagegen in einer Evaluation nach einem Jahr fest, dass die Waffenverbotszone in der Leipziger Eisenbahnstraße nicht die erhoffte Wirkung erzielt habe. Beim Zurückdrängen von besonders schweren Straftaten sei die Zone als erstes Mittel zwar hilfreich - nachhaltig könne die Kriminalität und deren Ursachen dadurch aber nicht beseitigt werden. Die Zahl der relevanten Straftaten seien auch mit dem Verbot auf einem "unverändert gleichbleibend hohen Niveau geblieben".
In der Studie sprechen sich die Befragten stattdessen für den Ausbau "bürgernaher Polizeiarbeit" aus, etwa durch die Wiedereinrichtung eines lokalen Polizeipostens. Die Waffenverbotszone soll nun perspektivisch abgeschafft werden.

Rechtliche Grundlage umstritten

In Waffenverbotszonen darf die Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen, die Eingriffsschwelle ist niedrig. Gegen die Verbotszonen in Magdeburg und Halle (Saale) hat sich deshalb das Aktivisten-Bündnis "Waffenverbotszonen abschießen" zusammengeschlossen. Es sieht in dem vergrößerten Handlungsspielraum für die Polizei die Gefahr "staatlicher Diskriminierung, insbesondere racial profiling", also ein auf Stereotypen basierendes Handeln der Behörden.
Ähnlich argumentiert Martina Renner, innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag:
Allgemeine Waffenverbote erhöhen nicht die Sicherheit für alle. Sie sind in der Fläche kaum durchsetzbar, willkürliche Kontrollen werden die Folge sein.
Martina Renner, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion
Stattdessen müsse über direkte Waffenverbote gegen Gewaltstraftäter gesprochen werden.

Stadt Essen denkt nicht über Waffenverbotszone nach

Im Essener Rathaus denkt man nach den Ausschreitungen in der vergangenen Woche derzeit nicht darüber nach, eine Waffenverbotszone in der Innenstadt einzurichten. Eine Sprecherin verweist auf die bestehenden Maßnahmen: "Der Kommunale Ordnungsdienst kontrolliert die Innenstadt täglich in Kooperation mit der Polizei, ein sogenanntes CityService-Team ist täglich im Sinne eines privaten Sicherheitsdienstes in der Innenstadt unterwegs."
Von der örtlichen Polizei heißt es, sie habe die Präsenz im Stadtgebiet seit den Ausschreitungen am vergangenen Freitag deutlich erhöht.

Die von Innenministerin Faeser einberufene Allianz gegen Clan-Kriminalität sei eine "Showübung für den hessischen Wahlkampf" und keine wirkliche Hilfe, so NRW-Innenminister Reul.

22.06.2023 | 04:04 min

Auch Polizei sieht keinen Grund für Waffenverbotszone

Den Bedarf einer Waffenverbotszone sieht aber auch die Polizei nicht. Es gebe in Essen "objektiv keinen Schwerpunkt", so der Sprecher. "Wir haben also keinen bestimmten eingrenzbaren Bereich, in dem wir vermehrt Waffendelikte feststellen." Zumal würden sich "die Beteiligten solcher Tumultlagen in der Regel nicht dafür interessieren, ob es eine Waffenverbotszone gibt oder nicht."
"Wie die hohe Anzahl der Sicherstellungen von Messern am Wochenende gezeigt hat, reichen unsere rechtlichen Möglichkeiten und auch das Handeln meiner Kolleginnen und Kollegen in solchen Sachverhalten bisher aus.
Sprecher der Polizei Essen

Tumultlagen durch Waffenverbotszonen bekämpfen?

Dass Waffenverbotszonen zur Prävention und zur Beruhigung von Kriminalitätshotspots beitragen können, zeigen die Bilanzen einiger Städte mit fest etablierten Bereichen. Dafür muss ein solcher Bereich mit erhöhtem Kriminalitätspotenzial aber erst einmal bestimmt werden können.
Ob Verbotszonen auch wirksam gegen die sogenannte "Clan-Kriminalität" mit spontanen Tumulten eingesetzt werden könnten, dürfte daher fraglich sein.

Mehr zum Thema Sicherheit