FAQ

: Wahlrechtsreform beschlossen: Das ändert sich

von Petra Riffel
17.03.2023 | 10:48 Uhr
Die Ampel will, dass der Bundestag dauerhaft 630 Abgeordnete zählt. So funktioniert die Wahlrechtsreform, die heute beschlossen worden ist - ein Überblick in Grafiken.
Mit 400 Stimmen hat das Parlament am Freitag die umstrittene Reform der Ampel-Koalition für das Wahlrecht angenommen. 261 Abgeordnete stimmten dagegen, 23 enthielten sich. CSU und Linkspartei haben bereits Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt.
Die Änderungen im Überblick:

Wie viele Abgeordnete sitzen im Bundestag?

Derzeit sitzen im Bundestag 736 Abgeordnete. Eigentlich sind nach dem Wahlgesetz jedoch nur 598 Abgeordnete vorgesehen. Der aktuelle Vorschlag der Ampel-Regierung will die Zahl der Abgeordneten jetzt auf 630 festlegen.
Dies soll durch den Wegfall der Überhang- und Ausgleichsmandate erreicht werden. Weiter soll die Grundmandatsklausel gestrichen werden.
Durch die Wahlrechtsreform würden alle Parteien Mandate abgeben müssen. Die Linke würde aufgrund des Wegfalls der Grundmandatsklausel sogar komplett aus dem Parlament fliegen.

Warum sitzen deutlich mehr Abgeordnete im Bundestag?

Seit einer Wahlrechtsreform 2013 wächst die Zahl der Bundestagsabgeordneten. 2013 waren es 631 Abgeordnete, 2017 waren es 709 und seit der Bundestagswahl 2021 sind es 736 Abgeordnete. Dieses Plus an Abgeordneten kommt durch Überhang- und Ausgleichsmandate zustande. 
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Was ist der Unterschied zwischen Überhang- und Ausgleichsmandat?

Von Überhangmandaten spricht man, wenn eine Partei mehr direkte Wahlkreisgewinner in den Bundestag entsenden kann, als ihr nach ihrem Zweitstimmen-Ergebnis zustehen. Wer das Direktmandat gewinnt, kommt als Abgeordneter in den Bundestag.  
Damit dann das Parteienverhältnis gewahrt bleibt, bekommen die anderen Parteien Ausgleichsmandate - also zusätzliche Sitze im Bundestag. 

Die Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate nahm bei den letzten Wahlen immer weiter zu, weil die großen Parteien zwar weiterhin viele Direktmandate gewinnen, ihr Zweitstimmen-Anteil aber sinkt.

Wie sieht die zukünftige Stimmenverteilung aus?

Die Wählerinnen und Wähler entscheiden weiterhin mit ihrer Zweitstimme über die Verteilung der Mandate im Bundestag. Durch sie wird also definiert, wie viele der 630 Sitze welcher Partei zustehen.

Die Bundestagssitze werden über die Landeslisten der Parteien und die Direktmandate besetzt. Bei den Direktmandaten gibt es allerdings keine Garantie mehr, in den Bundestag einzuziehen. Gewinnt eine Partei mehr Direktmandate, als ihr nach Zweitstimmenergebnis zustehen, ziehen die Wahlkreisgewinner mit den schlechtesten Ergebnissen nicht in den Bundestag ein - Zweitstimmendeckung heißt das Prinzip.

Was ist die Grundmandatsklausel?

Auch die sogenannte Grundmandatsklausel soll laut Gesetzesentwurf entfallen. Danach konnten bisher Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten, trotzdem in den Bundestag einziehen, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnen.
Diese Klausel kam bisher vier Mal zum Tragen: 1953 und 1957 profitierte die Deutsche Partei (DP) davon, 1994 die PDS und 2021 deren Nachfolgepartei Die Linke, die mit 4,9 Prozent der Zweitstimmen an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte.

Kann es sein, dass mein Wahlkreis dann keinen Abgeordneten mehr hat?

Theoretisch ist es möglich, dass ein Wahlkreis nicht direkt von einem Abgeordneten vertreten wird. Das passiert, wenn die Partei nicht genug Zweitstimmen erreicht und damit nicht genügend Sitze, um sie an jeden Wahlkreisgewinner abzugeben. Denn nach der neuen Reform kommen die Wahlkreisgewinner nicht automatisch in den Bundestag, wie es bisher bei den Erststimmen (Direktmandaten) der Fall war.
Christoph Möllers von der Humboldt-Universität Berlin schätzt aber, dass dies selten sei. Die Zahl der insgesamt 299 Wahlkreise, in denen dieser Fall eintreten dürfte, werde wohl nur im niedrigen einstelligen Bereich liegen, sagte der Verfassungsrechtler Anfang Februar bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags. Danach hat die Ampel ihren Gesetzesentwurf nochmal geändert, um das Risiko "verwaister Wahlkreise" zu verringern, aus denen kein Abgeordneter ins Parlament entsandt wird. 

Ist die Ampel-Reform verfassungsgemäß?

Das sagt Parteienrechtlerin Sophie Schönberger zu einer möglichen Klage:
Die ursprünglich angedachte Wahlrechtsreform wurde zwar von Verfassungsrechtlern erarbeitet. Allerdings hat die Ampel diesen Gesetzentwurf noch geändert - und unter anderem die Grundmandatsklausel gestrichen. Und hier ist die Frage: Verschaffen sich SPD, Grüne und FDP dadurch einen Vorteil?
Aktuell profitiert die Linke von der Grundmandatsklausel, in Zukunft könnte auch die CSU auf sie angewiesen sein: Schon 2021 kamen die Christsozialen bundesweit auf ein historisch schlechtes Ergebnis von 5,2 Prozent. Wäre sie unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben, hätte sie nach dem neuen Wahlrecht keines ihrer 45 errungenen Direktmandate erhalten.
Alexander Hoffmann (CSU) von der Wahlrechtskommission sagt zur Reform:

Der Ampel-Vorschlag zur Verkleinerung des Bundestags führe zu "massiven Problemen verfassungsrechtlicher Art", so Alexander Hoffmann, CSU, von der Wahlrechtskommission.

27.01.2023 | 06:40 min
Für CSU-Chef Markus Söder besteht der Eindruck, die Ampel wolle sich dauerhaft eine Mehrheit sichern und kritische Stimmen mundtot machen. "Natürlich ist das verfassungswidrig", kritisiert der bayerische Ministerpräsident.
Möglicherweise kommt aber noch Bewegung in den Streit: Zumindest die FDP hat Kompromissbereitschaft angekündigt und eine Lösung in Aussicht gestellt, um der CSU auch bei Verfehlen der Fünf-Prozent-Hürde den Einzug ins Parlament zu ermöglichen.

Wie groß ist der Deutsche Bundestag im Vergleich zu anderen Parlamenten?

Der Deutsche Bundestag ist mit seinen mehr als 700 Abgeordneten im weltweiten Vergleich das größte demokratische Parlament, auch bezogen auf die Einwohnerzahlen.

Redaktion: Kevin Schubert, Kathrin Wolff
Design im Auftrag des ZDF: Jens Albrecht und Mischa Biekehoer

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