: Wenn die Schultersehne reißt

von Gunnar Fischer
01.02.2024 | 08:30 Uhr
Wenn plötzlich stechende Schmerzen in der Schulter auftreten, kann der Riss einer Muskelsehne die Ursache sein. In den meisten Fällen führt dann an einer Operation kein Weg vorbei.

Ein verschleppter Sehnenriss in der Schulter kann zu Komplikationen führen. Daher führt meist kein Weg an einer OP vorbei.

01.02.2024 | 05:32 min
Ein Sehnenriss, auch Ruptur genannt, zählt zu den häufigsten Verletzungen im Bereich der Schulter. Bei jüngeren Menschen kommt es insbesondere nach Stürzen oder im Sport dazu. Denn vor allem bei Sportarten mit Überkopfbewegungen, wie beispielsweise im Tennis, Badminton, Volleyball, Handball oder beim Speerwerfen werden die Sehnen im Schultergelenk stark beansprucht.
In der Regel sind Sehnenrisse dann die Folge von Verschleißerscheinungen. Daher steigt auch das Risiko einer solchen Verletzung mit zunehmendem Alter.
Das Schultergelenk ist am beweglichsten im menschlichen Körper, aber auch sehr instabil.Quelle: Imago
Kommt es im Schulterbereich zu einem Sehnenabriss, sind schmerzhafte Bewegungseinschränkungen und ein starker Kraftverlust die Folgen, so wie beim 51-jährigen Silvano Genthner bei einer Trainingseinheit im Fitness-Studio.
Sehnen sind grundsätzlich sehr anfällig, weil sie einen geringen Stoffwechsel und ein geringes Potenzial zur Reparatur haben - im Gegensatz zum Knochen, der wieder zusammenwächst.
Dr. Andreas Klonz, Facharzt für Chirurgie an der ATOS-Klinik in Heidelberg

Schulter das instabilste Gelenk im Körper

An der Schulter sei es zudem so, dass die Sehne mechanisch, bei jeder Bewegung gequetscht und gereizt werde und somit im Laufe der Zeit immer wieder Mikroverletzungen erleide. Meist reiße dann die vorgeschädigte Sehne im Rahmen eines Unfalles oder einer größeren Kraftanstrengung, sagt der Orthopäde und Unfallchirurg Andreas Klonz von der ATOS-Klinik in Heidelberg.
Die Schulter ist das beweglichste, aber gleichzeitig auch das instabilste Gelenk des menschlichen Körpers. Denn ihre Stabilität wird nicht, wie bei anderen Gelenken, durch Knochen, sondern nur durch die vier Muskeln der sogenannten Rotatorenmanschette gewährleistet. Eine geniale, aber auch anfällige Konstruktion.

Was ist eine Rotatorenmanschette?

Der Name Rotatorenmanschette resultiert aus ihrer Funktion. Denn diese Gruppe von vier Sehnenmuskeln (Supraspinatus, Infraspinatus, Subscapularis und Teres minor) sorgt für die Innen- und Außenrotation des Schultergelenks. Sie umschließen es fest wie eine Manschette. Jede Bewegung und Kraftübertragung des Oberarms wird über die Rotatorenmanschette gesteuert. Dabei muss sie den Oberarmkopf in der Schulterpfanne halten und zudem die Bewegung des Arms und der Schulter in drei Richtungsebenen ermöglichen.

"Die Schulter ist im Gegensatz zu anderen Gelenken im Grunde nur durch ihre Muskeln geführt und stabilisiert. Sie wäre ohne ihre Muskeln komplett instabil und würde auseinanderfallen", sagt Dr. Andreas Klonz, Unfallchirurge an der ATOS-Klinik in Heidelberg.

Sehnenriss bedeutet Kraftverlust und eingeschränkte Beweglichkeit

Ein Sehnenriss an der Schulter führt nicht nur zu Schmerzen, sondern ist zudem mit einem Kraftverlust und starken Bewegungseinschränkungen im Schulter- und Armbereich verbunden. Da eine komplett durchgerissene Sehne von allein nicht wieder anwächst, ist meist eine zeitnahe Operation notwendig, um einer Ausweitung des Risses zuvorzukommen.
Gerade bei großen Rissen zieht sich die Muskelsehne schnell und weit zurück. Unbehandelt verfettet und vernarbt sie schließlich.
Dr. Andreas Klonz, Facharzt für Chirurgie
In diesem Stadium könne man den Muskel nicht wieder auf Länge bringen und damit die Sehne auch nicht wieder zurückziehen, erklärt Klonz.

Wie behandelt man eine angerissene Sehne in der Schulter?

Stellt der Arzt hingegen fest, dass die Sehne nur angerissen ist, sehe die Situation anders aus, erläutert der Unfallchirurg. Denn dann könne sich die Sehne nicht weit zurückziehen. In solchen Situationen habe man daher Zeit abzuwarten, und könne überprüfen, inwieweit überhaupt Beschwerden bestehen und ob eine Operation tatsächlich erforderlich sei.

Wie schnell muss eine gerissene Sehne operiert werden?

Bei der konservativen Behandlung werden medikamentös die Schmerzen gelindert. Zudem können bei einer angerissenen Sehne die benachbarten Sehnen mit Hilfe von gezielten Übungen gestärkt werden. So können sie die Funktion der großen Sehne ausgleichen, bis diese wieder verheilt ist.
Die Indikation zur Operation ist nicht nur von der Frage abhängig, ob es sich um einen Sehnenanriss oder einen kompletten Riss handelt. Auch das Alter des Patienten, der Grad der Einschränkung und die individuellen Alltagsanforderungen, wie zum Beispiel sportliche Belastungen, spielen eine Rolle.
Verschleißbedingte Schäden an der Rotatorenmanschette, die nur geringe Beschwerden hervorrufen, müssen nicht zwangsläufig operiert werden. Gerade bei älteren Menschen sollte über eine Notwendigkeit einer aufwändigen Rekonstruktion in solchen Situationen gründlich nachgedacht werden.

Wie verläuft eine OP bei einem Sehnenriss in der Schulter?

In vielen Fällen ist jedoch eine Operation unumgänglich, um die Sehne am Oberarmknochen wieder zu fixieren. Dabei kommt unter Videokontrolle eine spezielle Faden-Anker-Methode zum Einsatz, mit der die Verbindung wieder hergestellt wird. Der operative Eingriff dauert etwa eine Stunde und erfolgt unter Vollnarkose. Nach dem Eingriff ist eine Ruhigstellung von mindestens drei Wochen erforderlich.
Die sich anschließende Physiotherapie ist sehr wichtig, denn sie hilft, die Kraft und Beweglichkeit der Schulter wiederherzustellen. Dabei sollte zunächst mit geringer Intensität trainiert werden. Erst drei Monate nach der OP, wenn die Sehne fest verheilt ist, erfolgt der Kraftaufbau mit steigender Belastung.

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