: Wie zuverlässig sind Hautscreening-Apps?

von Gunnar Fischer
02.05.2024 | 06:44 Uhr
Harmloses Muttermal oder doch ein bösartiges Melanom? Das fragen sich viele. Hautscreening-Apps wollen darauf die Antwort geben. Doch können sie das tatsächlich?

Hautkrebs frühzeitig mit dem Smartphone erkennen, das bieten Hautscreening-Apps. Wie sie funktionieren und was sie wirklich leisten.

02.05.2024 | 05:27 min
Wer eine Hautveränderung abklären lassen möchte oder einen Termin für das Hautkrebs-Screening braucht, muss sich auf lange Wartezeiten beim Arzt einstellen. Warum also nicht Muttermale per Hautscreening-App einschätzen lassen? Ein Vorteil: Die Beurteilung erfolgt schnell und anonym. Das dürfte zudem gerade bei schambehafteten Körperstellen die Bereitschaft zum Haut-Check erhöhen.
Tatsächlich nehmen viele eine Beurteilung via App in Anspruch: "Wir haben über 25.000 Patienten individuell beraten können, die mit unterschiedlichsten Hautproblemen auf uns zugekommen sind", berichtet Titus Brinker vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Er hat im Rahmen eines Forschungsprojekts die erste Hautscreening-App in Deutschland entwickelt.

Das Krebsforschungszentrum in Heidelberg setzt beim Kampf gegen Hautkrebs auf den Einsatz von KI. Auch Gesundheitsminister Lauterbach sieht in der Technologie ein großes Potenzial.

24.10.2023 | 01:34 min

Hautscreening-Apps zur Ersteinschätzung

Hautscreening-Apps könnten eine schnelle Rückmeldung geben, ob eine Hautveränderung weiter abklärungsbedürftig ist oder nicht, erklärt Brinker.
Da geht es aber immer um einzelne Flecken, nie um den ganzen Körper.
Priv.-Doz. Dr. Titus Brinker, KI-Forscher, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg
Bei Bedarf könnten Patienten sogar freiverkäufliche Medikamente empfohlen werden, ohne dass diese in die Arztpraxis kommen müssten, etwa bei einem Ekzem, so der Hautarzt weiter.
Allerdings können die Apps nur die Hautstellen beurteilen, die die Benutzer selbst bei sich entdecken. Doch Hautkrebs tritt auch an schlecht sichtbaren Stellen auf, zum Beispiel am Rücken oder sogar an der Fußsohle, warnt Gunnar Schwan. Er hat für Stiftung Warentest Hautscreening-Apps von verschiedenen Anbietern untersucht.
Wenn ich davon kein Foto mache, dann kann das natürlich nicht eingeschätzt werden.
Gunnar Schwan, Projektleiter, Stiftung Warentest
Deswegen können Apps kein Hautkrebs-Screening ersetzen, bei dem der Arzt den Körper gründlich mit einer Lupe nach Auffälligkeiten absucht.

Mit dem Hautkrebs-Screening kann man "weit über 95 Prozent aller Hautkrebsformen erkennen", so Prof. Christoffer Gebhardt, Leiter Hauttumorzentrum UKE Hamburg.

06.09.2023 | 05:05 min

So funktionieren Hautscreening-Apps

Unterschieden werden arztbasierte Apps und Algorithmus basierte Apps, bei denen nur eine Künstliche Intelligenz (KI) den Befund einschätzt. Beim Aufspüren von Hautkrebs spielt KI auch in dermatologischen Kliniken längst eine Rolle und unterstützt Ärzte bei der Diagnose. Die Algorithmus basierten Apps hingegen können KI-Forscher Brinker nicht überzeugen. Sie seien zu störanfällig. Schon kleine Bildveränderungen, sei es beim Kontrast oder der Beleuchtung, könnten zu unzuverlässigen Ergebnissen führen.
Wenn das Muttermal in einem anderen Winkel aufgenommen wurde als im Trainingsdatensatz der KI-App, dann gibt es Ungenauigkeiten.
Priv.-Doz. Dr. Titus Brinker, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg

Wie man Hautscreening-Apps anwendet

1. App downloaden

Es gibt unterschiedliche Anbieter, darunter arztbasierte und Algorithmus basierte Apps, bei denen kein Arzt, sondern ausschließlich künstliche Intelligenz Hautstellen analysiert.

2. Fotos machen

Auf gute Helligkeit achten. Fotos der Hautstelle aus mehreren Perspektiven aufnehmen. Dabei der Anweisung der App folgen. Idealerweise gibt der Arzt eine Rückmeldung, falls die Bildqualität des Fotos für eine Beurteilung zu schlecht ist. Bei schwer zugänglichen Stellen eine andere Person bitten, das Foto zu machen.

3. Fragebogen ausfüllen

Den Fragebogen mit etwas Zeit sorgfältig ausfüllen. Neben Angaben zur Person werden wichtige Informationen zur Hautveränderung abgefragt. Sie spielen für den Arzt neben dem Foto eine entscheidende Rolle, um den Fall richtig einschätzen zu können. Gute App-Anbieter zeichnen sich dadurch aus, dass der Arzt Rückfragen stellen kann.

4. Bezahlen

Die Ferndiagnose kostet je nach App zwischen 20 und 25 Euro. Die Kosten einer App-Nutzung werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen.

5. Rückmeldung abwarten

Die Einschätzung einer Hautstelle erfolgt bei den Algorithmus basierten Apps sofort, bei den arztbasierten Apps spätestens nach einem Tag. Die Beurteilung vom Arzt wird über die App verschickt. Die Empfehlung, einen Hautarzt aufzusuchen, sollte immer ernst genommen werden.

Gudrun Tiebe hatte eine sehr seltene Form des schwarzen Hautkrebses. Durch eine Immuntherapie hat sie die Krankheit heute im Griff.

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Hautscreening-Apps im Test

Der Markt an Hautscreening-Apps ist groß. Stiftung Warentest hat 17 von ihnen in einem Test im Dezember 2022 unter die Lupe genommen. Darunter waren sechs Algorithmus basierte und elf arztbasierte Apps.
Nur eine App hat Stiftung Warentest völlig überzeugt. Die Erkennungsleistung von Hautveränderungen sei bei keinem Anbieter fehlerfrei gewesen. Einige Apps rieten zur weiteren Abklärung zu einem Arztbesuch, auch wenn die Hautveränderung tatsächlich harmlos war. Besorgniserregend war jedoch eine Fehldiagnose bei einer arztbasierten App.
Wir hatten einen Fall dabei, wo eine App einen schwarzen Hautkrebs übersehen hat.
Gunnar Schwan, Projektleiter, Stiftung Warentest
Auch wenn die meisten Apps erwähnen, dass es sich um keine endgültige Diagnose handelt, ist das "Nichterkennen" eines Melanoms fatal. Das kann die Nutzer der App in trügerischer Sicherheit wiegen und eine frühzeitige lebensrettende Behandlung verhindern.

Apps keine Alternative zum Hautarztbesuch

Hautscreening-Apps können eine Ergänzung zur regelmäßigen Kontrolle von Muttermalen und anderen Hautveränderungen beim Facharzt sein. Sie können jedoch nicht die regelmäßige Kontrolluntersuchung beim Arzt ersetzen.

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